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Filmplakat von Zimmer mit Aussicht

Zimmer mit Aussicht

117 min | Drama | FSK 12
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Als sich Lucy Honeychurch (Helena Bonham Carter) in Begleitung der Anstandsdame Charlotte Barlett (Maggie Smith) in Florenz in Zimmern ohne Aussicht wiederfinden, sprechen sie beim gemeinsamen Abendessen enttäuscht darüber, dass sie keinen Blick auf den Fluss Arno haben. Zwei andere Hotelgäste, Herr Emerson (Denholm Elliott) und sein Sohn George (Julian Sands), lauschen dem Gespräch und bieten den beiden Damen an, die Zimmer mit ihnen zu tauschen, da man aus deren Zimmer nicht nur einen Blick auf den Arno, sondern über die gesamte Stadt hat. Etwas widerwillig nehmen sie das Angebot an. Während ihres Aufenthalts kommen sich George und Lucy sehr nahe - zu nah für Charlotte Emerald, die die Reise sofort abbricht. Zurück in England merkt Lucy, wie der Aufenthalt in der Toskana ihre Heiratspläne mit dem Ästheten Cecil Vyse (Daniel Day-Lewis) verändert hat.

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Filmkritik

Nach David Leans "Reise nach Indien" ist dies innerhalb kurzer Zeit der zweite Film, der eine Romanvorlage des englischen Schriftstellers E.M. Forster als Vorlage nutzt. James Ivory hat das 1908 veröffentlichte Frühwerk Forsters in den Kanon seiner Literaturverfilmungen (nach Henry James und Jean Rhys) eingebracht. Gemeinsam ist den drei Autoren das, was Henry James das "international theme" genannt hat: die psychischen Veränderungen, die Menschen erfahren, die in einem anderen Lebens- und Kulturkreis eigenwilligen fremden Einflüssen ausgesetzt sind und nach ihrer Rückkehr unbewußt ihr Leben danach gestalten, was auch heißt, daß sie nicht wieder in ihrer Kultur heimisch werden (wie die Amerikaner in "Die Europäer") oder in der Fremde verlorengehen (wie Isabelle Adjani in "Quartett", 1980). In "Zimmer mit Aussicht" verbindet Ivory seine ironische Studie der Engländer im Ausland mit einer zarten Romanze und einer romantisierenden Liebeserklärung an das ausgehende viktorianische Zeitalter.

Von ihrer älteren Cousine Charlotte als Anstandsdame begleitet, trifft die junge Lucy Honeychurch 1907 in Florenz in der Pension Bertolini ein, wo nur Engländer verkehren. Bald wird sie, die sich durch ein leidenschaftliches Pianospiel von Beethovens Sonaten von ihrer Umgebung abhebt, in ihrer bürgerlichen Selbstsicherheit durch die Begegnung mit dem vitalen und leicht exzentrischen George Emerson verunsichert, der sie nicht nur rettet, als sie angesichts einer Messerstecherei auf der Piazza della Signoria ohnmächtig wird, sondern ihr auch während einer Ausfahrt in die Umgebung von Florenz auf einem blühenden Kornfeld einen Kuß raubt. Da Charlotte Zeuge dieses unerhörten Vorfalls wird, reisen die Damen ab. Zurück in der Heimat, einer Kleinstadt in der Nähe von London, stürzt sich Lucy blindlings in die Verlobung mit dem Dandy Cecil Vyse, der in seiner manierierten Künstlichkeit das genaue Gegenteil von George und ein lebendes Ritual ist. Per Zufall ziehen George und sein Vater in ein Landhaus in der Nähe, und so ist es unvermeidlich, daß sich Lucy und George wiedersehen. Nach etlichen Gefühlsstürmen siegt die Liebe zu George, mit dem sie im nächsten Frühjahr auf Hochzeitsreise nach Florenz fährt.

Wenn Lucy und George zum Schluß in der Pension ein "Zimmer mit Aussicht" beziehen, hat sich der Kreis des Films - am Anfang waren Lucy und Charlotte gezwungen, deswegen ihr Zimmer mit den Emersons zu tauschen - geschlossen. Damit ist das Rahmenmotiv thematisch vorgegeben, denn das "Zimmer mit Aussicht" bedeutet die verschiedenen Weisen, mit denen Menschen die Welt sehen. Auf dieser unaufdringlichen Dialektik entwickelt Ivory in milder Ironie eine kluge, delikate und zutiefst britische Charakterisierung angelsächsischer Mentalität. Die Lebensart der "Englishmen abroad" ist geprägt von Teeparties, Baedecker-Reiseführern und distinguierten Manieren, Konventionen, deren Gipfel Cecil darstellt, der als lebende Säule Lucy nur als Besitz betrachtet, während George sie um ihrer Eigenarten willen liebt: der Grund, weshalb sie sich über die Konventionen hinweg für ihn entscheidet. Die Geschichte von Lucys sich entfaltendem Herzen, ihre wie die zahlreichen Fenster symbolhaft zur Welt sich öffnenden Gefühle werden in diesem seltenen Preziosum der Filmkunst in ein mildes impressionistisches Licht getaucht, von Arien der unvergleichlichen Sopranistin Kiri Te Kanawa umspielt und vom milden Hauch vergangener Zeiten umflort. Ein Glücksfall von Literaturverfilmung und ein atmosphärisch wie psychologisch stimmiges Meisterwerk. Daß sich Ivory dessen bewußt ist, beweisen nicht nur die in kostbare Lettern gesetzten Anfangsbuchstaben der (außer Prolog und Epilog) elf Kapitelüberschriften dieser zärtlichen Erziehung des Herzens.

Erschienen auf filmdienst.deZimmer mit AussichtVon: Hans Gerhold (30.9.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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