Konzerte, Filme, Feste, Performances, Lesungen, Aufführungen, Workshops, Experimente sowie intensive und freudige Begegnungen: das Festival des Francophonies, entwickelt und organisiert von unseren Kolleg*innen des Centre Francais de Berlin (als Maison des Francophonies) feiert die Vielfalt der frankophonen Kulturen! Mehr Infos zum Programm: https://www.francophonies.de/festival/ Wir zeigen im Rahmen des Festivals die Filme ZIMMER 212 und PAUSE.
Zimmer 212
Mit Gästen!
Nach 20 Jahren Ehe erfährt Richard von den ständigen Affären seiner Frau Maria mit jüngeren Männern. Im Streit beschließt die souveräne Jura-Professorin ihr bürgerliches Zuhause zu verlassen und zieht in das Zimmer 212 des gegenüberliegenden Hotels. Von dort aus kann Maria ihren Mann in der gemeinsamen Wohnung aus der Vogelperspektive beobachten und ihre Ehe Revue passieren lassen. Als ihr überraschend zahlreiche Menschen aus ihrer Vergangenheit erscheinen und sie mit ihrer Sicht auf die Dinge konfrontieren, beginnt Maria ihre Entscheidung anzuzweifeln.
„Musical, Kostümfilm oder Drama – stets sucht der Regisseur Christophe Honoré neue Formen, um die verschlungenen Pfade der Liebe zu erkunden. Sein neuer Film zeigt nun aufs Schönste, dass er auch heitere Töne anschlagen kann.Man fühlt sich im besten Sinne unterhalten.“ (Deutschlandfunkkultur, Anke Leweke)
FR/LUX/B 2019, R: Christophe Honoré, D: Chiara Mastroianni, Vincent Lacoste, Camille Cottin u.a., L: 87 min., FSK: ab 12
- RegieChristophe Honoré
- Dauer87 Minuten
- GenreKomödie
- Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Wer kann einem Mann widerstehen, der Asdrubal Electorat heißt? Die Juraprofessorin Maria jedenfalls nicht, die sich auf die Affäre mit dem Studenten vor allem auch deshalb eingelassen haben will, weil sie in ihrer akademischen Laufbahn noch keinem „erotischeren Namen“ begegnet sei. Das behauptet sie zumindest, als Asdrubals eigentliche Freundin die beiden überrascht und die in den Schrank geflüchtete Maria ihr Versteck rasch wieder verlässt, weil sie das oberflächliche Liebesgegurre der jungen Frau nicht aushält.
Dass damit die Affäre vorbei sein muss, steht für Maria fest, auch wenn ihr und ihrem Ex-Geliebten natürlich verlegene Begegnungen in der Universität bevorstehen werden. Der Student allerdings beendet lieber die Beziehung zu seiner Freundin und schreibt der Professorin sofort wieder unmissverständliche Handynachrichten – die prompt deren Ehemann Richard in die Hände fallen, der bis dahin nichts von Marias Untreue ahnte. Maria redet zwar das Fremdgehen klein, kann ihren spürbar getroffenen Mann aber nicht beruhigen. „Wir müssen nachdenken“, erklärt Richard und zieht sich dafür ins Schlafzimmer zurück; Maria dagegen verlässt die gemeinsame Wohnung in Richtung des Hotels auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um dort allein die Nacht zu verbringen.
Von der bürgerlichen Realität hinein in ein Traumspiel
Mit dieser Straßenüberquerung tritt der französische Regisseur Christophe Honoré in seinem Film „Zimmer 212 – In einer magischen Nacht“ auch vom realistischen bürgerlichen Ambiente in die Sphäre eines Traumspiels über. Schneefall und Klaviermusik markieren den Übergang, dann sieht man, wie sich Maria und Richard auf einen Modellbau der Straße stützen und die Konditionen für die Nacht der Trennung klären. Diesen Puppenhaus-Charakter werden im Folgenden auch die Wohnung des Paars und das Hotel haben, wo die elegant umhergleitende Kamera gern von oben in die Räume blickt, wo die Personen ihre Beziehung neu für sich verhandeln.
Den Anfang macht in Marias Hotelzimmer die Erscheinung von Richards 25-jährigem Ich, in das sie sich einst verliebt hat und mit dem die gegenseitigen sexuellen Anziehungskräfte noch immer wie einst funktionieren. Allerdings nörgelt die jüngere Ausgabe ihres Mannes beim Blick aus dem Fenster auch reichlich, was die Jahre aus ihm gemacht hätten, und drängt frappant eine einfache Lesart von Marias Drang nach jungen Liebhabern auf: War die Professorin immer nur auf der Suche nach der verlorenen Zeit ihrer ersten Verliebtheit?
Die Geister der Vergangenheit mischen sich ein
Nach seinem eingehenden und ernsten Beziehungs- und AIDS-Melodram „Sorry Angel“ hat sich Christophe Honoré für seinen Folgefilm offensichtlich bewusst einen kleineren Rahmen und einen leichter gestimmten Zugang gewählt, auch wenn „Zimmer 212“ nicht frei von Melancholie bleibt. Dennoch nimmt sich Honoré eher der heiteren und poetischen Momente seines Sujets an, das er mit absichtlich einfachen Konstellationen angeht: So wie Maria und die junge Version ihres Gatten sich wider ihr besseres Wissen vergnügen, beschwört die Imagination der Protagonistin auch Richards erste Geliebte, seine Klavierlehrerin, herauf, die wiederum ihre Ansprüche auf den Mann im Haus auf der anderen Straßenseite erneuert.
In den Disput der Frauen mischen sich sodann weitere Geister der Vergangenheit ein, die plötzlich im Hotelzimmer auftauchen: Marias Mutter und ihre Großmutter, sämtliche andere junge Liebhaber aus der Zeit ihrer Ehe, aber auch ihr eigener Wille in Gestalt eines entfernt an den Entertainer Charles Aznavour erinnernden Mannes im schäbigen Leopardenanzug, der plastisch vorführt, wie es um Marias emotionale Kontrolle bestellt ist. Zu all dem gesellt sich der liebeskranke Asdrubal dazu, durch den die Situation endgültig ins Chaos zu kippen droht.
Metaerzählung über die Verlockungen und Versprechungen des Kinos
Die Künstlichkeit des Szenarios kehrt Honoré beständig nach außen. Das beginnt bei der Zimmernummer, die alles, was sich darin abspielt, explizit als Kopfgeburt Marias kenntlich macht, weil die Zahl 212 auf den entsprechenden Paragrafen im „Code Civil“ zu den Pflichten von Eheleuten verweist – und damit gleichermaßen auf Marias Beruf wie auf ihr persönliches Dilemma. Die unvermittelten und oft sehr witzigen Auftritte der Geister-Figuren sind klare Referenzen an eine Reihe von filmischen Vorbildern wie Woody Allen, den sanften Ingmar Bergman von „Wilde Erdbeeren“ oder den surrealistischen Einschlag der tschechoslowakischen Neuen Welle; die intensive Farbgestaltung ist einmal mehr an einem von Honorés wichtigsten Vorbildern geschult: Jacques Demy. Genau wie in dessen Filmen ist hier auch Musik wieder ein kommentierendes Element, selbst wenn der Filmemacher diesmal fast ganz darauf verzichtet, die Charaktere selbst singen zu lassen. Und unten auf der Straße rückt immer wieder die Fassade eines Filmtheaters ins Bild und macht die Geschichte einer seltsamen Nacht endgültig zur Metaerzählung über die Verlockungen und Versprechungen des Kinos.
Als cinephil beflissener Filmemacher mit einem breiten Bezugswerk hat Christophe Honoré in seinen Arbeiten schon immer mit einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmungen gearbeitet, von der provokativen Kühle in „Meine Mutter“ bis zur überschwänglichen Nouvelle-Vague-Liebeserklärung in „Chanson der Liebe“. „Zimmer 212“ nimmt darin eine Zwischenstellung ein, als verspielte, aber nie triviale Bestandsaufnahme eines Paares im Augenblick einer möglichen Trennung. Das Bewusstsein der Vergänglichkeit steht hier stets neben der Chance auf einen Fortbestand der Beziehung, ohne dass der Film einem Szenario den Vorzug geben würde. So überfüllt die Zimmer hier mit den Phantomen der Vergangenheit sind: für die Hoffnung auf die Zukunft ist doch noch Platz.