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Filmkritik
Eine Frau eröffnet ihrem empörten Gatten, dass sie einen anderen hat. Und das auch noch, während der von Magenproblemen geplagte Nebenbuhler gerade die Toilette des Paares blockiert. Eigentlich eine dankbare Ausgangssituation für eine Boulevardkomödie, aber die Vorführung des Stücks „Der Gehörnte“ in einem nur spärlich besetzten Pariser Theater erweist sich als äußerst zähe Angelegenheit. Dabei gerät die dialogreiche Konfrontation auf der Bühne nicht einmal so übertrieben schlecht, dass es schon wieder lustig wäre, sondern einfach nur laut, angestrengt und ohne jegliches Gefühl.
Notfalls soll das Publikum eben mit Gewalt unterhalten werden!
Fünf quälende Minuten setzt uns der Film aus Zuschauerperspektive diesem Schmierentheater aus. Wie eine Erlösung wirkt es, als sich ein junger Mann namens Yannick (Raphaël Quenard) erhebt, um die Schauspieler zu unterbrechen. Der Nachtwächter wollte an seinem freien Tag eine gute Zeit haben, empfindet das Gebotene als lieblose Zumutung und plädiert dafür, dass den zahlenden Leuten etwas geboten wird. Nur mühsam lässt sich der monologisierende Störer aus dem Saal begleiten und kehrt wenig später mit einer Waffe zurück. Notfalls soll das Publikum eben mit Gewalt unterhalten werden.
Dem äußerst produktiven französischen Regisseur Quentin Dupieux reicht oft ein Kalauer oder nur eine grob skizzierte Idee als Ausgangspunkt für seine kleinformatigen, von absurdem Humor durchzogenen Filme. Einen mordenden Autoreifen („Rubber“) widmet er sich bisher ebenso wie einer unwiderstehlichen Lederjacke („Monsieur Killerstyle“) und einem mysteriösen Keller mit verjüngender Wirkung („Incredible but True“). Der fast ausschließlich im Theater angesiedelte „Yannick“ kommt nun wie eine Meta-Komödie über die Hoheit der Kunst und die Ohnmacht des Publikums daher.
Troll oder Revolutionär?
Dupieux spitzt die schlichte Situation dabei mal mit den Mitteln des Boulevardtheaters zu, dann zerdehnt er sie wieder in uneindeutige Seltsamkeit. Etwa als Yannick mit einem geliehenen Laptop auf der Bühne Platz nimmt, um schnell selbst ein Stück zu schreiben. Wie als Parodie auf einen Suspense-Moment wiederholt sich dabei endlos der immergleiche Klavierakkord, während der Geiselnehmer sichtlich Probleme mit der Tastatur hat oder debil vor sich hinkichert. Die Schauspielerin Sophie (Blanche Gardin) versucht derweil, ihren Kollegen zur Revolte aufzustacheln, und weiß sich nicht anders zu helfen, als zum Lohn ihren Körper anzubieten.
Die drei Schauspieler machen sich über Yannicks tölpelhaftes Auftreten, seine rustikale Aussprache und mangelnde Bildung lustig. Anders als ein älterer Snob (Jean-Paul Solal), der in den Credits als „Herr, der sich aufregt“ bezeichnet wird, wirkt der grobe, aber auch bauernschlaue Yannick im Theater deplatziert. Doch wie ein Kind scheint er manche Dinge klarer zu sehen als das bildungsbürgerliche Publikum. Ist Theater letztlich nicht auch nur eine Dienstleistung? Offen bleibt, ob diese ambivalente Figur letztlich mehr Troll oder Revolutionär ist.
Oft bleibt einem das Lachen im Halse stecken
Anders als in früheren Filmen des Regisseurs entlädt sich die angespannte Situation hier seltener in irrwitzigem Quatsch. Bewaffnet schlendert Yannick durch die Zuschauerreihen und verwickelt die angespannten Geiseln in unangenehme Gespräche. Durch seine mangelnde Sensibilität und den Lebenserhaltungstrieb der Zuschauer entstehen dabei immer wieder komische Momente. Etwa als sich der Nachtwächter bei zwei jungen Freundinnen einquartieren will, die beide mit gespielter Freundlichkeit Werbung für die Wohnung der jeweils anderen machen.
Oft bleibt einem das Lachen aber auch im Hals stecken. Denn während sich Yannick kumpelhaft und unbekümmert gibt, neigt er auch dazu, unverschämt und übergriffig zu sein. Einen Schauspieler (Sébastien Chassagne) führt er wegen seines Mundgeruchs vor, und ein Paar bringt er mit anzüglichen Fragen in Verlegenheit. Und doch gelingt es ihm, das Publikum auf seine Seite zu ziehen, was besonders Hauptdarsteller Paul (Pio Marmaï) rasend macht. Bleiben ihm die Zuschauer verbunden, weil er eine Waffe hat, weil er ausspricht, was alle denken, oder will das Publikum am Ende gar genötigt werden? Der geschwätzige Nachtwächter behauptet, dass eine schlechte Aufführung letztlich nichts anderes sei als eine Geiselnahme.
Anarchische Unberechenbarkeit
Auch wenn der Film scheinbar immer wieder ansetzt, um über das Medium Theater sowie die Rollen von Schauspielern und Zuschauern zu reflektieren, bleibt er dabei konsequent unverbindlich und verwehrt uns letztlich eine Pointe. Es ist jedoch keine didaktische Verweigerung, sondern eher eine anarchische Unberechenbarkeit. Vermutlich ist „Yannick“ nicht ohne Grund nach seinem Protagonisten benannt, der sich nie ganz greifen lässt. Auch der Film verrät nicht immer, wann er etwas ernst meint und wann er uns aufs Glatteis führt.