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Filmkritik
Wenn man mit elf Jahren mitten in der Nacht im Haus der besten Freundin vor deren Vater steht, ist „Keine Sorge, meine Eltern wissen nicht, dass ich hier bin“ womöglich nicht die beste Entschuldigung. Wobei Billies Papa (Ronald Zehrfeld), obgleich Mathe- und Physiklehrer, eigentlich einen ganz lässigen Eindruck macht und sich die Aufnahme zumindest mal anhört, die Billie und Dino mit ihrem selbstgebauten Radioteleskop gemacht haben. Allerdings glaubt er nicht, dass es sich bei den Tönen wirklich um ein Signal von Außerirdischen handelt.
„Wow! Nachricht aus dem All“ lässt schon im Titel erahnen, dass Billies Papa, obgleich ehemaliger Angestellter bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, nicht recht hat. Das ändert allerdings nichts daran, dass Dinos Eltern (Alwara Höfels, Daniel Christensen) nach dieser Exkursion Billie verbieten, je wieder auf ihren Schrottplatz zu kommen und ihren Sohn zu treffen.
Ruckzuck im All
Da Verbote aber noch nie sonderlich befolgt wurden, treffen sich die beiden eben nur noch nachts. Sie schreiben der ESA einen Brief, werden prompt zum nächsten Raketenstart nach Französisch-Guayana eingeladen und tricksen sich ihren Weg dorthin. Dann wird es wild, denn die ESA-Chefin (Lavinia Wilson) hat offensichtlich etwas zu verbergen; auch laufen verdächtige Männer in Schwarz herum. Nach einigem Chaos mit einem geheimnisvoll schwebenden Stein im Laderaum der Rakete landen die Kinder – ruckzuck im All.
Die „suspension of disbelief“, im Deutschen etwas ungelenk „willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“ genannt, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass man sich generell auf eine Erzählung einlassen kann. Einem Buch oder einem Film obliegt dann die Aufgabe, die Unwahrscheinlichkeiten so weit plausibel oder hinreichend anziehend zu machen, dass man sich der Story überlässt.
Lässiger Umgang mit der Realität
Dieser Bereitschaft legt das Drehbuch von Marc Meyer in „Wow!“ aber jede Menge Arbeit auf. Ein vollständig ausgestattetes Cockpit, passende Raumanzüge und ausreichend Sauerstoff in einer Rakete, die gar nicht als bemannter, pardon: „bekinderter“ (einer der kleinen Sprachgags im Film) Start geplant war? Eine geheimnisvolle Last-Minute-Zuladung bei einem Raketenstart, bei dem doch jedes Gramm an Bord zählt? Die ISS fliegt ohne Besatzung in der Erdumlaufbahn herum? Das ist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für kindliche Raumfahrt-Fans ein ganz schön lässiger Umgang mit der Realität.
Um „Wow! Nachricht aus dem All“ dies auch abzunehmen, muss mindestens eine von zwei Bedingungen erfüllt sein: Der Film muss wirklich Spaß machen, und die Darsteller:innen werfen sich mit Freude ins Abenteuer. Letzteres klappt zunächst ganz gut. Lavinia Wilson ist eine hingebungsvolle Antagonistin, Ronald Zehrfeld ein etwas hilfloser Witwer, und vor allem Alwara Höfels stürzt sich mit Verve in ihren Part als laute, etwas prollige und sehr entschlossene Schrottplatzmutter. Vor allem aber sind Ava-Elisabeth Awe und Felix Nölle als Billie und Dino echte Entdeckungen. Die beiden tragen den Film weitgehend allein – auf Erden wie im All –, auch tapfer in „Schwerelosigkeit“ und mit stellenweise fragwürdigem CGI.
Mit angezogener Handbremse
Der Film selbst allerdings wirkt gelegentlich so, als fliege man mit angezogener Handbremse durchs All. Die ESA als geheimnistuerisch agierende Organisation oder „Men in Black“, die im Hintergrund Strippen ziehen, bleiben blass. Man wünschte sich, dass der Film seine Themen noch ein wenig weitergetrieben hätte. Entweder deutlicher metaphysisch-philosophisch (es wird zum Ende hin kurz mystisch), oder seltsamer, schräger, überbordender, lauter, entschlossener.
Die Vorbilder im Genre gibt es durchaus. „Contact“ stand offenbar lose Pate, die Kommunikation mit den Aliens, die über Rhythmen und Musik passiert, erinnert natürlich an „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, der ESA-Kontrollraum sieht professionell aus, und am Ende gehen die zwei jungen Astronaut:innen auf die Kamera zu wie einst das Bohrteam in „Armageddon – Das jüngste Gericht“ – nur nicht ganz so pathetisch.
Mit einem Wort: Diesem Film fehlt es an Mut. Es müsste alles lustiger sein, entschlossener, befreiter. Das zeigt sich schon am verdrucksten Umgang mit der Hautfarbe. In den ESA-Büros hängen Fotos von Billies Mutter, die Astronautin war (und auf einer Raumfahrt-Mission ums Leben kam); Billie verweist auf sie als „die Frau, die so aussieht wie ich“. Ja, sie ist schwarz. Das ist sonst im Film nie ein Problem. Warum sollte Billie das nicht aussprechen wollen? Get over it.