Kekse und Popcorn für ein großartiges Kinoerlebnis

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Filmplakat von To Germany, with love (engl.)

To Germany, with love (engl.)

Drama
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Vorstellungen

Leider gibt es keine Kinos.

Filmkritik

Nach dem Achtungserfolg seines im Eigenverleih vertriebenen Spielfilmdebüts „Terroristen!“ (fd 30 113) schien Philip Gröning zu den wichtigsten Stimmen einer neuen Regiegeneration im gerade wiedervereinigten Deutschland zu gehören. Seine formale Experimentierfreude und die intellektuell reflektierte Erzähllust, nicht zuletzt auch sein respektloser politischer Gestus sorgten für einen kleinen Skandal (Helmut Kohl hatte persönlich interveniert). Als würde es von Talenten in der deutschen Kinolandschaft nur so wimmeln, ließ die Veröffentlichung eines Folgeprojekts Grönings auf sich warten. 1997 gedreht, war „L’Amour“ im Jahr 2000 nur auf wenigen Festivals zu sehen, in die Kinos kommt der Film erst jetzt; und auch dies nur auf Initiative eines Kinounternehmens hin, das sich für die Produktion begeisterte und sein Betätigungsfeld vom Abspiel zum Verleih erweiterte. Das Warten hat sich gelohnt – der Bildschirm wäre zu eng gewesen für „L’Amour“, nicht nur wegen der ausgreifenden Scope-Bilder. Bleibt zu hoffen, dass der Film im anhaltenden Kopienstau nicht untergeht. Immerhin ist mit „Die große Stille“ bereits eine weitere Arbeit Grönings angekündigt; entmutigen lässt sich der Regisseur offenbar nicht so schnell. Diese Tugend teilt er mit den Helden seines Road Movies. Als der eben arbeitslos gewordene Hilfsarbeiter David mitten in der Silvesternacht auf die ungefähr gleichaltrige Prostituierte Marie stößt, sind sich beide der Schicksalschwere dieses Augenblicks bewusst. Überstürzt lassen sie alle Bindungen hinter sich, machen sich gemeinsam von Berlin auf die Reise in Richtung Westen. Das Meer ist ihr Ziel, ein Meer, in dem sich sogar im Winter baden lässt. Erst nach einigen hundert Kilometern erfährt David den Namen seiner Geliebten. Doch die grenzenlose Freiheit erweist sich schnell als Illusion. Bald schon bleibt Marie zum Gelderwerb keine Alternative als der neuerliche Verkauf ihres Körpers. Die Beziehung kriselt, doch zehrt immer wieder aus der Substanz der Liebe. In Duisburg kommt ihr Drang Richtung Frankreich ins Stocken. David und Marie ziehen so etwas wie ein Mini-Bordell auf, gewöhnen sich an die überraschend stabil eingehenden Erträge. Erst die aggressiven Marktgesetze im Rotlichtmilieu lösen einen neuen Fluchtimpuls aus. Das Paar passiert Paris, kommt endlich an der ersehnten Küste an. Doch aus Unkenntnis haben sie statt des Mittelmeers den Atlantik angesteuert – hier lässt sich unmöglich baden. Zur Krönung des Desasters setzt David auch noch das gemeinsame Fahrzeug in Brand. Sie können sich retten, überleben auch diese Katastrophe, werden irgendwie weitermachen. Ihre Liebe hat noch Kraft. Der Film war ursprünglich mit „L’Amour, l’Argent, l’Amour“ betitelt, verwies damit auf die beiden diametralen Pole, aus denen sich die Geschichte speist: die Liebe als höchste Form der Utopie einerseits, andererseits das Geld als materialisierte Form eines alles aufzehrenden Pragmatismus. Die Prostitution – und damit die Figur der Marie – fungiert als Schaltstelle zwischen diesen Gegensätzen, kennzeichnet wie keine andere Profession den von Walter Benjamin diagnostizierten Warencharakter der zwischenmenschlichen Beziehungen im Kapitalismus. Die Fluchtbewegungen des Paares vollziehen die sich aus dem Wechsel von Liebe und Geld ergebenden Kontraktionen nach. Wirklich beheimatet sind Marie und David dabei nur im Zustand der Flucht, sobald Stillstand eintritt, setzt sich die durch den Gelderwerb bedingte Erosion fort. Jean-Luc Godard zitierte in seinem jüngsten Spielfilm „Eloge de l’amour“ Georges Battaille mit dem Satz, dass die Liebe das Gegenteil des Staates verkörpere. In diesem Sinne könnte man die Liebe auch als das Gegenteil des Geldes bezeichnen. Prostituierte eignen sich genau deshalb als Modellfiguren des Scheiterns, weil sie diese gegenteiligen Positionen in sich vereinen und an dieser Unvereinbarkeit meist zerbrechen. Gröning verquickt die klassische Prostitutionsthematik mit den Methoden des Road Movies. Aber eigentlich steht nicht die Frau im Mittelpunkt seines Interesses. Von Marie erfährt man über die Tatsache ihrer Profession hinaus gar nichts. Ihre Herkunft bleibt ungewiss, ihr Tun wird von zahlreichen Geheimnissen begleitet, erscheint vom Überlebenskampf auf der Straße geprägt. In der Komplementärfigur ihres Hundes Kurt werden diese animalischen Wesenszüge noch einmal reproduziert. Frau wie Hund bleiben für David letztlich rätselhaft. Er, als der durch seinen Freudschen Gipsarm in seiner verletzten Männlichkeit überdeutlich codierte Sinnsucher, jagt seinem Traum von erfüllter Zweisamkeit erfolglos hinterher. Die Liebe bleibt das sich selbst verheißende Mysterium, ebenso unerreichbar in der Realwelt wie unverzichtbar als Lebensantrieb. Auch jenseits solcher inhaltlichen Interpretationsmöglichkeiten funktioniert „L’Amour“ als unterhaltsam-anregendes Kinostück. Natürlich könnte man einwenden, dass die Konstruktion der Figuren der alten Sehnsucht des Intellektuellen nach Milieus entspringt, mit denen er sonst nur marginal zu tun hat, dass sich dadurch fast zwangsläufig Verklärungen einstellen. Soziale Projektionen fallen durch die Reibungsmomente ihrer Versatzstücke auf. Wenn Gröning zum Beispiel Marie mit einem Walkman durch die Szene schickt, der immerzu Velvet Underground spielt, so entspricht dies wohl eher dem Geschmack des Regisseurs als dem seiner Kunstfigur. Größte Schwäche des Films ist seine Dialogführung. Entgegen der über große Strecken auf Lücke erzählten Handlung verhaken sich die Dialoge mehr als einmal in überflüssigem Geplänkel, das dem Film in seinem Tempo zurückwirft und zudem wie aufgesagt wirkt. Sehr schön hingegen fällt die Bildgestaltung ins Auge, die sich erst auf der großen Leinwand entfaltet; bemerkenswert, dass Gröning dabei auf Techniken zurückgreift, die im klassischen Experimentalfilm wurzeln und im Zeitalter vermeintlicher elektronischer Alleskönner fast schon in Vergessenheit geraten sind. Um klassische Doppelbelichtungen zu realisieren (die in der Kamera, also weder am Tricktisch noch am Computer entstehen) versicherte er sich mit Peter Loszenski der Mitarbeit eines der letzten Experten auf diesem Gebiet. In anderen Passagen arbeitet er mit Einzelbildschaltungen, verleiht dem Film damit eine seinen Personen adäquate Nervosität. Diese Methoden wirken erstaunlich frisch und unverbraucht, vielleicht auch durch das mit ihnen einhergehende Zufallsmoment, das sich dann eben doch nicht am Rechner simulieren lässt.

Erschienen auf filmdienst.deTo Germany, with love (engl.)Von: Claus Löser (5.4.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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