Vorstellungen
Filmkritik
Der kleine Geigenvirtuose hat sich ein sommerliches Kornfeld als Probenzimmer hergerichtet. Ein Notenblatt wiegt sich zur Musik im Wind, dann bricht das Profane in Gestalt dreier Rabauken in die Idylle ein. Sie zahlen Daniel sein Talent mit Prügeln heim und lehren ihn, die Welt außerhalb des Musikalischen fortan als Bedrohung wahrzunehmen. Nach dem Unfalltod seiner Mutter nimmt sich ein Agent des hoch begabten Waisen an, gibt ihm einen Künstlernamen und verhilft ihm zu einer vom Alltag unberührten Karriere als Violinist und Dirigent. Daniel Daréus ist auf Jahre hin ausgebucht, als ihn im besten Mannesalter ein Herzinfarkt ereilt. Diese letzte Mahnung ändert alles: Daréus will sich mit dem Leben aussöhnen und kehrt in sein schwedisches Heimatdorf zurück. Schon lange wurde kein musikalisches Genie mehr derart inbrünstig als lebensuntüchtig vorgeführt wie der tragische Held von Kay Pollaks „Wie im Himmel“. Den Dörflern erscheint ihr berühmter Nachbar als Besucher vom anderen Stern, und tatsächlich stapft Daréus so scheu und verstört durch den Schnee, als käme er geradewegs vom Mars. Der klassische Gegensatz des Künstlerdramas zwischen Individuum und Kollektiv wird dann aber recht gewitzt in der Dramaturgie eines Chorfilms aufgelöst. Als Kantor des knapp besetzten Kirchenchors versucht Daréus, den individuellen Ton jedes einzelnen Chormitglieds zu finden und hat damit dank der telefonisch eingeholten Ratschläge eines italienischen Maestros auch Erfolg. Wie in seinen Kindheitsträumen gelingt es ihm, mit der Musik die Herzen der Menschen zu erreichen – als Zugabe gewinnt er die sinnenfrohe Lena für sich. Auch Kay Pollak möchte sein Publikum im Innersten berühren, doch erweisen sich seine Mittel als zu beschränkt, um dem mit Genie- und Genrekitsch gleichermaßen überladenen Drehbuch Leben einzuhauchen. Wie in den Kindertagen des Protagonisten bricht sich die Realität auch in der Gegenwart in ihrer Grausamkeit Bahn und bedroht das musikalische Projekt: Der bigotte Dorfpastor wittert vor lauter Eifersucht Sodom und Gomorra in der aufblühenden Gemeinde, und Daréus' Quälgeist von einst hat immer noch nicht viel für Künstler übrig. Auch der Chor selbst ist gefährdet, da die unterdrückten Gefühle der einzelnen Chormitglieder endlich ein Ventil gefunden haben und das Zusammenwirken von alltäglichem Unglück und zwischenmenschlichen Reibereien jede musikalische Praxis übertönt. Zunächst scheint es den Chor zu zerreißen, aber dann schweißt die gruppentherapeutische Dynamik die Gemeinschaft nur noch enger zusammen. Dieser Ausgang ist nicht ungewöhnlich für das zuletzt erstaunlich beliebte Genre des Chorfilms („Fighting Temptations“, fd 36 582; „Oh Happy Day“, fd 36 836) – geht es in ihm doch vor allem darum, die stimmliche Harmonie mit dem Gedanken einer durch ein höheres Gut vermittelten Solidarität zu verbinden. Nur starke Einzelne bilden eine starke Gemeinschaft, ist die Botschaft dieser Filme, die in „Wie im Himmel“ einen dem Titel entsprechenden spirituellen Beiklang erhält. Allerdings ergeben noble Absicht und biederes Handwerk diesmal ein zu unansehnliches Geschwisterpaar, um in ästhetischer Hinsicht zu überzeugen.