Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die Vorstellung, dass wahre Liebe sogar den Tod zu besiegen vermag, hat Jahrhunderte und ganze Kulturkreise überdauert. Auch heute noch besitzt jeder halbwegs begabte Autor, der sich des Themas annimmt, gute Aussichten, auf der Bestsellerliste zu landen. Oft in Versuchung, sich in die Niederungen einer Soap Opera zu verlieren, rettet sich Nicholas Sparks’ schmaler Roman „The Notebook“ durch die Kraft einer ebenso einfachen wie bewegenden und ausdrucksvollen Sprache über alle sentimentalen Anfechtungen hinweg. Sparks’ emotionale Geschichte lässt sich lesen und rührt den Leser in seinem Innersten, weil hier ein Schriftsteller den richtigen Ton gefunden hat. Nick Cassavetes, der Sohn des zu früh verstorbenen John Cassavetes, gibt sich redlich Mühe, für diese so nah am Wasser gebaute Story einen passenden filmischen Stil zu entwickeln. Eines jedenfalls hat er von vornherein richtig gemacht: Er hat Schauspieler gewählt, die in der Lage sind, Emotionen zu vermitteln, ohne zu abgenutzten Formeln zu greifen.
Obwohl der Ort der Handlung verlagert und kleine (wichtige) Details verändert wurden, bleibt die Geschichte auf der Leinwand dem Buch mehr verhaftet, als dies bei Verfilmungen meist der Fall ist. Die Rahmenhandlung spielt in einem Altersheim, wo der fast 80- jährige Noah einer an Alzheimer erkrankten Dame aus einem Tagebuch vorliest. Es ist eine Liebesgeschichte, die sich vor einem halben Jahrhundert abgespielt hat und deren Ausstrahlung auf wundersame Weise sogar die alte Dame in ihrem von allen Erinnerungen getilgtem Zustand für wenige Augenblicke zu erreichen vermag. Noah ist der „Held“ dieser Geschichte: ein einfacher Junge vom Land mit einer versteckten Neigung für Walt Whitman. Auf einer Kirmes lernt er eines Tages ein Mädchen kennen, dem er Hals über Kopf verfällt. Allie verbringt einen Sommerurlaub in Noahs Heimatstadt. Sie stammt aus einer reichen, angesehenen Familie und passt eigentlich gar nicht zu dem rustikalen Burschen, der sie mit seiner Offenherzigkeit und seinem Humor binnen weniger Tage für sich zu gewinnen weiß. Wie stets in solchen Geschichten, findet die Beziehung der beiden ein Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Noah schreibt der in den Schoß ihrer Familie zurückgekehrten Freundin noch 365 Briefe, ein Jahr lang jeden Tag einen, die Allie von ihrer Mutter vorenthalten werden. Der Krieg unterbricht sein Leben und drängt auch Allie in eine andere Richtung. Als sie sich lange Zeit später wiedersehen, ist Allie mit einem erfolgreichen Juristen verlobt – kaum noch Aussicht, da wieder anzuknüpfen, wo sich die Liebenden einst verlassen haben.
Nichts Ungewöhnliches würde an dieser Story fesseln, fände sie nicht ihre Spiegelung in der Verbundenheit der beiden alten Menschen hinter den Mauern einer Institution, die mit nichts anderem mehr helfen kann als mit der Erleichterung des bevorstehenden Todes. Von Anfang an ahnt der Zuschauer im Kino, dass es sich um die eigene Liebesgeschichte der beiden Alten handelt, die Noah nunmehr einer Frau vorliest, die nicht mehr in der Lage ist, sich darin wiederzuerkennen. Nick Cassavetes bringt es fertig, das Bewusstsein des Endes schon den Beginn überschatten zu lassen, und den Triumph einer alles überdauernden Liebe nie aus dem Blick zu verlieren, während er eine Story erzählt, die ohne diese Perspektive nichts als ein Lore-Roman sein könnte. Das macht „The Notebook“ so ungewöhnlich in einem Umfeld banaler Teenagerfilme, mit denen die Hollywood-Studios normalerweise den Appetit des jugendlichen Publikums auf Liebesgeschichten befriedigen. Auch stilistisch setzt sich Cassavetes’ Film deutlich von den lauten, eindimensionalen Produkten des heutigen Hollywood ab. Gewiss ließ sich vieles davon aus dem Roman übernehmen; aber die adäquate optische Umsetzung ist durch eine gute Vorlage niemals garantiert. Cassavetes lässt sich Zeit, die Story in ein Umfeld einzubetten, in dem ihm jedes kleinste Detail wichtig zu sein scheint. Über lange Partien strahlt der Film eine Ruhe aus, die im Kino Seltenheitswert besitzt, und die Darsteller können sich in diesem gelassenen Umfeld auf eine Weise entfalten, die hinter den Schablonen der sentimentalen Liebesgeschichte Gefühle und Stimmungen freilegt, auf die man nicht immer gefasst ist.
Damit wäre man wieder beim größten Plus dieses Films, den Darstellern, angekommen. Von den Veteranen James Garner und Gena Rowlands (Nick Cassavetes’ Mutter) war zu vermuten, dass sie der Rahmenhandlung jene Bedeutung zu verleihen vermögen, die dem Film sein Gewicht gibt. Aber Ryan Gosling und Rachel McAdams konnten wohl kaum als Idealbesetzung von Noah und Allie gelten. Gosling wird jedem, der ihn gesehen hat, von seiner Rolle des zornigen jüdischen Neo-Nazis in „The Believer“ (2001) im Gedächtnis geblieben sein, und McAdams von der manipulativen Intrigantin in „Girls Club – Vorsicht bissig!“ (fd 36 639). Aus solchen Rollen in die Welt des Nicholas Sparks überzuwechseln und sich darin zurechtzufinden, als ob man für nichts anderes geboren sei, das definiert in der Tat zwei großartige Schauspieler, von denen man hoffen möchte, sie möglichst bald in anderen Filmen wieder zu sehen. Was auch immer die Drehbuchautoren nicht geschafft haben, von Sparks’ einfacher poetischer Sprache in ebensolche Dialoge umzusetzen, das kompensieren die Darsteller mit ihrer Glaubwürdigkeit.