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Filmkritik
Zwei gutsituierte Wiener Paare um die vierzig möchten endlich wieder etwas Sinnvolles tun, das ihre Routine aus Vernunft-Job, brotloser Selbstverwirklichung, Gemüseanbau im Wochenend-Häuschen und Kräfte zehrender Kindererziehung unterbricht. Statt Missstände nur zu beklagen, reagieren sie auf den Hilferuf eines russischen Freundes aus der Studienzeit, der als Oppositioneller in die Mühlen von Putins Unterdrückungsapparat geraten ist.
Nach einem Treffen in Moskau, bei dem einer aus dem Quartett dem Dissidenten eine hohe Geldsumme übergibt, kehrt dieser mit Frau und Baby Russland den Rücken und glaubt, dass er bei einem der Paare unterkommen kann. Doch die haben nicht mit einer ganzen Familie gerechnet und bekommen plötzlich kalte Füße, zumal die Frau in ihrer Heimat mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird, ihr Chef gerade als angeblicher westlicher Agent inhaftiert wurde und befreundete Exilrussen die häusliche Gemütlichkeit stören. Das „gemeinsame Projekt“ gerät so weit aus dem Ruder, dass die zunehmend gereizten Helfer nur noch nach einer Lösung suchen, „diese Leute“ aus ihrer bisherigen Komfortzone herauszubekommen.
Zwischen Helfer-Phase und gestörter Bequemlichkeit
Die auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseurin Johanna Moder beweist in ihrer fein beobachteten Sittenkomödie „Waren einmal Revoluzzer“ ein umwerfendes Gespür für die Widersprüche ihrer Figuren, deren Helfer-Phase so schnell endet, wie die Entscheidung zur Hilfe ohne Abwägung der Konsequenzen planlos und aus einem launischen Reflex der Langeweile heraus getroffen wurde. Die existenziell in Not geratene Kleinfamilie reicht man in wehleidiger Bequemlichkeit an die anderen weiter, bis zwischen Egoismus und Gewissensbissen die Masken fallen und sich manch einer als Musterexemplar eines verlogenen Bürgertums entpuppt, das die Dissonanzen der Welt mit Kokainkonsum und Selbstoptimierungsratgebern auf Distanz halten möchte.
Verantwortung zu übernehmen ist dann doch lästig, auch wenn man etwa gerade nichts Besseres zu tun hat, als sich der Illusion hinzugeben, ganz ohne Talent mit dem noch zu komponierenden Musikalbum bald ein kreativ-aufregendes Leben zu führen, das bisher von dem Richterinnen-Job der Frau finanziert wurde.
Im Ferienhäuschen am Waldrand, wo die Geflüchteten schließlich abgesetzt werden, kommen bisher unsichtbare Beziehungskrisen an die Oberfläche, Aggressionen und Konflikte untereinander, als hätten alle nur auf diesen selbst provozierten Einschnitt gewartet, um eine unerfreuliche Lebensbilanz zu ziehen.
Geflecht aus Unzulänglichkeiten und Lebenslügen
Die Darsteller laufen in dem klug gewebten Geflecht aus Unzulänglichkeiten und Selbstlügen zur Hochform auf, statten ihre in einem moralischen Dilemma steckenden Figuren mit unzähligen Facetten aus, in einer Situation, die jeden mit einem unbekannten Selbst konfrontiert – ablenkende Seitensprünge und psychosomatische Panikattacken inklusive.
Johanna Moder, die ihr Regie-Studium unter anderem bei Michael Haneke absolvierte, seziert mit typisch österreichischer Konsequenz die lächerlich geringe Strapazierbereitschaft der in eigener Wahrnehmung einstigen Revoluzzer, während das russische Paar in seiner Heimat das Leben riskiert hatte, um für einen funktionierenden Rechtsstaat zu kämpfen. Nur eine Figur wächst an der Aufgabe, sich selbst zurücknehmen zu müssen. Der Rest kehrt zur Tagesordnung über und hofft auf: „Verdrängung, Verdrängung, Verdrängung“.