- RegieGunnar Vikene
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer150 Minuten
- GenreDramaKriegsfilmHistorie
- Cast
- IMDb Rating7.6/10 (1011) Stimmen
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Alfred Garnes (Kristoffer Joner) ist kein Seefahrer. Ihn zieht nicht die gleiche Passion wie seinen besten Freund Sigbjørn (Pål Sverre Hagen) aufs Meer hinaus, sondern die pure Notwendigkeit. Das Festland ist seine Heimat. Die Tage, die er mit seiner Frau Cecilia (Ine Marie Wilmann) und seinen drei Kindern verbringt, sind sein Leben. Ein Leben, das nie zur Routine wird. Diese Woche gibt es noch eine Lohntüte, doch schon für die nächste stehen keine Jobs in Aussicht. Der Abschied ist so schmerzhaft wie schicksalhaft. Gegen den eigenen und den Willen seiner Familie stechen Alfred und Sigbjørn wieder in See. Es ist das Jahr 1939.
Acht Monate später hat der Krieg, mit dem die Seefahrer (noch) nicht gerechnet haben, den Atlantik erreicht. Die See ist dunkel, Maschinen dröhnen, der zerbombte Stahl stöhnt. Rußgeschwärzt sind die wenigen Matrosen, die den Angriff überlebt haben und sich neben dem Wrack des versenkten Schiffs noch über Wasser halten können. Verzweifelt hängen einige von ihnen an den Leinen und Rettungsnetzen, die der verschont gebliebene Handelsdampfer auswirft. Anhalten wird er für sie nicht. Ein 14-jähriger Matrose ist der Einzige, der es an Bord schafft. Die anderen werden schreiend in den Tod treiben.
Todeslotterie auf offener See
Die Szene, mit der „War Sailor“ beginnt, spielt der Film wieder und wieder durch. Überall dort, wo die Norweger anlegen, herrscht bereits Krieg. Die Wege von Bord führen vielerorts direkt in Richtung des Luftschutzbunkers. Jede weitere Fahrt ist eine neue Teilnahme an der Todeslotterie des U-Boot-Kriegs. 23 der 34 Schiffe, die Richtung Murmansk aufbrechen, werden versenkt; Kombattanten und Zivilisten sind auf offener See gleichermaßen dem Tod überlassen.
Mehr als 25.000 norwegische Seeleute waren zu Beginn der Besetzung Norwegens durch die Nazis auf den Weltmeeren unterwegs. Sich dem Befehl des faschistischen Kollaborateurs und damaligen Ministerpräsidenten Vidkun Quisling widersetzend und dem Appell der Exilregierung folgend, kehrte die Handelsflotte nicht in die norwegischen Häfen zurück, sondern beteiligte sich unter der Flagge der Norwegian Shipping & Trade Mission, kurz Notraship, an der Versorgung Großbritanniens. Etwa 3000 Seeleute starben. Eine lange Sequenz begleitet das tägliche Verlesen der getöteten Seefahrer mit kurzen Momenten ihres Lebens.
Tatsächlich sind es weniger Einzelmoment wie diese, in denen Regisseur und Autor Gunnar Vikene den Krieg in seiner Enormität zu fassen bekommt. Es ist die Darstellung der Seefahrt selbst, die hier ihre ursprüngliche Bestimmung aufgibt, als sei es ihre Pflicht geworden, die Bedeutung des Wortes „Weltkrieg“ zu fassen. Wo „War Sailor“ den Krieg zeigt, ist dessen Werk schon verrichtet. Der Schnitt schluckt das zu ihm gehörige Spektakel, um direkt auf das Ausmaß der Zerrüttung zu blicken. Seefahrer, die zuvor noch tanzten, werden durch ein riesiges Loch, das ein Torpedo ins Heck des Schiffs gerissen hat, in den Tod gespült. Überlebende ziehen einen ertrinkenden Jugendlichen auf ihr Wrackteil, nur um zu sehen, dass der Angriff seine Beine zerfetzt hat. Unter Schreien stirbt der Junge. Die Überlebenden erwartet die nächste Seereise. Wer nicht desertiert, reist so lange, bis er oder sie selbst im Meer versinkt. Im Sog des Kriegs gefangen, werden die Seefahrenden zu heimatlosen Zeugen des Elends.
Ohnmacht und Zerrüttung
„War Sailor“ ist nicht nur affektiv, sondern auch strukturell um die Ohnmachts- und Zerrüttungserfahrungen konstruiert, die die norwegischen Zivilisten auf dem Meer und in der Heimat erleben. Die drei Akte des Films beschreiben, ähnlich wie in „Die große Parade“ von King Vidor oder Michael Ciminos „Die durch die Hölle gehen“, das Leben vor dem Krieg, das Leben während des Kriegs und das, was nach dem Krieg vom Leben geblieben ist. Dass der Film aus der Perspektive von wehrlosen Zivilisten und nicht von den Kombattanten her gedacht ist, unterstreicht die Zerrüttungserfahrung, die Bomben und Torpedos in das Leben bringen. Es gibt keinen Feind, auf den man feuern, keine Schlacht, die man gewinnen könnte und keine erkennbare Logik hinter dem, was Feuer und Zerstörung bringt.
Die erste Bombe, die im von den Nazis besetzten Bergen einschlägt, trifft die örtliche Schule. Die Tochter fragt, ob es Absicht gewesen sei. Die Mutter verneint routiniert. Nach und nach erlernt die Familie die Routine des Überlebens, eine Routine, die das Leben wiederherstellt, aber eben auch eine Routine, die es nie wieder loslassen wird.