Vorstellungen
Filmkritik
Beim Bewerbungsgespräch mit dem Rektor legen sich Piv (Katrine Greis-Rosenthal) und Ulrik (Jacob Lohmann) ins Zeug, als gelte es, ihre Tochter Hannah (Ida Skelbaek-Knudsen) an einer Eliteuniversität unterzubringen. Hannah aber kommt erst in die sechste Klasse, und der Platz, um den es geht, ist an einer Privatschule mit reformpädagogischem Programm. Natürlich wollen Piv und Ulrik nur das Beste für ihre Tochter. Glauben sie. Es ist allerdings bereits Hannahs vierter Schulwechsel und die hat längst genug davon, ihr Leben an den Ansprüchen ihrer Eltern auszurichten.
Die Heuchelei, die aus der Diskrepanz zwischen nach außen getragenem Gemeinschaftsgeist und klammheimlichem Statusdenken entsteht, bestimmt die Atmosphäre des ersten Elternabends, an dem Piv und Ulrik teilnehmen, nachdem sie – oder eigentlich ja ihre Tochter – an der neuen Schule angenommen wurden. Die dänische Regisseurin Paprika Steen, die schon als Schauspielerin in „Das Fest“ und „Idioten“ die Auswüchse kollektiver Zwänge, Ansprüche und Ideale auslotete, seziert in „Von Vätern und Müttern“ genüsslich die Doppelmoral und Widersprüche einer sich betont sozial und progressiv gebenden, wohlhabenden und akademisch geprägten Elternschaft.
Beharken bei der Klassenfahrt-Planung
Die großartig gespielten und nur behutsam karikierten Charaktere beharken sich bei der Planung der alljährlichen Klassenfahrt, an der Kinder und Eltern gemeinsam teilnehmen, mit unterschwelligen Sticheleien, süffisanten Bemerkungen, vieldeutigen Untertönen und vielsagenden Blicken. Hier der von „Wokeness“ genervte, in Trennung lebende Businessvater, dort die überbesorgte alleinerziehende Mutter, da das sich libertär fühlende Pärchen aus Kinderpsychologin und Schreiner, die scheinbar über allem schweben, dort die eher biederen, aber umso angriffslustigeren Eltern, die überall eine Benachteiligung ihres Kindes wittern.
Es sind lauter Einzelkinder, auf die im Panoptikum gehobener Mittelschichtseltern deren Hoffnungen und Frustrationen projiziert werden. Mittendrin Piv und Ulrik, die nicht so recht wissen, wo sie hineingeraten sind, aber das Spiel dennoch mit süßlichem Lächeln krampfhaft mitspielen. Als die Stimmung dann zu kippen droht und sich ein offener Streit anbahnt, tänzelt der Schulleiter mit der Aura eines Sektenführers in den Raum und die Fassade einer harmonischen Klassen- und Elterngemeinschaft ist schlagartig wiederhergestellt.
Im Wald mit dem „Paragraf-20-Kind“
Auf dem mehrtägigen Klassenausflug an einem abgelegenen See laufen die Dinge dann fast schon erwartungsgemäß aus dem Ruder. Hannah weint, weil sie wieder nach Hause möchte, und verschwindet kurz darauf mit Julian (Victor Madsen), dem Außenseiter der Klasse, im Wald. Julian ist ein „Paragraf-20-Kind“, das nur aufgrund einer ominösen Sonderregelung in der Schule aufgenommen wurde, über die ständig bedeutungsschwer getuschelt wird, ohne dass klar wird, worin sie eigentlich besteht. Seine Eltern sind jedenfalls kein Teil der Klassengemeinschaft. Und die Eltern der anderen Kinder betonen zwar, was für ein toller, netter Junge Julian sei, aber trotzdem scheinen ihn alle zu meiden.
Auch Ulrik ist alles andere als erfreut darüber, dass sich seine Tochter ausgerechnet mit diesem Sonderling anfreundet. Er selbst flirtet am Abend mit Julie (Amanda Collin), der Kinderpsychologin mit den kurzen pinkgefärbten Haaren, während sie abseits der Gruppe einen Joint zusammen rauchen. Als Piv am anderen Morgen nachreist, findet sie ihren Mann in Julies Pullover verkatert im Bett.
Gemeinsinn predigen, Privatschule leben
Die unausgesprochenen Spannungen innerhalb der Gruppe schaukeln sich weiter hoch, bis die Lage ausgerechnet in dem Moment, in dem der Schulleiter einen überraschenden Besuch abstattet, zu eskalieren droht. Inbrünstig gestritten wird über das Motto des nächsten Klassenfestes, vor allem aber über die wenigen, begehrten Plätze für Eltern im Schwimmclub der Schule. Lauter Belanglosigkeiten, wie es scheint. Und doch gelingt Paprika Steen anhand ihrer gleichermaßen authentisch wie satirisch wirkenden und dem Fremdschämen höchst komische Seiten abgewinnenden Inszenierung dieser Nebensächlichkeiten eine fein beobachtete und ironisch überspitzte Studie eines selbstgerechten Wohlstandsmilieus, das Gemeinsinn predigt, aber Privatschule lebt.