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Filmkritik
Wenn sich ein gut situierter Sohn iranischer Migranten in die Tochter von sozial eher randständigen Franzosen verliebt, die aus dem Maghreb stammen, sollte zumindest in der Kategorie „religiöse Kompatibilität“ alles in Ordnung sein. In der Komödie von Sou Abadi erweist sich diese Konstellation als dankbare Vorlage für einen Wettkampf ungleicher Lebensmodelle. Sie funktioniert etwas altmodisch wie ein Molière-Stück: bis zum Äußersten überzeichnete Figuren, etwas Slapstick, Geschlechterverwirrung und reichlich verbaler Schlagabtausch, der um Verbote, Vorschriften und deren kreative Aushebelung kreist.
Der an Politik gänzlich uninteressierte, durch seine Dissidenten-Eltern aber täglich in der Absage an Dogmas jeglicher Art unterwiesene Armand und die säkulare Leila, beide Studenten an der Grande École Science Po, entwickeln gewagte Strategien, um sich der Bevormundung durch Leilas älteren Bruder Mahmoud zu entziehen. Dieser ist nach einem Aufenthalt im Jemen nicht wiederzuerkennen, und sein Sinneswandel hin zum radikalisierten Salafisten wirkt sich massiv auf sein Umfeld aus. Neuerdings zerreißt er Kinoplakate und Familienfotos. Seiner Schwester, mit der er nach dem Tod der Eltern in der Banlieue lebt, spricht er jedes Recht auf Autonomie ab. Damit sie erst gar nicht auf den Gedanken kommt, in New York ein Praktikum bei der UNO anzunehmen, beschlagnahmt er ihren Pass mit der Geste des allwissenden Patriarchen.
Damit ist sein Machtanspruch aber noch nicht befriedigt, womit er seine liebestollen Kontrahenten zum Äußersten treibt. Auf das Verbot von Männerbesuchen reagiert Armand mit der List einer folgenreichen Verkleidung. Er steht in einem nur die Augen freilassenden Ganzkörperschleier vor der Tür, manipuliert seine Stimme und stellt sich unter dem Namen „Scheherazade“ vor. Die schüchterne Strenggläubige weiß erstaunlich viel über die Details der islamischen Theologie zu berichten, was Mahmoud in Verzückung versetzt, zumal er selbst nie den Koran gelesen hat. Zum Entsetzen des Paars verliebt er sich in die Unbekannte, stellt ihr hartnäckig nach und bietet ihr die Ehe an.
Hochpolitisch trotz simpler Dramaturgie
Würde man nicht gerade in Zeiten des islamistischen Terrors leben, könnte man sich in einer Zeitmaschine zwischen Peter Alexanders „Charleys Tante“ und Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ wähnen. Dass diese Klamotte über die Tücken der Kleidung trotz ihrer simplen Dramaturgie subversiv und hochpolitisch wirkt, resultiert aus der Selbstverständlichkeit, mit der die aus dem Iran stammende Regisseurin Abadi ihre als romantische Komödie verkleidete Polemik in realen Missständen verortet, von den Klassenunterschieden zwischen dem noblen 16. Arrondissement und der Pariser Vorstadt bis zu jungen Männern, die mangels Perspektiven ihr Heil bei Hasspredigern und der „naturgegebenen“ Überlegenheit gegenüber Frauen suchen.
Dass Sou Abadi bisher Dokumentarfilme drehte, sieht man ihrem ersten, einen authentisch-bescheidenen Look pflegenden Spielfilm an. Im Zentrum steht das turbulente Beziehungsdreieck, ohne großen äußeren Aufwand in Szene gesetzt. Der Film absolviert klassische Situationen des Genres und meidet jede unnötige Schärfe. Der Stresstest der Liebe dient als Alibi für alle Figuren, ihre jeweilige Position möglichst kontrastreich verteidigen, allen voran Leila, die in ihrem Streben nach Freiheit die klarsten Konturen gewinnt. Im Wahn einer sich polarisierenden Welt empfiehlt diese kleine, an Erfolgen wie „Monsieur Claude und seine Töchter“ geschulte Burleske, den selbst ernannten Erlösern mit gesunder Heiterkeit zu begegnen. Eine Dosis Nervenstärke kann ebenfalls nicht schaden. In Frankreich sahen sich die Mitwirkenden des Films mit Morddrohungen konfrontiert.