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Filmplakat von Viva Maria

Viva Maria

118 min | Komödie, Abenteuer, Western
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Da beide Schönen den gleichen Vornamen haben, heißen sie fortan Maria I und Maria II. Bei ihrem ersten Auftritt gerät Maria II beträchtlich ins Schwimmen. In ihrer Verzweiflung hat sie eine spontane Idee, mit der sie die Männer im Saal zum Toben bringt: Der Striptease ist geboren! Animiert von diesem Erfolg, beginnt Maria II nun auch die Freuden der Liebe zu kosten. Bei dem schönen Revolutionär Florès, den die Damen unter dramatischen Umständen kennenlernen, hat Maria I allerdings die größeren Chancen. Als er allzu früh stirbt, nimmt er ihr das Versprechen ab, an seiner Stelle die geplagte Landbevölkerung gegen den schurkischen Don Rodriguez und die Truppen des Diktators von San Miguel zu führen. Maria II findet zwar, dass diese Rolle eher ihr zukäme, aber sie schmollt nicht lange und bombt drauflos wie in alten Zeiten. Umjubelt von einer wachsenden Anhängerschar, marschieren die beiden Amazonen von Sieg zu Sieg.

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Filmkritik

Die optische Zurüstung dieses Films ist bemerkenswert. Louis Malle bedient sich filmischer Stilmittel mit souveräner Hand. Aber während er in "Zazie" die satirische Verzerrung der traditionellen Filmsprache als Rahmen eines rein intellektuellen Vergnügens pflegte und auch mit der bemerkenswerten Form von "Privatleben" dem Betrachter ein entschlüsselndes Sehen abverlangte, dürfte dieser auf Breitenwirkung bedachte Film niemandem Schwierigkeiten bereiten. Auch wenn Malle seine intellektuelle Erzählweise durchaus nicht aufgibt, formale Extravaganzen nicht fehlen und beispielsweise zum Verständnis vieler Gags ein film-, kunst- und literaturgeschichtliches Wissen vorausgesetzt wird. Aber "Viva Maria" verfügt über einen soliden epischen Aufbau, über ein traditionelles zeitliches Gefüge und eine allgemeinverständliche filmische Interpunktion. Schließlich wollte Malle nach seinem raffiniert-heiklen Opus "Das Irrlicht" "endlich einmal" einen "vordergründigen, bewegten und humorvollen Film vor exotischen Kulissen" und ohne "seelisches Trauma" herstellen. Und das ist ihm mit Hilfe des quicken Lustspielautoren Jean-Claude Carrière und den überraschend reizvoll ins heitere Fach übergewechselten Stars Brigitte Bardot und Jeanne Moreau - bei allen später zu erwähnenden kritischen Abstrichen - gelungen. Mit geradezu wilder Ausgelassenheit macht er die Befreiung eines despotisch beherrschten zentralamerikanischen Landes zu einem an koketten Seitenlinien reichen Hintergrund für das Schicksal zweier Tingeltangel-Mädchen. Es beginnt nach einer schwarzhumorigköstlichen Einleitung damit, daß Maria-Bardot gegen 1910 als Tochter eines irischen Berufsanarchisten bei einem entsprechenden Unternehmen in Zentralamerika den lieben Herrn Papa verliert und auf der Flucht vor den Häschern auf eine Truppe reisender Schausteller trifft. Weil Nummer Zwei eines Gesang- und Tanzduos aus verschmähter Liebe gerade Selbstmord verübt hat und Nummer Eins, Maria (Moreau), ihre "Nummer" geplatzt sieht, wird Maria-Bardot für die freie Stelle engagiert. Als "Maria und Maria" stehen die beiden Mädchen schon bald zusammen auf der Bühne, wo sie infolge eines Mißgeschicks zufällig den Striptease "erfinden". Rauschender Erfolg; die Mädchen bauen diese "Nummer" aus und Ruhm nach Schneeballsystem ist die Folge. Im Film selbst ist das allerdings ein ausgemacht ergötzliches Persiflieren des Striptease. Und so ironisiert Malle auch im folgenden die "weltbewegende Macht des Eros" mit vollen Breitseiten, wenn er die solcherart berühmt gewordenen Marien in einem Aufstand, in den sie geraten, zu "Engeln der Revolution" avancieren läßt. Ein junger Mann will das Joch des Despoten abschütteln und das Volk besseren Verhältnissen entgegenführen. Die Marien machen seine Bekanntschaft; Liebe greift um sich, aber der idealistische Rebell wird das Opfer einer feindlichen Kugel. Da erfüllen die Marien sein Vermächtnis. Sie beflügeln das Volk mit ihrer eigenen Aktivität, wobei sie beinahe standrechtlich erschossen werden, und führen mit lawinenartig anwachsenden Massen die Revolution zum Sieg, bevor sie als ruhmbedeckte Show-Girls wieder nach Paris zurückkehren.

In wunderbaren Farben gehalten, meisterlich fotografiert und musikalisch einfallsreich untermalt, ist die Geschichte mit einer Fülle von intelligenten Späßen, feinspitzigen Seitenstichen, musicalhaften Einschüben und spritzigen Ideen ausgestattet, so daß die Leinwand von Lebhaftigkeit überquillt. Die Bardot und die Moreau (deren Gesänge erfreulicherweise originalstimmig ertönen) bewerkstelligen den Spaß mit einem solchen Temperament und Pfiff, daß der Mangel der stilistischen Einheit kaum noch ins Gewicht fällt. Wenn z. B. die Bardot als "alte" Anarchistentochter sich mit Bomben à la Tarzan von Baum zu Baum schwingt, um Kanonenstellungen auszuräuchern; wenn die Moreau nach des Anführers Tod mit der herrlich persiflierten Totenrede des Marc Anton aus Shakespeares "Julius Caesar" unters Volk tritt, ist das von umwerfendem Witz. Für etliche Parodien haben unverkennbar Bilder und Fresken von Josè Clement Orozco (1883-1949), einem der Begründer der zeitgenössischen mexikanischen Malerei, Pate gestanden. Unübersehbar die massiv erheiternden Anspielungen auf Filme wie etwa "Viva Zapata", auf Bunuel-Sequenzen, Liebesfilmkitsch und Abenteuerromantik. Selbst über die eigentlich tragischen Sequenzen legt Malle einen köstlichen Firnis von Parodie und ironisiertem Kitsch. Im Erotischen allerdings gerät er meist außerhalb französischen Esprits ins Robust-Direkte. So wenn die Bardot (ihre eigene Filmschablone auf die Schippe nehmend) gleich mit drei Caballeros in die Nacht entfleucht, oder in der Liebesszene der Moreau mit dem gefesselten Rebell im Gefängnis. Aber was sind diese Geschmacksausrutscher gegen Malles aggressive Polemik wider die Kirche? Sobald der Film mit dem Aufstand deutlich als zweiter Teil anhebt, kommt nämlich die Kirche ins Spiel. Schon im ersten Auftritt eines Priesters wird sie hämisch als Mitläuferin der weltlichen Macht ins Zerrbild geholt: Wenn der Priester als Gefolgsmann des Gebietstyrannen wie dieser über die Leiber zweier Männer stiefelt, die sich in eine Pfütze werfen, damit die Herren trockenen Fußes ins Haus gelangen können. Als rückständig und militant läßt Malle die Kirche gegen den Aufstand und die angestrebten sozialen Verbesserungen antreten und als Mitverantwortliche für soziale Mißstände wie als stockreaktionäre Wahrerin von Unrecht und Unterdrückung erscheinen, die nach dem Gelingen der Revolution zwar rückgratlos-ölig sich bei der "neuen Zeit" anzubiedern versucht, aber nur als kopfloser Popanz weiterzuleben vermag. Rosenkranz aus Gewehrmunition, düsterer Inquisitionsspuk, priesterliche Buh- und Ganoventypen - das sind die Mittel, mit denen Malle das Institutionelle der Kirche holzhammerhaft bearbeitet. Ins Blasphemische aber verirrt er sich, wenn er auch die marianische Verehrung einer ironischen Beleuchtung unterzieht: Wie die Gottesmutter Maria "die erste war, die Christi Leben in ihrem Leben nachbildete", so bilden Malles Marien das Leben des kreuzartig an Balken gefesselten Rebellen in ihrem Dasein nach. Ihre Bilder werden später vom Volk gegen das Bild der Gottesmutter ausgetauscht und verehrt! Das religiöse Symbol erscheint so beliebig auswechselbar gegen den Fetisch. Weil der Film in diesem Teil so rigoros ist, muß er sich - bei Anerkennung aller sonst unbestreitbaren Vorzüge - auch den rigorosen Protest des christlichen Betrachters gefallen lassen.

Erschienen auf filmdienst.deViva MariaVon: Bas. (29.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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