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Filmkritik
Mit Nate Drake (Tom Holland) erwacht man in der Eröffnungsszene. Nicht in einem Bett, sondern tausende Meter über dem Meeresspiegel, den Fuß in einer der Kisten verfangen, die gerade aus einem fliegenden Flugzeug geworfen wurden. „Uncharted“ beginnt damit exakt so, wie es in der gleichnamigen Videospiel-Reihe üblich ist: mit einem gewaltigen „Setpiece“, einer fulminaten Szene, in der sich der Spieler (in diesem Fall: der Zuschauer) schnell zurechtfinden muss, um einen Weg aus der lebensbedrohlichen Misere zu finden. Bevor Nate Drake das schafft, nimmt der Film einen Umweg in seine Vergangenheit.
Ein solcher Umweg lohnt sich auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Films. Die „Uncharted“-Videogame-Reihe beginnt mit der Playstation 3. Sony brachte mit der dritten Generation der Spielekonsole nicht einfach nur eine verbesserte Version des Vorgängers auf den Markt, sondern fügte einen eingebauten Blu-ray-Player dazu. Das gerade siegreich aus dem Formatkrieg hervorgegangene BD-Upgrade der DVD war das entscheidende Alleinstellungsmerkmal, das die Playstation gegenüber der kurz zuvor erschienenen Konkurrenz der X-Box hatte. Die Sony-Konsole etablierte sich damit für Gamer und Filmfreunde gleichermaßen als verlockende Investition. Der erste „Uncharted“-Teil war nicht zufällig das Spiel, das bald darauf im Paket mit der Konsole verkauft wurde.
Nach 15 Jahren doch noch gelandet
Gleichermaßen inspiriert von den Serials der 1930er- und 1940er-Jahre sowie von „Indiana Jones“, Steven Spielbergs Hommage an diese Filme, wurde das Video-Game „Uncharted“ um bespielbare „Setpieces“ und einen globalen Abenteuerfilm-Plot konstruiert, also als perfekte Schnittstelle zwischen Film und Videospiel. Während das Spiel drei Fortsetzungen hervorbrachte, und der Videospiel-Markt sukzessive die Spitze des Entertainment-Marktes erklomm, musste das Filmprojekt einen langen Weg gehen, um nach 15 Jahren schließlich doch noch im Kino zu landen.
Damit schwingt sich Tom Holland also als junger Nate Drake von Setpiece zu Setpiece, um die drohende Bruchlandung des Film-Franchise-Starts (die obligatorische Post-Credit-Szene deutet bereits eine Fortsetzung an) zu verhindern. Die Kletterei über den Wolken ist nur eine von vielen aberwitzigen Actionsequenzen, die Drake und sein Kollege Victor „Sully“ Sullivan (Mark Wahlberg) überstehen müssen, um Gold zu finden, das einst Ferdinand Magellan bei seiner Weltumsegelung versteckt haben soll. Für Nate ist die Schatzsuche eine Familientradition. Sein Bruder, von dem er in jungen Jahren getrennt wurde, war dem Schatz ein Leben lang auf der Spur. Für Sully ist sie ein Job. Ihn interessiert das Gold. Das Bündnis der beiden Goldjäger ist entsprechend fragil. Man beharkt sich mit blöden Sprüchen, beklaut sich, haut einander in die Pfanne und wächst sich dann doch gegenseitig ans Herz.
Wahlberg und Holland spulen das routiniert ab, doch die Dynamik bleibt letztlich ermüdend. Daran ändert auch der Auftritt von Sophia Ali nichts, die als dritte Schatzjägerin mit Namen Chloe das Team zwar ein wenig aus dem kumpelhaften Gleichgewicht bringt, aber ebenso wenig an Persönlichkeit zu bieten hat wie das Duo. Dafür besitzt sie einen von zwei Schlüsseln, die man für Magellans Geheimverstecke braucht.
Vom Spiel auf die Leinwand ins Spiel
Schlüssel, Karten und Geheimgänge markieren den Pfad, den der Film nimmt. Das ist denkbar einfach, aber auch denkbar effizient. Jede neue Karte führt zu einer neuen Attraktion, jedes Schloss in ein neues Set. Die antiken Tunnelbauten, die unter Barcelona Richtung Schatz führen, machen plötzlich einen Umweg über einen unterirdischen Nachtclub, eine Höhle führt in eine seit Jahrhunderten unentdeckte Bucht, und eine havarierte Galeone wird auf dem Luftweg wieder Richtung Videospiel-Action und Videospiel-Logik überführt.
„Uncharted“ ist also in erster Linie daran interessiert, die Schatzsuche so groß und exotisch wie möglich zu gestalten. Die Schauplätze sind entsprechend malerisch, was seinerseits sehr an die betont cineastische Optik der Videospielvorlage erinnert. Die dazugehörige Action ist bombastisch genug – man stelle sich nur zwei Jahrhunderte alte Galeonen vor, die von Transport-Helikoptern gezogen Kanonenkugeln aufeinander schießen! Es gibt also reichlich technisch aufwändigen Spaß.
Was dem Film „Uncharted“ aber fehlt, ist das Fleisch. Wirklicher Groll zwischen den Figuren ist ebenso abwesend wie die Libido. Zwar bahnt sich unter den Figuren eine Beziehungsmöglichkeit an, während die Vergangenheit die Feindschaft zusätzlich anheizen sollte, aber letztlich will sich niemand auf irgendetwas einlassen. Alle Beziehungen bleiben geschäftlich, Interaktionen werden nur im Notfall persönlich.
Ohne einen Tropfen Blut
Tatsächlich liefert der Film selbst die Metapher für seine zwischenmenschliche Leblosigkeit: als dem großen Boss am Ende einer mit viel Pathos aufgeladenen Rede über das eigene Familienerbe hinterrücks die Kehle durchgeschnitten wird, verliert er zwar sein Leben, aber keinen einzigen Tropfen Blut.