- RegieZoltan Paul, Ben von Grafenstein
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2023
- Dauer82 Minuten
- GenreKomödie
- Cast
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Filmkritik
Auf dem, wie gelegentlich erwähnt wird, ziemlich verseuchten See schwimmt ein kleines Holzhaus, und in diesem haben sie sich ihr Liebesnest eingerichtet. Der alternde Filmregisseur László Kovács (Zoltan Paul) erlebt mit der resoluten Unternehmerin Lisa (Sabine Waibel) eine aus Frust und Zufall geborene, unverbindlich einsetzende, aber bald immer stürmischer sich gestaltende Affäre. Das Filmprojekt, dem er sich in diesem Sommer widmen wollte, ist geplatzt, seine beruflich deutlich erfolgreichere Frau Emma (Adele Neuhauser), eine Schauspielerin, weilt zu Dreharbeiten in Kanada, und dann erreichen László auch noch irritierende, seine familiäre Vergangenheit betreffende Neuigkeiten aus seinem Geburtsland Ungarn.
Bürgermeister-Kandidatur als Frustbewältigung
Da kommt die nassforsche, hochgewachsene Lisa gerade recht – und wo er schon einmal dabei ist, macht er gleich weiter mit den Übersprungshandlungen qua Frustbewältigung: nachdem ihm seine Umgebung lang genug damit in den Ohren gelegen ist, lässt er sich in dem Brandenburger Kaff, in dem er lebt, kurzerhand als Bürgermeisterkandidat aufstellen. Hauptsächlich, um den Sieg eines politisch falsch abgebogenen alten Bekannten zu verhindern: Wendland (Joachim Paul Assböck) will nicht nur das dörfliche Idyll gegen eine vermeintliche afrikanische Invasion verteidigen, sondern ist außerdem auch Lisas Ex …
Zoltan Paul fungiert nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch als Drehbuchautor und hatte ursprünglich vorgehabt, den Film außerdem als Regisseur zu realisieren. Anders als bei seinem fiktionalen Alter Ego scheiterte das Ansinnen nicht an der Finanzierung – tatsächlich konnte er das Projekt über weite Strecken erfolgreich realisieren, starb dann allerdings kurz nach Abschluss der Hauptdreharbeiten. Pauls Nachbar und Freund Ben von Grafenstein übernahm die Aufgabe, den Film in einer umfangreichen Postproduktionsphase inklusive kleiner Nachdrehs zu finalisieren. Klugerweise verzichtete er dabei darauf, Pauls Tod im Film selbst zu reflektieren – stattdessen darf der Filmemacher am Ende von „Überleben in Brandenburg“ fröhlich lächelnd, weiteren Abenteuern nicht abgeneigt, auf den See hinausrudern.
Eine tiefenentspannte Provinzkomödie
Pauls nun als Ko-Regie mit Grafenstein firmierender Schwanengesang erweist sich als eine tiefenentspannte Provinzkomödie, die auf satirische Überspitzungen weitgehend verzichtet und in erster Linie von den Darstellern getragen wird. In allererster Linie von Paul selbst: Sehr gern schaut man zu, wie der nicht uneitle, aber stets verschmitzte und ironiebegabte, nicht allzu hochgewachsene, weißhaarige László sich alle Mühe gibt, die Suppe, die er sich selbst eingebrockt hat, wieder auszulöffeln. Er ist einer, der im Leben mehr Glück als Pech gehabt hat, und der dennoch nicht da gelandet ist, wo er gerne gelandet wäre: im Zentrum der Aufmerksamkeit, als weltweit gefeierter Künstler. Zu einem echten Minderwertigkeitskomplex wächst sich diese empfundene biografische Kränkung freilich nicht aus, dazu hat er schlicht zu viel Freude an seinem langsamen und doch nicht leeren Fastruhestandleben, an der Seite einer ihn – vorläufig noch; mal sehen, wie lange Lisa sein Geheimnis bleibt – liebenden Frau, umgeben von in der Mehrzahl verträglichen Brandenburger Grantlern.
Auch einige der Nebenfiguren vermag der Film anregend auszugestalten; insbesondere Lászlós Gattin schließt man schnell ins Herz. Adele Neuhausers Wiener Zungenschlag mag auf dem Brandenburger Land ein wenig exotisch anmuten; ihre zu gleichen Teilen einfühlsame und abgebrühte Emma ist gleichwohl ohne Zweifel die gute Seele des Films. Sabine Waibel wiederum hat an ihrer Femme-fatale-Rolle zunächst sichtlich einigen Spaß, darf mit Zigarette und Sonnenbrille glamourös Distanz zum Bierbauch-und-Funktionskleidung-Provinzgleichmaß markieren – die Taktik des Drehbuchs, sie zunächst als sexuell aktive, beruflich erfolgreiche Frau aufzubauen, nur um sie anschließend nach allen Regeln der Kunst vorzuführen, entstammt freilich den weniger angenehmen Ecken der Drehbuchklischee-Mottenkiste.
Die Politik bleibt halb aufgebaute Kulisse
Und die Politik? Die bleibt weitgehend Behauptung beziehungsweise höchstens halb aufgebaute Kulisse. Wendland ist offensichtlich einschlägigen AfD-Politikern nachempfunden, konkretisiert wird dieser Bezug allerdings nicht; die wenigen Versuche, unter anderem während eines Dorffests (auf dem zunächst deutsche Schlager erklingen und anschließend eine „exotische Tänzerin“ auftritt; mehr derartiger kultureller Lokalkolorit hätte dem Film gut gestanden), eine latent aggressive Stimmung im Ort zu zeigen, versanden ebenso im Ansatz wie leise Anklänge ans Westerngenre, wenn Wendland und László dem Showdown entgegenstolpern. Letztlich ist „Überleben in Brandenburg“ schlicht zu harmoniesüchtig, um sich von populistischen Umtrieben aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Passenderweise hat László als Bürgermeisterkandidat schlicht gar kein politisches Programm.
Was den Regisseur Zoltan Paul betrifft, der im deutschen Kino ein selbstbewusster Außenseiter jenseits aller Schulen und Gruppen geblieben ist, so könnte sich insbesondere eine Wiederentdeckung seines Debüts „Gone - Eine tödliche Leidenschaft“ lohnen, als seltener Versuch, in Deutschland einen existenziell verdüsterten Psychothriller zu drehen. „Überleben in Brandenburg“ hingegen wird eher eine kleine, wiewohl rundum sympathische Fußnote bleiben.