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Filmkritik
Lubitsch-Filme, aus der Berliner Zeit bis 1922 und der Hollywood-Ära, wurden in den letzten Jahren auf Retrospektiven in Paris, London, Venedig, Berlin und Bad Ems gezeigt. François Truffaut hält Lubitsch für ein Genie. Er selbst hat 1944 in einem Brief bekannt: "Rein stilistisch gesehen glaube ich keinen zweiten Film gedreht zu haben, der besser oder oder ebensogut wäre, wie `Trouble in Paradise`." Was hat Lubitsch (1892-1947) zum Fetisch für Cinéasten gemacht? Was ist dran an einem Film, den er selbst als seinen besten bezeichnet hat? Die Story entstammt einer Boulevard-Komödie. Gaston und Marianne, ein cleveres Ganovenpärchen, versuchen in Paris eine steinreiche Dame zu schröpfen, nachdem sie soeben in Venedig einen Herrn, den sie in der französischen Hauptstadt leider wiedertreffen, um einige Summen erleichtert haben. Der Coup in Paris verläuft nicht ganz so, wie sich`s die beiden gedacht haben - wer hätte auch ahnen können, daß die Dame so hübsch und Marianne so eifersüchtig werden kann -, aber am Ende zieht das Pärchen doch noch wohl ausgestattet weiteren Diebestaten entgegen. Die Moral von der Geschicht, genieße den Augenblick und wer gut stiehlt hat mehr vom Leben, entspricht der Stimmung jener Zeit, in der "Trouble in Paradise" in den US-Kinos anlief: 1932, kurz nach der Weltwirtschaftskrise. Als ihr bedauernswertes Opfer schleicht sich Gauner Gaston in das Vertrauen der reichen und, wie gesagt, sehr schönen Madame Lilly. Ihr Prokurist, ein im ganzen Lande geachteter Mann, hat, so stellt sich am Ende heraus, in den 40 Jahren seiner treuen Verbundenheit mit dem Unternehmen dasselbe um etliche Millionen beraubt. Ein Gauner also wie Gaston. Gauner gegen Gauner, die gleichnamige Fernsehserie unserer Tage läßt vermuten, daß es "Ärger im Paradies" auch in der Gegenwart geben könnte. Aber nicht die mögliche Aktualität der Story, sondern die Art, wie sie filmisch erzählt wird, begeistert heute nicht nur die Lubitsch-Fans.
"Ärger im Paradies!" Der Titel bereits signalisiert den Widerspruch, aus dem der Film lebt. Überraschung nach jedem Bild, jedem Ton: Ein Graf und eine Gräfin dinieren aufs vornehmste, da gibt er sich plötzlich als Meistergauner und sie sich als ebenbürtige Kollegin zu erkennen; in Venedig dringt durchs Fenster bezaubernd-romantischer Gesang, er entströmt der Kehle eines alten Mannes auf einem Müllkahn. Gags, die den Zuschauer zum Lachen bringen, aber auch unsicher machen. Was gerade noch als echt erkannt, wird im nächsten Moment als falsch entlarvt. Verunsicherung macht nachdenklich. Lubitsch setzt Mißtrauen in Gang. Der Kinobesucher soll merken, daß er im Kino sitzt, daß es Film ist, was er zu sehen bekommt, und nicht alltägliche Wirklichkeit, die nach anderen Gesetzen verläuft als die des Films. Zum Beispiel die Zeit. Gaston und Lilly gehen in die Oper. Blitzschnell werden von "Geisterhand" die Partiturblätter auf dem Dirigentenpult gewendet. So vermittelt hört man den Tenor "Ich liebe dich" und direkt anschließend "Ich hasse dich" singen. Es ist eben Zeit vergangen, Film-Zeit. Das hat Lubitsch die Bewunderung der Cinéasten eingebracht, das hat "Ärger im Paradies" nicht bloß zu einer der flottesten Komödien, sondern zu einem der größten Filme überhaupt gemacht: die absolute Offenheit in der Film-Gestaltung und die bewirkte Verunsicherung beim Zuschauer, der zum andauernden Mit- und Nachdenken gezwungen wird.