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Filmkritik
„Triangle of Sadness“ werden im gleichnamigen Film die Sorgenfalten über der Nasenwurzel genannt. Model Carl (Harris Dickinson) wird bei einem erniedrigenden Casting aufgefordert, sie zu lockern, um weniger ernst zu wirken. Charakteristisch ist diese Szene für den ersten englischsprachigen Film des Schweden Ruben Östlund, weil es auch sonst in seiner zweieinhalbstündigen Satire immer wieder darum geht, hässliche Wahrheiten nach außen zu verschleiern.
Carls Kummer geht darauf zurück, dass seine prominentere Model-Freundin Yaya (Charlbi Dean) zwar deutlich mehr als er verdient, in der Beziehung aber trotzdem erwartet, dass Carl in alter Gentleman-Manier für alles aufkommt. Als sie in einem teuren Lokal mal wieder voraussetzt, dass Carl die Rechnung übernimmt, weil er der Mann ist, kommt es zu einem erbitterten Streit.
Östlunds 2022 mit dem Hauptpreis beim Festival von Cannes ausgezeichneter Film hält selbst nichts davon, seine Absichten zu verschleiern. Die Ungleichheit der Geschlechter und Klassen sowie die Macht von Geld und Schönheit sind von Anfang an überdeutlich präsent. Zunächst richtet sich Östlunds Rundumschlag gegen die Scheinheiligkeit der Modebranche. Die unter vergleichsweise prekären Bedingungen arbeitenden Männermodels sind hier lediglich Material, über das verfügt wird. Bevor sie bei einem Fotoshooting halbnackt mit Farbe bespritzt werden, kommandiert sie ein tuntig aufgedrehter Reporter mit ausgeprägtem Sadismus herum wie ein Rudel Dressuraffen.
Das Gefälle zwischen Behauptungen und Tatsachen
Die Widersprüche der oberflächlichen Industrie führt Östlund auf polemische und auch etwas naheliegende Weise vor. Nachdem bei einer Modenschau Zuschauer aus der begehrten ersten Reihe verjagt werden, um wichtigeren Gästen Platz zu machen, werden auf dem Catwalk hohle pseudopolitische Phrasen wie „Everyone's Equal“ und „Act Now!“ projiziert. Wie so oft im Film, gibt es hier ein großes Gefälle zwischen Behauptungen und Tatsachen.
Im zweiten Kapitel folgt der Film Carl und Yaya auf eine Kreuzfahrt mit Superreichen. Weniger durch eine klassische Handlung als durch aneinandergereihte Nummern werden dabei Dekadenz und Verlogenheit dieser realitätsfernen Parallelwelt offengelegt. Kommentiert werden die Geschehnisse von Iris Berben als Passagierin, die nach einem Schlaganfall nur den immergleichen Halbsatz wiederholt: „In den Wolken…“
Den Momenten auf dem Schiff mangelt es manchmal an Entwicklung und Reibung. Die Figuren tragen ihren Egoismus und ihre Ignoranz stets offen vor sich her. Sunnyi Melles betont als Oligarchen-Gattin etwa gegenüber einer devoten Angestellten, dass alle Menschen gleich seien, ihr Mann, der mit Dünger reich geworden ist, bezeichnet sich als „King of Shit“, und ein vermeintlich harmloses älteres Ehepaar erzählt mit kaltblütiger Beiläufigkeit, wie sie durch die Produktion von Handgranaten zu Kriegsprofiteuren wurden. Die Dialoge erweisen sich oft indirekt als zynische Gegenwartsdiagnosen mit großem Ausrufezeichen. Und als resignierte moralische Instanz gibt es einen alkoholkranken marxistischen Kapitän (Woody Harrelson).
Hilflos und gedemütigt um Würde ringen
Auch wenn die Szenen meist auf ähnliche Weise eine unangenehme Situation etablieren, die anschließend ausgewalzt wird, steckt in diesem Unbehagen oft die Qualität von Östlunds Kino. Sein trockener Humor ist am schärfsten, wenn er seine Figuren so lange überfordert und peinlich berührt, bis sie nur noch hilflos und gedemütigt um ihre Würde ringen. Das ist ein wenig gehässig, aber manchmal auch ziemlich lustig. Der komische Höhepunkt des Films ist ein luxuriöses Abendessen, das wegen eines Unwetters zur „Kotzorgie“ ausartet. Der Elfenbeinturm gerät dabei buchstäblich ins Wanken und die glatte Fassade der feinen Gesellschaft wird zerstört. Sunnyi Melles versucht dabei etwa verzweifelt, sich in eine Kloschüssel zu übergeben und rutscht dabei wegen der Turbulenzen immer wieder durch ihr eigenes Erbrochenes.
„Triangle of Sadness“ richtet seinen Blick darauf, wie Privilegien und äußere Umstände die Handlungen von Menschen bestimmen. Im dritten, insgesamt schwächsten und zerfahrensten Kapitel, landen einige der Passagiere auf einer einsamen Insel. Unter den veränderten Vorzeichen rückt dort plötzlich die philippinische Putzfrau Abigail (Dolly De Leon) ins Zentrum, die wegen ihrer handwerklichen Fähigkeiten zur strengen Anführerin wird. Der hübsche Carl steht deshalb plötzlich höher im Kurs als die sonst von allen hofierte Yaya, was wieder zu neuen Komplikationen führt.
Während Östlund bei seiner Kritik gegen leichte Ziele wie Millionäre, Influencer oder den Kapitalismus manchmal arg schlicht bleibt, sind seine Beobachtungen gelungener, wenn sie sich im Zwischenmenschlichen niederschlagen. Der Traum von Carl und Yaya, einander ebenbürtig zu sein, muss eine Utopie bleiben, nicht nur weil ihre Beziehung von ökonomischen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Erwartungen geformt wird, sondern auch, weil die beiden zu stur und fordernd sind. Ihr Scheitern ist treffsicher beobachtet und wird von Östlund gnadenlos vorgeführt.