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Filmkritik
Der Frankfurter Kleinkriminelle Babtou hat gerade eine Haftstrafe abgesessen, als er bei der Willkommensparty seiner Freunde aus der Vorstadtsiedlung erneut mit dem Gesetz in Konflikt gerät; die feierwütige Gruppe blockiert mit ihren Autos eine Straßenkreuzung und verwahrt sich handfest gegen die anrückende Polizei. Jetzt droht ihm die Abschiebung nach Senegal, in jenes Land, aus dem sein Vater einst emigrierte.
Babtou ist in Deutschland geboren und beherrscht meisterlich die rustikalen Umgangsformen seines Milieus, vom expliziten Jugendslang bis zum Rapper-Outfit. Eine Anwältin gibt ihm zu verstehen, dass ihn jetzt nur noch eine Scheinehe retten könnte, womit der Komödienplot des Debütfilms von Florian Dietrich in Gang kommt, denn die Suche nach einer passenden Kandidatin erweist sich schwieriger als gedacht: Mal ist sie zu unattraktiv, mal zu aggressiv oder als Ex-Freundin zu nachtragend.
Die Gattin ist ein Gatte
Wer sagt aber denn, dass die zukünftige Gattin nicht auch ein Gatte sein könnte? Babtou heiratet seinen besten Freund Dennis und feiert mit ihm die Eheschließung als Belohnung in einem Hetero-Bordell. Am nächsten Tag stehen schlecht gelaunte Vertreter der Ausländerbehörde vor der Tür, die den Wahrheitsgehalt seiner Ehe überprüfen wollen, „denn der deutsche Staat will sich nicht mehr verarschen lassen“, so einer der besonders eifrigen Beamten.
Was bleibt da Babtou anderes übrig, als seine neue Rolle ernst zu nehmen und seine Wohnung nach bekenntnishaft schwulem Geschmack mit Regenbogenfahnen und Penislampen einzurichten? Dennis nutzt die Gunst der Stunde und übernimmt in der Beziehung den Part des Machos, der sich von seiner „Frau“ bedienen lässt. Als sich die libanesisch-stämmige Nachbarin als Lesbe und Freundin eines Schwulen-Paars entpuppt, besucht man gemeinsam queere Partys und kommt sich unter Drogeneinfluss näher.
Plötzlich erscheinen Babtou die bisherigen Freunde, die seinem neuen Lebensstil nichts abgewinnen können, als intolerante Grobiane. Das gilt auch für den Vater, der seine Vorurteile in eine lange Abrechnungstirade über den schlechten und vor allem „unnormalen“ Charakter des Filius packt. Wenigstens hält Dennis weiterhin zu ihm, obwohl seine Freundin schwanger geworden ist.
Ode an eine Männerfreundschaft
Mit etwas Glück überlebt Babtou einen homophoben Überfall seiner einstigen Clique. Die Pechsträhne der Buddys ist damit aber lange noch nicht überstanden, denn ein Video in den Sozialen Medien, in dem man Babtou sieht, wie er einer Nachbarin einen Heiratsantrag macht, aktiviert erneut die Ausländerbehörde.
Angesiedelt irgendwo zwischen „Hass“ und „Beste Freunde“, aber ohne den formalen Stilwillen der Vorgänger, kombiniert Florian Dietrich auf der Höhe der Zeit Rassismus, drohende Abschiebung, soziale Ungleichheit und Homophobie zu einer mehr oder weniger unterhaltsamen Sozialstudie, die zunächst nur schleppend von der Stelle kommt, in der Mitte aber doch Funken sprüht, um dann in der letzten Hälfte den Ton zu wechseln, von der Tragödie zur Ode an die Männerfreundschaft.
Dass man „Toubab“ dieses unentschiedene Spiel mit den Tempi verzeiht, liegt vor allem an den beiden Hauptdarstellern Farba Dieng und Julius Nitschkoff, die in ihrer Wandlungsfähigkeit keine bessere Visitenkarte hätten abschicken können, zumal Nitschkoff bisher überwiegend im Fernsehen zu sehen war. Lobenswert auch die authentischen Slangs der Nebenfiguren, bis auf den latent psychopathischen Gangster-Chef mit Kampfhund, der in seiner Überzeichnung zum Störfaktor mutiert und so gar nicht zu dem fast dokumentarisch anmutenden Ende passt.
Weißer Mann im Senegal
Als Dennis seinen „Ehemann“ in Senegal besucht, begegnen ihm die Einheimischen mit stoischer Gelassenheit. Oder ist es nur Hoffnungslosigkeit? Die Kamera muss nur wenige Straßenzüge einfangen, damit man weiß, warum Bantous Vater das Land verließ und warum der unfreiwillig Zurückgekehrte hier Toubab („der weiße Mann“) genannt wird. Endlich ein deutscher Film, der sich für die Hintergründe der Migration interessiert – vor Ort und in einer Komödie!