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Filmkritik
Welcher Vergleich wäre naheliegender, wenn ein Komiker und Filmemacher im eigenen Film durch New Yorks Straßen zieht, über das eigene Schaffen sinniert und sich in seine Gesprächspartnerin, die „New York Times“-Reporterin Chelsea, verliebt? Chris Rocks Filmfigur Andre Allen trägt seinen Nachnamen nicht umsonst! Die Vorzeichen sind jedoch andere, nicht nur durch seine Hautfarbe, sondern auch durch die Veränderungen, die die Medienlandschaft seit Woody Allens New York-Filmen erfuhr. Aus dem jüdischen „Stadtneurotiker“ ist ein afroamerikanischer „Jobneurotiker“ geworden, der mit seiner Krise am ehesten an den Komödien-Regisseur erinnert, der in Allens „Stardust Memories“ (fd 22 755) keine Komödien mehr drehen will. Auch wenn Andre und Chelsea durch New York schlendern, scheint trotz aller Beschwingtheit der Selbstzweifel an jeder Ecke zu lauern. In den Bildern von Kameramann Manuel Alberto Claro brechen die Sonnenstrahlen durch die Wolkenkratzer, später glühen die Leuchtreklamen auf die nächtlichen Straßenzüge herab. Dazwischen poppen Erinnerungen an eine Zeit auf, in der der Ruhm ziemlich unrühmliche Momente mit sich brachte: Andres Aufstieg begann als Stand-up-Comedian, dann ließ er als Cop-Komödien-Figur „Hammy the Bear“ in drei Teilen die Kinokassen klingeln, jetzt ist die von Kameras begleitete Hochzeitsvorbereitung mit dem Reality-Sternchen Erica eingeleitet. Ein als Höhepunkt verkleideter Tiefpunkt, nach dem nur noch „Dancing with the Stars“ zu lauern scheint, so die semi-scherzhafte Drohung seines Agenten. Andre aber sehnt sich nach Tiefe und Sinn, Eigenschaften, die er mit seinem Alkoholismus ertränkt zu haben glaubt. Nun ist er trocken und deswegen weniger witzig, glaubt man den Aussagen seiner alten Freunde in Harlem. Das sind die Wurzeln, die Andre für Chelsea offenlegt. Selbst scheint er nur auf den Erfolg seines neuen Films „Uprize!“ zu schielen, in dem er beim haitianischen Sklavenaufstand mit gezückter Machete und aufgerissenen Augen dem Abschlachten von 50.000 Weißen entgegenrennt. Dabei ist der Film eigentlich der Aufstand eines Sklaven der Unterhaltungsindustrie – von Andre selbst, gerade geknechtet von der Promotion-Maschinerie, deren wortwörtliche „Begleiterscheinung“ Chelsea ist: Ihn porträtierende Journalistin, Fotografin, junge Mutter und ebenfalls Ex-Alkoholikerin, die weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen ist. Chris Rocks dritte und bei weitem beste Regie-Arbeit scheint ebenso multi-funktional wie Chelsea, darin aber etwas weniger versiert. Im Verlauf der Geschichte gibt es so einige Plot-Points und Szenen, die daneben gehen. So stellt der Rückblick auf den Tiefstpunkt von Andres Alkoholiker-Karriere einen geschmacklichen Tiefschlag dar – vielleicht noch übertroffen von Chelseas wortwörtlichem „Tiefstpunkt“ ihrer gerade zerbrechenden Beziehung. Die sexuelle Düpierung teilt sie mit Andre. Allerdings traut sich Chris Rock, der selbst als Stand-Up-Comedian bekannt wurde, nicht nur hier, aus konventionellen Erzähl- und Bildmustern auszubrechen. Wie bei Woody Allen springt sein Film zwischen den Zeitebenen – bei den bebilderten Geständnissen, mit denen sich Andre und Chelsea kennenlernen, aber auch in den sich überlappenden Szenen der Gegenwart. Das gibt dem Film eine aufgekratzte Energie, wie sie auch in den vor Witz übersprudelnden Dialogen und den Cameo-Auftritten zu finden ist. Gemäß dem im Titel angesprochenen Spiel, bei dem Andres Freunde ihre fünf liebsten US-Rapper aufzählen, lässt der Film seine eigene Hitliste von Showbiz-Größen auflaufen. Deren verbale Selbst-Inszenierung macht „Top Five“ neben Chris Rocks Wortwitz zu einem jener Filme, die man sich besser im Original ansehen sollte. International verständlich schlagen in der Brust von „Top Five“ zwei Herzen. Das der etwas ruppigeren Komödie, die selbstironisch Andres vergangenes Alkoholiker-Leben mit Gangsta-Klängen, Pimp-Style im Club und Brillies im Ohr ausstellt. Viel stärker aber pocht das andere Herz im berührenden Takt einer selbstreferenziell anmutenden Schaffenskrise, die schlagkräftige Seitenhiebe auf das Showbusiness und dessen alltägliche „Kavaliers-Rassismen“ verteilt, sich in hinreißende Analogien, wie der Ermordung von Martin Luther King und dem Kinostart von „Planet der Affen“ (fd 15 470) versteigt, dabei aber nie vergessen lässt, worum es eigentlich geht: Um den Mut, das zu erkennen und festzuhalten, was man wirklich will und braucht. Oder wie singt Rapper DMX hinter Gittern, aber frei nach dem kleinen großen Komiker mit der Melone: „Smile though your heart is aching. Smile even though it’s breaking. When there are clouds in the sky, you’ll get by.“