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Filmkritik
Der Fernsehsender RTL II hatte schon 2010 das Phänomen „Mädchen-Gang“ für eine wenig erhellende Doku-Soap entdeckt, um seine schlechten Zuschauerquoten wiederzubeleben. Darin prahlten junge Unterschichtsfrauen mit Kieferbrüchen und Knast-Aufenthalten. Im Fall von „Tiger Girl“ ist es Constantin Film, die in dem „Skandalstoff“ offenbar ein Massenpotential sieht. Kein Wunder. In Zeiten einer nicht abreißenden Konjunktur für enthemmte Migranten-Rapper und pöbelnde Alphatiere, die es bis in die höchsten Etagen der Politik schaffen, scheint das vorzivilisatorische Angriffsmodell nicht nur Überlebensvorteile anzubieten, sondern auch im Mainstream angekommen zu sein. Da darf dann auch das schwache Geschlecht eben mal den Baseballschläger herausholen. Es ist nicht so, dass wehrhafte Heldinnen vom Schlage einer Emma Peel, Lara Croft, Beatrix Kiddo oder Alice (aus „Resident Evil“, (fd 35 324)) auf der Kinoleinwand nicht willkommen wären. Nur verfolgen diese meist auch im Kopf gut sortierten Amazonen stets eine Agenda, die ihre Handlungsweise motiviert. Sie retten die Welt, wehren das Böse ab, rächen sich für traumatische Demütigungen oder reagieren wie in „Thelma & Louise“ (fd 29 188) sogar im Doppel auf den um sie herrschenden Sexismus, wobei manche ihre Auflehnung gegen das System auch mit dem Leben bezahlen. Für Mumblecore-Regisseur Jakob Lass (Jahrgang 1981) ist das alles störendes Gedöns. Gewalt soll in seinem Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ cool aussehen, aus dem Bauch kommen, direkt sein und ohne psychologische Spaßbremse, wie ein von Handlung weitgehend entkernter, mit Martial Arts garnierter Tarantino-Clip, der über den existenziellen Ennui hinweghilft. Dass die von Maria Dragus und Ella Rumpf dank der filmisch verordneten Improvisation mehr als lebensecht verkörperten Schlägerinnen in prekären Berliner Verhältnissen über die Runden kommen müssen, muss als argumentative Krücke reichen. In der rauen Männerwelt eines Sicherheitsdienstes ist schließlich körperliche Autorität gefragt. Die Auszubildende Vanilla ist anfangs allerdings ein hoffnungsloser Fall. Viel zu brav und passiv. Die Kulturtechnik des Sich-Entschuldigens beherrscht sie zu allem Überfluss auch noch. Wie gut, dass sie von der tendenziell maskulin gestylten Tiger, einer Zufallsbekanntschaft aus der U-Bahn, die in einem Wohnwagen auf einem Industriegelände haust, auf den Pfad der Untugend gebracht wird. Gewalt ausübend lebt es sich wenn schon nicht besser, dank des reichlich vorhandenen Adrenalins doch zumindest vitaler. In geklauten Security-Uniformen machen die selbsternannten Rächerinnen ihre Erfahrungen mit dem Gefühl der Macht; wie es ist, das eigene Selbstwertgefühl ohne große Anstrengung aufzupäppeln. Die wackelige Kamera folgt ihnen auf ihrem Feldzug, bei dem Polizisten gekidnappt werden und die Konkurrenz unter den Twentysomething-Freundinnen um die „krasseste“ Entgleisung wächst, bis die ursprüngliche Konstellation von Leit- und Rudelwölfin auf den Kopf gestellt ist. Was lernt man aus dieser Anarchie-Orgie? Dass auch von Frauen getanzte Gewalt-Ballette verpuffen, wenn sie in der Realität nur wacklig verankert sind. Dann lieber doch handfester Geschlechterkampf wie in Jan Bonnys „Gegenüber“ (fd 38 374). Hinter häuslicher Fassade aus der Rolle fallende Grundschullehrerinnen sind immer noch schockierender als sexy grölende Girlies, deren Selbstbehauptung nicht über das Kopieren von prähistorischen Dominanzstrategien hinausreicht.