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Filmkritik
Die 28-jährige Mina (Dakota Fanning) soll einen seltenen Papagei in den Zoo von Belfast bringen. Auf dem Weg dorthin verfährt sie sich. Mitten im Wald streikt zudem ihr Auto. In der Hoffnung, dass die nächsten Häuser nicht allzu weit entfernt sind, macht sie sich auf den Weg durch das Geäst, verliert sich aber bald im Dickicht. Als es Nacht wird, erscheint eine mysteriöse weißhaarige Frau zwischen den Bäumen, die Mina zu einem bunkerartigen Gebäude führt. Hier soll sie sich in Sicherheit bringen und die Tür fest hinter sich verschließen. Denn in der Dunkelheit lauern mörderische Wesen.
Damit ist das Ausgangsszenario definiert. Vier fremde Menschen sind mehr oder weniger in einer Hütte gefangen. Sie können den Wald nicht verlassen, da auf halbem Weg die Dämmerung einsetzt und damit todbringende Jäger aus ihren Höhlen kommen. Um zu überleben, müssen sich Mina, die forsche Dozentin Madeline (Olwen Fouéré), die zurückhaltende Ciara (Georgina Campbell) und der impulsive Daniel (Oliver Finnegan) in das sichere Gemäuer zurückziehen, das von einer Seite durch eine große verspiegelte Scheibe einsehbar ist. Nacht für Nacht versammeln sich davor jene Schatten, die „Die Watcher“ genannt werden. Sie bilden ein Publikum, das von seinen menschlichen Haustieren offenbar unterhalten werden möchte.
Das Klappern des Drehbuchs
Aber warum? Was ist der Mehrwert dieses Schauspiels? Diese Fragen sorgen eine Weile dafür, dass das unheimliche Rätsel der filmischen Prämisse spannend bleibt. Darin liegt die Stärke des Spielfilmdebüts von Ishana Shyamalan, der Tochter von M. Night Shyamalan: gezwungen, an einem Ort zu verweilen, der einen ausstellt, gesehen von Augen, die man selbst nicht sieht. Eine schreckliche Vorstellung. Indem die Scheibe lediglich das eigene Spiegelbild reflektiert, werden die Figuren auf sich selbst zurückgeworfen. Sie verdoppeln sich im Blick der Fremden, der gleichzeitig ihr eigener ist.
Doch aus diesem komplexen, existenzialistischen Horror macht „They See You“ zu wenig. Das liegt primär daran, dass viel zu früh klar wird, dass es sich um übernatürliche Wesen handelt. Damit verschiebt sich der Fokus von den Menschen in der Hütte auf das Spektakel des Monströsen. Man will diese Wesen zu Gesicht bekommen. Das räumliche Setting von machtvollen, nicht verortbaren Blicken hätte ein enormes Potenzial für einen Terror ganz anderer Art besessen, weil Paranoia, Panik und eine Atmosphäre intimster Klaustrophobie hier gut in Szene gesetzt sind; das Production-Design und die Kameraarbeit sind fantastisch.
Doch nach einer guten Stunde beginnt der Film die Mechanik seines Rätsels so in Bewegung zu versetzen, dass er sich in einen Monsterfilm verwandelt. Madeline weiß offensichtlich einiges über diese Wesen und die irische Mythologie. Sie gibt ihr Wissen aber immer nur an jenen Stellen preis, die das Drehbuch für Übergänge und narrative Verschiebungen braucht, um der Handlung eine Logik zu verleihen.
Tiefgründiges im Genre-Gewand
Man kann das „Worldbuilding“ in „They See You“ mit den Ohren „begreifen“ und damit schnell durchschauen. Das ist eine Schwäche, die die Regisseurin mit ihrem Vater teilt. Auch M. Night Shyamalan ist allzu häufig zu sehr in seine Ideen verliebt, mit denen er eine tiefgründige Geschichte im Genre-Gewand erzählen will, ohne dabei auf die so wichtige Atmosphäre zu achten.
Neben den schrecklich animierten Monstern und den altbekannten Formwandler-Horror-Tropen ist das erzählerische Konstrukt das große Problem von „They See You“. Während in der Romanvorlage „The Watchers“ von A. M. Shine das Innenleben der Figuren über viele Seiten hinweg immer greifbarere Formen annimmt, treibt Ishana Shyamalan vor allem den Plot voran. Dadurch aber misslingt es, die Protagonisten näherzubringen, die bis zum zweiten, finalen Twist völlig egal bleiben. Auch das schreckliche Trauma von Mina hilft dann nur noch wenig. Denn der Asphalt dieser dramaturgischen Schnellstraße, auf der alles eine enervierende Funktion erfüllt, erweist sich als allzu brüchig.