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Filmkritik
Die athletischen Frauen wirbeln Speere und schwingen ihre Macheten oder ihre Fäuste. Mit ihren männlichen Feinden kennen sie kein Pardon: Sie werden erstochen, aufgespießt oder erschlagen. Die Soldatinnen gehören der rein weiblichen Armee der Agojie an, die es einige Jahrhunderte im westafrikanischen Königreich Dahomey tatsächlich gegeben hat. Die amazonenartigen Kriegerinnen unter Führung ihrer Generalin Nanisca (Viola Davis) sind die Protagonistinnen von „The Woman King“, eines Hollywood-Actionfilms, der seit seiner Uraufführung unter dem doppelten Label von „Black Lives Matter“ und „MeToo“ fungiert.
In dem zweistündigen Epos sind erstmals mehrheitlich schwarze Frauen zu sehen, die sich gegen eine doppelte Unterdrückung durch Männer und Sklaverei wehren. Dass ein solcher Film produziert werden konnte, ist überfällig in der sogenannten Traumfabrik, die über hundert Jahre lang vornehmlich von weißen Helden erzählte und bis heute von Männern dominiert wird. Dennoch muss sich der von Gina Prince-Bythewood inszenierte Film an filmischen Maßstäben messen lassen.
Die Agojie brauchen neue Rekrutinnen
Der Stoff beruht auf historischen Begebenheiten und ist im Jahre 1823 angesiedelt. Nanisca und ihre Soldatinnen befreien in einem Dorf Dahomey-Frauen, die von Sklavenhändlern aus dem Land der Oyo entführt worden waren. Anschließend wird der charismatischen Nanisca und ihren Kriegerinnen ein Triumphzug auf dem Weg zum Palast ihres Königs Ghezo (John Boyega) bereitet. Der will seinerseits den Oyo nun den Krieg erklären, braucht dazu aber eine größere Armee. Also müssen die Agojie neue Kämpferinnen rekrutieren und ausbilden. Die Entscheidung für ein Leben als Soldatin ist dabei so folgenreich wie endgültig: Die Frauen dürfen nicht heiraten und keine Kinder bekommen.
Die Neu-Kriegerinnen bestehen vor allem aus jungen Frauen, die keine Zwangsehe eingehen wollen, keine Familie haben oder nicht als vermählungswürdig angesehen werden. Darunter befindet sich auch die junge Nawi (Thuso Mbedu), die von ihren Eltern im Palast abgegeben wird, nachdem sie einen alten, brutalen Bewerber brüskiert hat. Nawi hat ihren eigenen Kopf und will sich der strengen Disziplin der Agojie nicht unterwerfen. Die ihr wohlgesinnte Ausbilderin Izogie (Lashana Lynch) lässt ihr einiges durchgehen. Doch bei Nanisca kommt dieses Verhalten nicht gut an, obwohl Nawi den Wettbewerb der Kriegerinnen vor den Augen des Königs gewinnt.
Während am Anfang die mächtige und autoritäre Nanisca im Vordergrund steht, verlagert sich der Fokus bald auf die ungestüme Nawi. Durch ihre neuen Erfahrungen in puncto Kampfkunst und -psychologie erfährt man viel über den Korpsgeist der Agojie. Nanisca erscheint bald als eine vor allem auf Nawi reagierende Figur, mal lobend, mal tadelnd, da sich die junge Frau Freiheiten herausnimmt, die ihr eigentlich nicht zustehen. Durch die Interaktion mit Nawi offenbart Nanisca allerdings auch Schwächen sowie innere und äußere Verletzungen. Letztere sind Narben, die sowohl die athletische Iwoye als auch Nanisca mit Stolz tragen. Viele weitere Gefühle dürfen sich die stolzen Frauen aber nicht leisten. Iwoye, die als einzige lobenswerte Erfindung der Weißen den Whisky durchgehen lässt, erklärt Nawi unverblümt, dass Liebe schwach mache.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt
Doch ohne Liebe geht es auch hier nicht. Sie manifestiert sich unter den Frauen zuweilen als tiefe schwesterliche Zuneigung. Doch am Ende des Films wird es auch eine familiäre Liebe geben. Zudem knüpft Nawi – streng verbotene – zarte platonische Liebesbande mit einem portugiesischen Sklavenhändler. Da seine Mutter dem Volk der Dahomey angehörte, ist diese Romanze politisch vertretbar, darf aber nicht ausgelebt werden.
Überhaupt beginnt man im Laufe des Films Zweifel an der feministischen Agenda dieses vor allem auf Schaueffekte und Überwältigung setzenden Films zu hegen. Denn so wehrhaft die Frauen auch sein mögen: Sie dürfen als Kriegerinnen wie in vielen patriarchalen Kulturen nur eine Ausnahmerolle einnehmen. Ihnen haften traditionelle männliche Attribute an, und sie gelten, ähnlich wie etwa die eingeschworenen Jungfrauen in Albanien, nicht als „echte“ Frauen. Auch kann den männlichen Kriegern gegenüber kaum von Gleichberechtigung gesprochen werden, da jenen die Option der Familiengründung offensteht. Ein Schelm zudem, der Böses dabei denkt, dass Nanisca nur der Titel des „Woman King“ zusteht, als Anhängsel, nicht als eigenständige „Queen“.
Die ausgiebig zelebrierte Wehrhaftigkeit der Frauen dient letzten Endes nur der Illustration drastischer Kampf- und Schlachtenszenen. In Sachen Effektivität, Brutalität und Gefühllosigkeit stehen die Agojie den Männern in nichts nach. Hier wird erbarmungslos gemetzelt, zwar nicht so sadistisch wie in den Filmen von Mel Gibson, aber zerstückelte Leichen und spritzende Blutfontänen auf dem Schlachtfeld gibt es zuhauf, wenn auch durch schnelle Schnitte abgemildert. Zwar beinhaltet der Film nur drei Schlachten- beziehungsweise Kampfszenen, doch die kostet er voll aus. Dass Frauen damals wie heute Opfer männlicher Gewalt sind, thematisiert „The Woman King“ ausführlich, nutzt das aber vor allem für eine narrative Volte und für die Erklärung von Naniscas (scheinbarer) Härte.
Kein alternativer weiblicher Blick
Auch die historischen Ausführungen sind nicht immer akkurat, etwa die Schilderung der weißen Sklavenhändler, die das Land der Dahomey (laut Wikipedia) kaum betraten und die schmutzige Arbeit des Einfangens von Sklaven lieber von einheimischen Söldnertruppen machen ließen. Letzteres wird im Film allerdings auch gezeigt; außerdem sollte man den historischen Anspruch in eher traditionell gestrickten Unterhaltungsfilmen nicht zu hoch hängen. So erweist sich „The Woman King“ als lautes, buntes Spektakel mit beeindruckenden Bildern und bombastischer Musik, das jedoch einen alternativen weiblichen Blick vermissen lässt.