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Filmkritik
„The Woddafucka Thing“ ist ein Berlin-Film. Das macht eine lange Autofahrt über den Kiez zu Beginn schon deutlich. In Schwarz-weiß und CinemaScope fängt die Kamera die Passanten ein, häufig Menschen mit einer migrantischen Herkunft, wie sie an Läden, Kiosken oder Gründerzeit-Bauten vorbeilaufen. Ein Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen, ein Kaleidoskop von Außenseitern, die sich in feindlicher Umgebung nur mühsam über Wasser halten. Bisweilen fühlt man sich wie in einem US-amerikanischen Gangsterfilm neueren Zuschnitts.
Von Quentin Tarantino ist der Filmemacher Gianluca Vallero ganz bestimmt beeinflusst, aber auch vom Italowestern und von Kung-Fu-Filmen; Poster von Lee van Cleef und Bruce Lee zieren die Räume des Films. In einem Büro hängt sogar ein Plakat von Francesco Rosis „Hände über der Stadt“, aber das ist eine falsche Fährte. So viel filmischer Realismus ist dann doch nicht beabsichtigt. Es handelt sich eher um lockere Anspielungen, die als Hommage an Vorbilder oder Lieblingsregisseure fungieren. Darin ist Vallero ganz der leidenschaftliche Cineast.
Es winkt viel Geld
„The Woddafucka Thing“ hat trotz der vielen Bezüge einen ganz eigenen Stil: cool, aber nicht zu sehr, witzig, aber nicht doof, unterhaltsam, aber nicht oberflächlich, originell, aber nicht überspitzt. Kurzum: ein Unikum in der deutschen Filmlandschaft.
Bei der Autofahrt durch den Kiez sitzt die afro-deutsche Sweety (Dela Dabulamanzi) mit einem mächtigen Gangster, der nur „Boss“ genannt wird, im Fond eines schicken Wagens; im Hintergrund läuft Bellinis Arie „Casta Diva“. Sie verhandeln einen Deal, der Sweetys Leben verändern könnte. Bislang hatte sie als DJane bei einem Lokalsender nur ein Taschengeld verdient. Jetzt winken ihr 20.000 Euro für eine simple Übergabe: Geldkoffer gegen Warenkoffer. Doch Sweety lässt sich von dem älteren Ehepaar ordentlich übers Ohr hauen – das Geld, immerhin 150.000 Euro, ist futsch. Der Boss gibt ihr eine Woche Zeit, um es wiederzubeschaffen.
In ihrer Not wendet sich Sweety an den Italiener Gino (Carlo Loiudice) und seinen deutschen Halbbruder Ninja (Marc Philipps), die erfolglos eine Karateschule betreiben. Schlimmer noch: Ausgerechnet jetzt haben ihre geldgierigen Vermieter, die identisch sind mit dem älteren Ehepaar, auch noch die Pacht für die Karate-Schule erhöht, und zwar saftig. So kommt der großspurige Cem (Cem Sultan Ungan) ins Spiel, der sein Büro auf einem Stellplatz in der Tiefgarage errichtet hat. Er wisse von einem todsicheren Coup mit hoher Rendite; dafür brauche es aber drei Leute. Und so schmieden Sweety, Gino und Ninja einen Plan.
Mit unbekümmerter Fabulierlust
Vallero entwirft vor allem originelle Typen mit griffigen Eigenschaften. Die kultivierte Eloquenz des Bosses steht im krassen Gegensatz zum aufbrausenden Temperament seines Chauffeurs; Cems Bodyguard ist eine junge Frau mit Baseballschläger, deren stärkste Waffe aber ihr Mundwerk ist, Sweetys Freund Klaus ist ein neurotischer Angsthase, der öfter mal in den Arm genommen werden muss. Und Sweety selbst? Dela Dabulamanzi spielt sie mit großer körperlicher Präsenz und coolen Sprüchen, die sich ihre Figur aus einschlägigen Filmen abgehört hat. Gelegentlich wird ihr aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe das Deutschsein abgesprochen; ein kleiner Kommentar zur aktuellen Remigrationsdebatte.
Nicht immer funktionieren diese Überzeichnungen der Figuren. Mancher Schuss geht nach hinten los, manchmal schlägt der Regisseur einen Umweg zu viel ein, etwa das unbeabsichtigte Ableben von Klaus’ blondem Seitensprung, das mit einer pubertären Pointe ändert. Und doch ist diese Geschmacklosigkeit auch Ausdruck von Valleros unbekümmerter Fabulierlust, die sich alles gestattet. Dazu zählt auch, dass plötzliche Farbtupfer, etwa eine knallrote Tapete oder hellblaue Unterwäsche, Akzente setzen. Ein durchgängiges Konzept ist da nicht zu erkennen. Doch das macht nichts. Hauptsache, es sieht gut aus.