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Filmkritik
Ein goldenes Licht liegt auf den Bildern, ein leichter Sepia-Stich, ein Hauch von Nostalgie. Dies gilt wohl weniger der Epoche – der Film spielt im Osmanischen Reich des Jahres 1914 – als vielmehr dem Genre: Waren das noch Zeiten, als Hollywoods größte Prestige-Objekte bildgewaltige Historien-Melodramen wie „Vom Winde verweht“ (fd 2293) und „Doktor Schiwago“ (fd 14 356) waren! Terry Georges „The Promise“ versucht, an diese Tradition anzuschließen und die Ereignisse mit einer großen, tragischen Liebesgeschichte zu verknüpfen. Verdienstvoll ist daran, dass der Regisseur einen Stoff aufgreift, der fürs US-Kinopublikum weitgehend ein blinder Fleck ist: Es geht um den Völkermord an den Armeniern, der in den USA vor allem von Elia Kazan mit „Die Unbezwingbaren“ (1963, (fd 13 098)) aufgriffen wurde. Im Mittelpunkt steht der angehende armenische Arzt Michael (Oscar Isaac), der sein Heimatdorf verlässt, um in Konstantinopel Medizin zu studieren. Obwohl bereits verlobt, verliebt er sich dort, im Haushalt seines Onkels, in die armenische Künstlerin Ana (Charlotte Le Bon), die als Gouvernante seiner Cousinen arbeitet und mit dem amerikanischen Journalisten Chris Myers (Christian Bale) liiert ist. Ana erwidert die Gefühle, doch diese Liebe darf nicht sein – wegen der schon eingegangenen Bindungen, die beide nicht hinter sich lassen können, und weil alle ins Räderwerk der historischen Ereignisse geraten, als die türkische Regierung bzw. deren Armee im Zuge des Ersten Weltkriegs beginnt, die armenische Bevölkerung in Konstantinopel zu drangsalieren. Michael wird „eingezogen“ und landet mit anderen armenischen Männern in einem Arbeitslager, in dem die Gefangenen brutal zu Tode geschunden werden. Nachdem ihm die Flucht gelingt, schlägt er sich in sein Heimatdorf durch und findet kurz bei seiner Familie und seiner Verlobten Zuflucht, doch dann streckt sich der Arm der Staatsmacht bis dorthin aus. Ana versucht gemeinsam mit Chris, für ihre Landsleute zu tun, was sie kann. Ihre Wege kreuzen sich wieder mit denen von Michael, jedoch bleibt kaum Zeit, um die emotionalen Spannungen zwischen ihm, ihr und Chris zu klären. Chris, der versucht hat, die Gräueltaten zu dokumentieren und zu publizieren, wird verhaftet; Ana und Michael verschanzen sich mit anderen Armeniern in den Bergen. Terry Georges Versuch, die Geschichte des Genozids mit den Mitteln des großen Hollywood-Gefühlskinos zu erzählen, fällt zwiespältiger aus als sein Drama „Hotel Ruanda“ (2004, fd (36 978)) um den Völkermord an den Tutsi, weil sich die Verpflichtung, den historischen Ereignissen gerecht zu werden, und die Melodram-Dramaturgie immer wieder in die Quere kommen: Während die Liebesgeschichte droht, die Situation im Osmanischen Reich und den Völkermord zum exotischen Hintergrund zu degradieren, gewinnt sie selbst nie an Dynamik, vor allem, weil die Frauenfiguren arg blass bleiben. Zwar lässt sich Charlotte Le Bon von ihren charismatischen Star-Kollegen nicht an die Wand spielen, bekommt aber zu wenig Gelegenheit, um Ana zur denkwürdigen romantischen Heldin auszubauen. Anrührende Szenen mit Evergreen-Potenzial, wie man sie aus „Vom Winde verweht“ kennt, gelingen nicht. Gleichwohl hat der Film seine Meriten, und die liegen gerade in dem, was der nostalgische Look und der Erzählgestus des Films allzu leicht übersehen lassen: nämlich dass die Story über ihren Charakter als historische Lehrstunde hinaus Themen aufgreift, die unangenehm gegenwärtig und brisant sind. Vor allem betrifft das die gewaltsame Vertuschung und Verleugnung des Genozids, die über die Figur des Journalisten Chris zum wichtigen Thema des Films wird, der damit nicht nur einen harschen Kommentar zur bis heute durchgehaltenen Position der türkischen Regierung zum Völkermord an den Armeniern abgibt; ebenfalls lassen sich durchaus Parallelen zum heutigen „postfaktischen“ Zeitalter ziehen, in dem Journalisten als „Lügenpresse“ verschrien werden und Möchtegern-Autokraten versuchen, ihre willkürliche Version von Wahrheit ans Volk zu bringen. Gerade in Hinsicht auf die aktuelle Debatte um die Beschränkung der Zuwanderung in den USA wirkt das Ende von „The Promise“, das daran erinnert, dass viele drangsalierte Armenier einst dort eine neue Heimat fanden, als eindringlicher Appell an die Wurzeln der Nation als Einwandererstaat: Man kann den Titel nicht nur auf das Versprechen beziehen, das im Film Michael seiner Verlobten gegeben hat, sondern auch auf das Versprechen, für das die USA einst standen: Zuflucht und neue Perspektiven zu bieten für jene, die vertrieben, bedroht und unterdrückt werden.