- RegieSophie Barthes
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr2023
- Dauer110 Minuten
- GenreDramaKomödieScience FictionLovestory
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating5.6/10 (2683) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Gegensätze ziehen sich an, heißt es im Volksmund. Das mag auch auf die Protagonisten von „Baby to Go“ zutreffen. Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor) sind seit einigen Jahren ein Paar und leben in nicht allzu ferner Zukunft in einer Großstadt, die wie New York aussieht. Rachel kontrolliert und bestimmt in einer PR-Firma die Algorithmen von Influencern. Sie ist gut in ihrem Job. Ihre Firma erwägt, sie auf eine leitende Position zu befördern. Alvy ist Botaniker und glaubt an die Kraft der Natur. Er doziert an der Universität und betreut ein sogenanntes „Greenhouse“, eine Art Museum, in dem Studierende echte Pflanzen anschauen und anfassen können. Alvy ermuntert sie zudem, Früchte von natürlichen Pflanzen zu essen und betreibt zuhause eine private Pflanzenzucht.
Rachel und Alvy wohnen in einem modernen Appartement, in dem eine künstliche Intelligenz allgegenwärtig ist. Das Appartement ist in sanften Pastelltönen gehalten. Die KI kennt die Bewohner in- und auswendig. Sie kocht morgens pünktlich den Tee, schlägt vor, welche Kleidung für den heutigen Tag angemessen wäre und was zum Essen auf den Tisch kommen soll. Alvy ist die KI suspekt. Rachel aber lebt in Einklang mit ihr. Sie ist technikaffin und zukunftsgläubig und vertraut blind auf die Künstliche Intelligenz. Selbst ihre Psychotherapeutin ist eine KI, die oft nur in Form eines übergroßen Auges auf dem Bildschirm präsentiert ist, aber Gefühle und Träume ihrer Kunden besser versteht als diese selbst.
Eine sanfte schöne neue Welt
Die Filmemacherin Sophies Barthes entwirft eine sanfte schöne neue Welt, die der Gegenwart gar nicht so fremd ist. Die Stadt ist etwas aufgeräumter und sauberer, als es heutige Städte sind. Künstliche Intelligenzen und smarte Computer sind allgegenwärtig, können aber nicht viel mehr, als was sie heute auch schon können oder sich als bald möglich abzeichnet. Das Design von Häusern, Räumen, Gegenständen mutet weniger nach futuristischem Science-Fiction an, sondern sieht so aus, wie modernes Design aktuell aussieht.
Es ist eine zeitnahe und realistische Zukunft, was „Baby to Go“ sehr sympathisch macht. Selbst die „Breathing Bars“, in denen man gemütlich Kaffee trinkt und zugleich einen Sauerstoff-Boost erhält, oder die computergesteuerte Arbeitsplatz-Kombination von Stehpult und Laufband dürften da und dort bereits existieren. Vor dem Hintergrund einer solchen realitätsnahen Zukunft und der sich in der Beziehung von Rachel und Alvy abzeichnenden Diskrepanz von (sentimentaler) Natursehnsucht und (futuristischer) Technikgläubigkeit verhandelt „Baby to Go“ das, was wissenschaftlich gesehen der eigentliche Sinn des Lebens ist: die Fortpflanzung. Denn auch für Rachel und Alvy stellt sich die Frage, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, und wenn ja, wann der dafür günstige Zeitpunkt ist.
Verhandelt wird das Thema allerdings weniger von Alvy und Rachel als von Rachel und ihrer Firma. Denn wenn Rachel in herkömmlicher Art Mutter wird und das Kind selbst austrägt, fällt sie für den Betrieb längere Zeit aus, was einer Beförderung entgegensteht. Setzt sie hingegen auf die modernste Fortpflanzungstechnik der Firma Pagazus, welche die Schwangerschaft in eine externe Gebärmutter verlegt, könnte sie weiterhin voll arbeiten.
Neue Form von „Schwangerschaft“
Abgesehen davon ermöglicht die extra-uterine Schwangerschaft den Einbezug des Vaters vom Moment der Zeugung an in bisher nie dagewesener Form. Denn das Tamagotchi-förmige, „Pod“ genannte Ding, in dem das neue Menschlein heranwächst, lässt sich in einem Umhängbeutel locker auch von Männern herumtragen – sofern man es nicht einfach in der Obhut des von Pagazus betriebenen „Womb-Centers“ heranwachsen lassen will.
Das ist als Idee durchaus interessant, weil sich davon ausgehend viele fortpflanzungstechnische wie gesellschaftspolitische spannende, aber auch lustige Szenarien vorstellen lassen. Sophie Barthes, die neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, hat das zwar erkannt, es aber nicht mit dem nötigen Biss umgesetzt. Sie tupft viele Themen an, führt diese aber nicht weiter aus. Was jammerschade ist. Denn sowohl Emilia Clarke als Rachel wie auch Chiwetel Ejiofor als Alvy haben schon oft bewiesen, dass sie Charaktere zu interpretieren verstehen. Die beiden als Paar einzuführen, eröffnet dem Film die Möglichkeit zum Disput. Doch die Inszenierung lässt die Protagonisten nie richtig auf Touren kommen. Zwischen den beiden fliegen weder die Funken, noch knistert es. Obwohl sie unterschiedliche Ansichten vertreten, wird darüber kaum je miteinander gesprochen, sondern voreilig Rücksicht genommen oder geschwiegen.
So willigt Alvy mehr oder weniger widerspruchslos in Rachels Karriere- und Familienplanung ein. Dass sie das Kind nicht selbst austragen will, nimmt er klaglos hin. Weil Rachel für die Firma arbeitet, wird ihr Kinderwunsch bevorzugt behandelt. Bald sitzen die beiden gemeinsam im „Womb Center“ und lassen sich das Prozedere und den Vertrag erklären. Die Direktorin preist die extra-uterine Schwangerschaft im jovialen Tonfall einer Verkäuferin, die ihr neuestes Modell vorstellt. Fehler oder willentlich unterdrückte Funktionen wie die, dass extra-uterine heranwachsende Kinder weder träumen noch spielen, werden nebenbei erwähnt, aber nicht weiterverfolgt. Schließlich passen die so ausgetragenen Babys perfekt in die streng marktwirtschaftlich organisierte und systemgläubige Gesellschaft, in der sie zu bestehen haben.
Das alles klingt nach schwarzhumoriger Satire oder bitterböser Komödie, was „Baby to Go“ aber nicht ist. Obwohl der Film immer wieder schmunzeln lässt, ist er nicht wirklich humorvoll. Auch sarkastische oder ironische Zwischentöne sind ihm fremd. Überdies scheinen der Inszenierung mit der Zeit die Ideen auszugehen. Nach der Szene, in der Rachel und Alvy auf einem Riesenbildschirm die Zeugung ihres Kindes verfolgen, dümpelt der Film über lange Strecken einfach vor sich hin. Rachel hat bisweilen komische Träume, in denen sie das heranwachsende Kind in ihrem Bauch spürt. Alvy erfährt, dass die Pflanzen im Greenhouse aus Kostenspargründen durch Hologramme ersetzt werden sollen. Als die beiden das Pod für einige Tage mit nach Hause nehmen dürfen, zeigt sich, dass Alvy einen viel lockeren Zugang zum Ungeborenen findet als Rachel, die ihre Fähigkeiten als Mutter plötzlich hinterfragt.
Die ausgeschlossene Natur
Erst als sich gegen Ende des Films auch der Geburtstermin nähert, nimmt die Geschichte nochmals Fahrt auf. Sie führt mit ein paar neckischen Wendungen in die nicht so weit vom Stadtzentrum entfernte Natur, was dem Film im Finale aber kein zusätzliches Feuer verpasst, sondern ihn nach kurzem Aufflammen sanft verglimmen lässt.
Zurück bleibt das unbefriedigende Gefühl, etwas nicht verstanden oder übersehen zu haben. Beim Nachdenken, was an diesem so unglaublich soften Film nicht stimmt, störend oder gar erschreckend dystopisch ist, stößt man schnell auf seine Prämissen, von denen er ausgeht. Auf die Naivität, mit denen die künftigen Menschen ihr Leben von KIs und übermächtigen Konzernen steuern lassen. Auf die sich an marktwirtschaftlichen Parametern orientierender Gesellschaft, in der kaum mehr humane Werte auszumachen sind. Und das Missverständnis, dass Gleichberechtigung (etwa von Mann und Frau) Gleichheit und somit gleiche Pflichten, Aufgaben, Leistungsfähigkeit bedeutet. Plus, dass die natürliche Fortpflanzung als beschwerlicher, zeitraubender Prozess verstanden wird, der aus unterschiedlichsten Gründen zu vermeiden ist. Ganz vergessen wird überdies, dass es auch Frauen gibt und hoffentlich immer geben wird, die eine Schwangerschaft nicht als beschwerlich, sondern als beglückend erfahren.