- RegieJoe Berlinger
- Dauer94 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
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Filmkritik
Als Ende der 1960er-Jahre ein paar US-Amerikaner auf die Idee kamen, ihre Surfbretter mit Segeln zu versehen, entlockte das den passionierten Wellenreitern in Kalifornien und auf Hawaii allenfalls ein müdes Lächeln. Robby Naish, Sohn eines erfolgreichen Surfers, fand jedoch bald Gefallen an der Erfindung und setzte auf dem Brett mit Segel zu erstaunlichen Höhenflügen an. 1976 flog der schmächtige Junge auf die Bahamas und nahm an den Weltmeisterschaften im Windsurfing teil, bei der er allen erwachsenen Konkurrenten auf und davon fuhr. Mit gerade einmal 13 Jahren wurde Naish Weltmeister. Bis heute hat es keinen jüngeren Titelträger gegeben. Im Laufe seiner Karriere sollten noch 23 weitere Weltmeister-Trophäen dazukommen.
Die Sonne hat sich ins Gesicht gebrannt
Auch heute noch kann Naish nicht von den Brettern lassen. Dem Gesicht des 58-jährigen Surf-Legende sieht man jede Sonnenstunde an, die er auf dem Wasser verbracht hat. Das Porträt „The Longest Wave“ stützt sich auf zahlreiche Elemente, die man aus auch anderen Sportler-Filmen kennt: viel Archivmaterial von den Wettkämpfen der vergangenen Jahrzehnte, anerkennende Statements von Familienmitgliedern, früheren oder aktuellen Weggefährten und Fotos aus privaten Alben.
Was den Film jedoch auch für Menschen sehenswert macht, die mit dem Surfen wenig am Hut haben, ist der Umstand, dass Robby Naish den Dokumentarfilmer Joe Berlinger erstaunlich nahe an sich herangelassen hat. So erzählt der Surfer, wie er mit 18 Jahren Vater wurde, aber vom Aufwachsen seiner Tochter kaum etwas mitbekommen hat, weil er mit seinen Brettern ständig rund um den Globus unterwegs war. „Wenn er dann mal daheim war, hatten wir immer eine tolle Zeit zusammen“, fügt die Tochter hinzu; auf Fotos sieht man, wie Vater und Kind am Strand herumtollen. Doch Naish war selten daheim. Seine Mutter verdrückt noch heute ein paar Tränen, wenn sie sich erinnert, dass sie und ihr Mann den 13-Jährigen nicht auf seinem Trip zum ersten Weltmeistertitel begleiten konnten, weil ihnen das Geld für den Flug fehlte.
Immer wieder gibt auch Naish über sich selbst Auskunft. Darüber, was ihn antreibt, sich in immer neuen Disziplinen wie Kite-Surfen, Stand-up-Paddling oder Foil-Surfen zu beweisen, obwohl er dort mit der Weltspitze nicht mehr mithalten kann. Auf Rekorde kommt es ihm nach eigenem Bekunden schon lange nicht mehr an. Statt nach hohen Monsterwellen ist er inzwischen auf der Suche nach besonders langen Wellen, die ihm mehrminütige Surferlebnisse verschaffen.
Nicht immer läuft alles nach Plan
Nach etwa der Hälfte von „The Longest Wave“ bestimmt ein Trip an die Küste Namibias, den Naish mit ein paar Kumpel unternehmen will, das Geschehen. Doch kurz vor dem Aufbruch setzt ein komplizierter Beckenbruch Naish außer Gefecht. Es ist sein erster ernsthafter Unfall in seiner Karriere. Man erlebt einen Mann an Krücken, der immer von seiner Physis gelebt hat und nun zehn Monate zur Untätigkeit gezwungen ist. Auch wenn er darüber nicht viele Worte verliert, hat er mit dem Missgeschick vor allem physisch zu kämpfen. Und als die Truppe dann schließlich doch noch in Namibia landet, muss sie tagelang auf ihre Bretter warten, die irgendwo um den Globus herumirren. Als sie endlich da sind, spielt das Wetter nicht mit. Die Wellen sind nicht so, wie sie sich die Beteiligten sie erhofft haben.
Die Dreharbeiten zu diesem eindrucksvollen, oft mit rockiger Musik unterlegten Porträt eines Getriebenen erstreckten sich über fünf Jahre. In dieser Zeit hatte Naish nicht nur mit seiner Verletzung zu kämpfen, sondern auch die Trennung von seiner zweiten Ehefrau zu verkraften. So erscheint der Titan hier auf sympathische Art auch immer mal wieder als einsamer Grübler. Dass Robby Naish und nahezu alle im Bild erscheinenden Surfer ständig Kopfbedeckungen mit dem Logo des österreichischen Brauseherstellers tragen, der den Film produziert hat, und hin und wieder auch lässig mit entsprechenden Getränkedosen an einer Wand lehnen, ist zwar lächerlich, nimmt dem Porträt aber nichts von seiner Qualität.