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Filmkritik
Der spröde Mittvierziger Mikko (Pekka Strang) ist ein Kenner der Dendrochronologie. Durch Jahresringe bestimmt diese Wissenschaft das Alter von Bäumen. Als Mikko seinen beiden Schwestern Maria (Inka Kallén) und Matilda (Saana Koivisto) während einer Autofahrt von seinem Fachgebiet erzählt, wirkt das zunächst wie eine Randnotiz. Erst mit der Zeit offenbart sich, dass „The Knocking“ auf ähnliche Weise von der Vergangenheit, einschneidenden Erlebnissen sowie zyklischen Wiederholungen handelt und dabei auf eine mystische Verbindung zwischen Mensch und Natur stößt.
Die drei Geschwister befinden sich in dem Regiedebüt von Joonas Pajunen und Max Seeck auf dem Weg zu ihrem einstigen Zuhause im finnischen Hinterland. Es ist ein Abschied. Das heruntergekommene, in einem weitläufigen Waldstück befindliche Haus soll verkauft werden. Durch Zeitungsausschnitte und Bilder von früher hat man bereits erfahren, dass sich hier einst ein mysteriöses Verbrechen abgespielt hat. Während Matilda, die jüngste Tochter, in einen Käfig gesperrt und der Vater mit einer Axt erschlagen wurde, ist die Mutter spurlos verschwunden. Was damals genau geschah, scheint niemand zu wissen. Doch je länger die Geschwister an diesem von der Welt entrückten Ort bleiben, desto weiter zieht es sie in ihre Kindheit zurück.
Ein dunkles Geheimnis
Auf den ersten Blick ähnelt „The Knocking“ einem Krimi, der mit Rückblenden zögerlich sein Geheimnis lüftet. Die Vergangenheit ist von Brauntönen bestimmt und in ein schummriges Licht getaucht, das Unheilvolles erwarten lässt. Zunächst sind es Alltagsdramen wie eine ungewollte Schwangerschaft und ein Ehestreit um die Zukunft des Waldes, die das Familienleben überschatten. Doch der Film vermittelt beständig, dass hier noch eine ganz andere Bedrohung lauert. So scheinen besonders die Frauen eine obsessive Bindung zu dem Wald zu entwickeln, die vom Vater als Aberglaube belächelt wird. Ein okkulter Wärter soll demnach das Gebiet gegen Eindringlinge beschützen.
In der Gegenwart wird die Stimmung angespannter, als Mikko bei einem gefällten Baum einen tiefen Einschnitt entdeckt, der bis zur Familientragödie zurückreicht. Bevor sich aus „The Knocking“ jedoch eine matriarchale Folk-Horror-Geschichte schält, hält er sich erstmal lange im Stadium einer düsteren Vorahnung auf.
Der nebelverhangene Wald
Das Familiendrama bleibt in „The Knocking“ letztlich lückenhaft und wie einige seiner Motive nur angedeutet. Mythologische Untertöne verwendet der Film ebenso wie Body-Horror-Elemente oder persönliche Traumata eher verstreut als stringent. Oft fällt das jedoch nicht so sehr ins Gewicht, weil sich der Film umso mehr auf seine bedrohliche Atmosphäre konzentriert. Mit langsamen Fahrten tastet die Kamera immer wieder den moosigen, nebelverhangenen Wald ab, lässt ihn dabei ebenso endlos wie beklemmend wirken und spielt mit der unheimlichen Wirkung des Verborgenen.
Sprachlosigkeit, verblasste Erinnerungen und dunkle Geheimnisse prägen den gegenseitigen Umgang der entfremdeten Geschwister. „The Knocking“ konzentriert sich nicht auf die Dynamik zwischen ihnen, sondern etabliert die dampfende, regelrecht atmende Landschaft als zusätzlichen Protagonisten, der die Ereignisse auf unsichtbare Weise lenkt. Lediglich eine ältere Freundin der verschwundenen Mutter kann die Situation einschätzen und versucht verzweifelt zu dem Haus vorzudringen.
Wie ein nervöser Wespenschwarm
Dass in „The Knocking“ trotz der teilweise etwas wirren und sehr zurückgenommenen Erzählweise keine wirkliche Langeweile aufkommt, hat auch mit der sphärischen, abwechslungsreichen Filmmusik von Tuomas Kantelinen zu tun. Mal zischt und quietscht es hinter dissonanten Cembaloklängen, mal brummen Streicher wie ein nervöser Wespenschwarm oder schwingen sich zu symphonischer Größe auf. Die Bedrohung, die in der Geschichte lange verschüttet bleibt, findet in der Musik schon von Anfang an ihren wirkungsvollen Ausdruck.