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Filmkritik
Die Ehefrauen dreier irischer Mobster beanspruchen 1978 im New Yorker Stadtviertel Hell’s Kitchen den Job ihrer Männer, nachdem die im Gefängnis gelandet sind. Ein Gangsterinnen-Thriller über Aufstieg und Sturz entschlossener Frauen.
Über den ersten Bildern liegt der Song „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ von James Brown. Man befindet sich in dem New York Stadtteil Hell’s Kitchen, dem Viertel auf der Westseite rund um die 40. Straße, und James Brown hat recht. Die Welt gehört den Männern. Eine kurze Vision davon, dass es auch anders gehen könnte, zeigt der Thriller von Andrea Berloff, die davon erzählt, wie sich drei Frauen einmal Hell’s Kitchen erobert haben. Die Vorlage ist ein Comic-Book, das im Jahr 2015 erschien. Es erzählt von diesem Ort und einer Zeit, als der Gedanke an weibliche Selbstermächtigung so waghalsig erscheint, dass er ideal zum Medium Comic passt.
Einstieg ins Verbrechen
Diese Zeit ist das Jahr 1978. New York wird von Ed Koch regiert, ist aber zwischen konkurrierenden Gangsterbanden verschiedener Ethnien aufgeteilt. Hell’s Kitchen gehört den Iren. In Midtown herrschen dagegen die Juden, weiter oben die Afroamerikaner in Harlem, in Brooklyn sitzen die Italiener. Das sind die relevanten Gangs, mit denen es die Frauen zu bekommen, denn ihre Geschichte ist keine ehrenhaft bürgerliche, sondern eine vom Einstieg ins Verbrechen, vom Aufstieg in einer kriminellen Welt. Was noch eine Hürde mehr darstellt: Frau sein und kriminell sein.
Anfangs sieht man ihre Männer, als Beispiel dafür, welche Art von Jobqualifikation in dieser Umgebung verlangt wird. Viel ist das nicht, sie sind hauptsächlich mies und gewalttätig. Einer schlägt seine Frau Claire, einer behandelt seine Frau Ruby wie Dreck, einer ist immerhin seiner Frau Kathy ein freundlicher Kumpan, es gibt auch zwei Kinder, die ihn lieben. Die Männer arbeiten für die irische Mafia, eine Truppe, die sich mehr durch Eitelkeit als durch Professionalität auszeichnet. Prompt werden die drei Ehemänner nach dem Überfall auf einen Schnapsladen festgenommen und müssen für die nächsten Jahre in den Knast. Das führt dazu, dass ihre Frauen sich überlegen müssen, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen. Das ist das Hauptproblem der Frauen; die Abwesenheit der Männer schmerzt sie weniger.
Bürgernähe als Qualitätsmerkmal
Ruby und Kathy stellen relativ schnell fest, dass die Mafia ihre einzige Möglichkeit ist, Geld zu verdienen. Claire arbeitet noch ein bisschen bei der kirchlichen Wohlfahrt, wird aber bekehrt, als ein Obdachloser sie schlägt, anstatt dankbar zu sein. Zu dritt machen sie dem Bandenchef ihres Viertels den Vorschlag, dass sie anstelle ihrer Ehemänner künftig Geld eintreiben könnten, was unter den Gangstern zu großer Heiterkeit führt. Doch die drei lassen sich davon nicht beirren. Sie kassieren einfach trotzdem die Schutzgelder des Viertels und sie kümmern sich um die Belange der Bewohner. Von denen werden sie bezahlt und ernst genommen; hier verweist der Film sofort auf den Vorteil von Frauen: Sie kennen den Alltag, Bürgernähe ist ihre Qualität.
Die Mafia reagiert erwartbar sauer, doch die Frauen greifen unbeeindruckt zur Gewalt. Nach ein paar Toten sind sie akzeptiert, nicht zuletzt, weil sie schnell und in großem Stil expandieren. Sie arbeiten für die irische Gewerkschaft, gegen die jüdische Konkurrenz in Midtown, mit dem Paten von Brooklyn werden Kooperationen ausgehandelt.
Manches bleibt in „The Kitchen: Queens of Crime“ im Dunkeln. Etwa, worin genau der Grund des Erfolges liegt oder wie der Schutz nach Schutzgelderpressungen aussieht. Auch liefern die Geschäfte mit den Italienern viel Klischee und wenig Konkretes. Doch die Geste zählt. Wer fragt einen Regisseur wie Quentin Tarantino nach Kohärenz, wenn er coole Burschen in ein fein ausgestattetes Umfeld stellt und schwadronieren lässt?
Zwei Seiten der Gewalt
Auch Andrea Berloff setzt auf Ausstattung und die Coolness der Heldinnen. Sie hat bei beispielhaften 1970er-Jahre-Filmen aus New York genau hingeschaut, so vermüllt sind die Straßenszenen und so wenig albern die Kostüme der Männer und Frauen. Die Kamera macht das Bild weit genug auf, um die Protagonisten bis zum Saum ihrer Hosen sichtbar werden zu lassen; das bietet nicht nur viel urbanen Hintergrund, sondern allen Schauspielern auch die Chance, sich mit lässigem Hüftschwung durch den Film zu bewegen. Die drei Frauen werden von Melissa McCarthy, Tiffany Haddish und Elisabeth Moss gespielt, allesamt kämpferisch, doch die Figur von Moss erfährt durch das neue Selbstverständnis die verblüffendste Wandlung. Sie wechselt von der einen Seite der Gewalt auf die andere, vom Opfer zur Killerin – und gewinnt dabei an Sympathien.
Nach dem Optimismus des Aufstiegs folgt allerdings auch die Dekonstruktion der Verbrecherinnen. Die üblichen Begleiterscheinungen des Erfolgs treten auf, Verrat, Egoismus, unterschiedliche Ziele und verschiedene Gewissen. Vor allem aber werden die Frauen zum Handeln gezwungen, weil ihre Ehemänner vorzeitig aus der Haft kommen. Doch keine der drei ist gewillt, sich wieder unter die häusliche Knute zu fügen. Damit bringt „The Kitchen: Queens of Crime“ die bis dahin so geschäftstüchtigen Hauptfiguren auf deprimierende Abwege. Er konfrontiert sie erneut mit ehelichen Konflikten, was die Figuren von da ab auf den zwar blutigen, aber eher langweiligen Status von feministischen Rächerinnen reduziert.