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Filmkritik
Unter Liebhabern metaphorischer Gangstergeschichten erfreut sich der Autor Dennis Lehane besonderer Wertschätzung. Seit „Mystic River“ (fd 36 231), „Gone Baby Gone“ (fd 38 463) und „Shutter Island“ (fd 39 763) haben ihn auch weniger belesene Kinogänger entdeckt. Lehanes Kurzgeschichte „Animal Rescue“ ist dabei zwar keine seiner bedeutenderen Kontributionen, enthält im Kern aber alle wesentlichen Merkmale, die seinen umfänglicheren Arbeiten eigen sind. Vor allem verbindet die knappe Story Lehanes exemplarische Fähigkeit, vertraute Genre-Figuren und -Atmosphären so zu relativieren, dass Erwartungen nur halb erfüllt und Klischees unmerklich verwandelt werden. Zum Schluss stellt man fest, dass eigentlich nichts so gelaufen ist, wie man vermutet hat, ohne dass die Realistik der Story dadurch Schaden genommen hätte. Lehane hat „Animal Rescue“ selbst für den Film „The Drop – Bargeld“ adaptiert, und er hat gute Arbeit geleistet. Was unter der Regie von Michaël R. Roskam daraus entstand, kann sich sehen lassen, auch wenn es manche Freunde der Gattung enttäuschen wird. Was sich als Kurzfassung der Geschichte wie eine der traditionsreichen Film-noir-Storys ausnimmt, in denen man jeden Augenblick auf den Auftritt Robert Mitchums oder mindestens doch Sean Penns wartet, lotet hier mehr in die Tiefenschichten der Menschen, die nur auf den ersten Blick vertraut erscheinen: Bob, ein dem Brooklyn-Milieu verhafteter Barkeeper mit einem Herzen für junge Hunde, seine Freundin Nadia, die von ihrem Ex-Boyfriend misshandelt wurde und zu vorsichtig ist, um sich gleich mit Bob einzulassen, und vor allem Bobs Vetter Marv (James Gandolfini in seiner letzten Rolle). Ihm gehörte einst die Bar, die er heute nur noch für den Mob managt. Sie ist Zentrum der Handlung und Schauplatz illegaler Aktivitäten. Die neuen Eigentümer benutzen den Ort als unverdächtige Deponie für ihr schmutziges Geld. Zur Steigerung der Spannung spielt auch noch ein zehn Jahre alter Mord eine Rolle. In der Hand eines weniger begabten Autors und eines weniger sensiblen Regisseurs wäre das alles auf eine der üblichen Shoot-Out-Geschichten hinausgelaufen, die Hollywood schon hundertfach produziert hat. Doch wenn hier der entscheidende Schuss fällt, hat ihn der Zuschauer längst nicht mehr erwartet, denn die Milieus haben sich als vielschichtig und die Figuren als unkalkulierbar erweisen. „The Drop“ besitzt gleichwohl alle Merkmale eines Gangsterfilms; die Straßen und Lokalitäten von Brooklyn sind so unbeschönigt wie bei Scorsese; und die Chargen im Hintergrund wirken durchaus authentisch. Nur kommt die in solchen Filmen sonst geradezu vorausbestimmte Handlung hier recht zögerlich ins Laufen; bis man feststellt, dass es um sie nur in zweiter Linie geht, mag es für manche Zuschauer, die ein konventionelles Vorantreiben des Plots erwarten, bereits zu spät sein. Für alle anderen aber, denen die Langsamkeit und Melancholie nicht zu viel werden, dürfte Lehanes Geschichte eine willkommene Variation eines zu oft misshandelten Genres sein.