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Filmkritik
Obwohl 2019 gedreht, sieht es in diesem Film über weite Strecken aus wie im Sommer 2020: ein Atlantik-Strand in völliger Leere, keine Menschen, keine Matten, kein Gummitier. Hier allerdings ist es ein amerikanischer Ferienort in der Vorsaison, die vielen Holzhäuser, die sich über die Dünen verteilen, werden bald belebter sein. Das erfährt man von Randall, einem jungen Kerl, der seine Freundin Emily für ein nettes Wochenende hierherbringt, ins Strandhaus seines Vaters.
Wie das aussehen soll, darüber gehen die Pläne auseinander. Randall, der Angeber, will zuerst und grundsätzlich Sex; Emily, die Unbeholfene, will das Beziehungsgespräch. Aber als sie ankommen, macht sie gute Miene – sie steigt willig hinter Randall die Treppe hoch ins Schlafzimmer, ohne vorher einen Gang durchs Haus zu machen. Das bedauert man, nicht nur, weil es innen unerwartet hell und hübsch aussieht, sondern weil man gern einen Blick auf das Terrain hätte, auf dem sich schließlich ein Horrorfilm abspielen soll.
Das junge Paar trifft auf andere Gäste
Von Horror ist vorerst nichts zu bemerken. Die Situation im Haus bleibt harmlos, wird allerdings aus anderen Gründen ein bisschen seltsam, ein bisschen peinlich: Sobald Emily postkoital durchs Erdgeschoss stromert, entdeckt sie, dass sie nicht allein mit Randall ist. Es gibt noch andere Wochenend-Gäste, Freunde von Randalls Vater, Mitch und Jane. Nach anfänglichem Erschrecken und bemühten Erklärungen arrangieren sich das alte und das junge Paar, sie machen gemeinsam ein Essen. Ab und zu rutschen die Bilder dabei spontan ins Experimentelle, um die Neugier beim Zuschauer wachzuhalten.
Noch ist also nichts passiert, trotzdem schafft es Jeffrey A. Browns Regiedebüt, die Normalität ins Abseits zu drängen. Es sind die Gesichter der Schauspieler, die er so nah vor die Kamera holt, bis hinter der höflichen Fassade ihre geheimen Sorgen sichtbar werden. Es sind Momente des Innehaltens, bei denen die Protagonisten über das Wasser aus dem Wasserhahn staunen, über den Anblick von Tropfen oder Wolken oder Dampf, über Dinge jedenfalls, deren Besonderheit sich dem Zuschauer nicht erschließt. Die Realität dessen, was man sieht, wird in Frage gestellt, was „The Beach House“ in die Nachbarschaft von Richard Stanleys grandiosem Lovecraft-Stück „Die Farbe aus dem All“ rückt.
Lila Nebel wabert
Das wird dann kräftig untermauert von Randalls Angebot, gemeinsam eine Portion Hasch-Schokolade als Nachtisch zu verzehren. Alle machen mit, hauptsächlich, um sich keine Blöße zu geben. Schlechte Idee, wie sich herausstellen wird, denn wenn die Apokalypse hereinbricht, hilft es wenig, wenn man so zugedröhnt ist, dass man sie nicht einmal bemerkt. Andererseits – vorerst sind alle Beteiligten entzückt vom lila Nebel, der draußen wabert, oder von Emilys Ausführungen über Astrobiologie, mit denen sie erklärt, dass der Mensch ein zartes Wesen und die Erde ein Ausnahmeplanet sei.
Aber etwas geschieht mit dieser Erde zwischen Nebel, Gischt und Sternen. Ein zweiter Tag bricht an, oberflächlich ist alles gleich geblieben am Strand, aber zunehmend passieren unerklärliche Dinge. Mitch, den eine stille Sehnsucht ins Meer hineinspazieren lässt, hat dabei den realsten und vielleicht den humansten Part. Die drei anderen schickt Brown durch allerlei ekelhafte Erfahrungen, während sich ihre Körper und ihr Verstand verändern. Obwohl er dabei die klassischen Bausteine des Endzeit-Genres nutzt, bauscht Brown die Geschichte nie zum üblichen Action-Pathos auf. Stattdessen zeigt er eine bösartig minimalistische Version von Naturhorror, eine Art Untergang ohne dramatische Zerstörung. Seine Bilder wechseln verträumt von blau zu rot, von klar zu undurchsichtig, das macht Emilys Kampf ums Überleben schön psychedelisch.
Ein unkonventionelles „Final Girl“
Denn Emily hält lange durch, sie wird zu einem unkonventionellen „Final Girl“. Wenn es ernst wird, zieht sie sich etwas Praktisches an, allein deshalb sollte ihr der Erfolg gegönnt werden. Dazu kommt ihre Klugheit, ihr Pragmatismus, die gelegentliche Anfälligkeit für Fehler – gern testet man mit ihr diesen Planeten als neuen Ort, wenngleich als einen, auf dem es sich für Menschen nicht mehr so einfach leben lässt.