Kekse und Popcorn für ein großartiges Kinoerlebnis

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Filmplakat von TENOR

TENOR

90 min | Drama, Komödie, Musik | FSK 12
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Der talentierte Rapper Antoine schlägt sich als Lieferdienst-Kurier in den Pariser Banlieues durchs Leben. Bei einer Sushi-Lieferung in der Pariser Oper trifft er durch Zufall auf Madame Loyseau, die sein Talent als Opernsänger sofort erkennt. Als Madame Loyseau Antoine als Schüler aufnimmt, verbirgt er seinen neuen Traum vor seinen Freunden und seiner Familie und stürzt sich in ein Doppelleben zwischen der vergoldeten Pariser Oberschicht und der rauen und gleichzeitig familiären Vorstadt. Doch bald holt die Wirklichkeit Antoine ein und zwingt ihn, seine eigene Stimme zu finden

Vorstellungen

Filmbühne Caligari
Marktplatz 9
65183 Wiesbaden
Freilichtkino Melsungen
Lindenbergstraße
34212 Melsungen

Filmkritik

Antoines Kumpel ist wasserscheu, und draußen sieht es nach Regen aus. Deshalb bleibt es mal wieder an Antoine hängen, seinem zimperlichen Freund die Auslieferung abzunehmen. Mit dem bestellten Sushi betritt er in Trainingsklamotten die Pariser Opéra Garnier und trägt das Essen durch die gewaltigen Gebäudefluchten, bis er auf eine Sängerprobe stößt. Als er sich nicht gleich wieder zurückzieht, muss er sich den fiesen Kommentar eines jungen Schnösels anhören. Seine gerappte Gegenbeleidigung bringt die Anwesenden aber eher zum Schmunzeln.

Doch als Antoine noch einige Operntakte in einer kraftvollen Tenorstimme herausschmettert, hat er die volle Aufmerksamkeit der Versammlung. Besonders die Gesangslehrerin Marie Loyseau will diese Entdeckung nicht einfach vorüberziehen lassen, und so steht Antoine einige Tage später erneut mit einer Sushi-Bestellung vor ihr. Das Angebot eines Gesangskurses leuchtet dem Mann aus der Banlieue nicht unmittelbar ein; doch Madame Loyseau hat durchaus Tricks auf Lager, um Antoines Bedenken gegen die völlig fremde Welt der Oper auszuräumen.

Aufstieg mit ungewöhnlichen Talenten

Mittlerweile kommt es im Kino regelmäßig vor, dass Menschen aus einfachen Verhältnissen in eine elitäre Umgebung geraten und sich dort mit einem besonderen Talent bewähren. In französischen Filmen wurde das etwa in „Die brillante Mademoiselle Neïla“ mit Debattier-Wettbewerben, in „La Mélodie – Der Klang von Paris“ mit Geigenspiel, in „Das Wunder von Marseille“ mit Schach und in „Haute Couture“ mit der Mode-Schneiderei durchgespielt. In „Tenor“ ist nun der Operngesang dran.

Regisseur Claude Zidi jr. zeichnet die unterschiedlichen Sphären mit dicken Pinselstrichen: Der Opernkosmos ist ein Luxushort mit Prachtbauten, durch welche die Kamera gleitet. Eine Stätte, an der man es mit edlem Wein, glanzvollem Gesang und einem Nachwuchs zu tun hat, der sich offenbar überwiegend aus den verwöhnten Kindern der oberen Zehntausend rekrutiert.

Demgegenüber ist das Zuhause von Antoine von Armut, Perspektivlosigkeit und brachialen Streitereien zwischen Gangs geprägt. Er selbst muss bei Rap-Battles regelmäßig die Ehre seiner Clique verteidigen; sein älterer Bruder Didier macht das gleiche bei illegalen nächtlichen Faustkämpfen. Als Rapper ist Antoine begabt, doch auf der Bühne gibt er weniger sein Innerstes preis, als dass er den Erwartungen seines Bruders folgt. Ähnlich verhält es sich mit einem Mathematik-Kurs an der Uni, durch den er Buchhalter werden könnte; es geht ihm nicht um seine Talente, sondern der erhoffte Nutzen für Didier und seine Freunde ist das Ziel.

Ein überladenes Drehbuch

Das Drehbuch von Cyrille Droux, Raphaël Benoliel und Zidi jr. will Antoines Einstieg in den Gesangsworkshop auch als kleine Rebellion gegen die Fremdbestimmung verstanden wissen, was er vor seinem Umfeld aber eisern verheimlicht. Den Uni-Kurs vernachlässigt er, doch bleiben immer noch sein Job im Sushi-Laden, der Streit mit der rivalisierenden Gang und die Unterstützung seines groben, nicht sonderlich hellen Bruders. Dieser wandert für seine illegalen Kämpfe zwischendurch ins Gefängnis, was Antoines Versteckspiel etwas vereinfacht. Dem Film schultert diese Entwicklung allerdings einen weiteren mühsamen Handlungsstrang auf, durch den das ohnehin schon überladene Drehbuch weiter zerfasert. Umso mehr, als zu den Banlieue-Scharmützeln auch noch das Operntraining dazukommt, das sich erneut in drei Fronten aufspaltet: Antoines Rivalität mit seinem selbstgefälligen Hauptkonkurrenten, die Zuneigung für eine sympathische Kurskollegin und die Auseinandersetzung mit seiner Mentorin Madame Loyseau.

Insbesondere das Verhältnis zwischen dem jungen Vorstadt-Caruso und seiner erfahrenen Gesangslehrerin macht jedoch deutlich, wie behauptet und unausgearbeitet das filmische Konstrukt ist. Denn weder für Antoines Bereitschaft, sein bisheriges Leben für die Gesangsübungen aufs Spiel zu setzen, noch für Madame Loyseaus Entschluss, gerade ihn zu fördern, gibt es schlüssige Argumente. Antoine reicht eine einzige Aufnahme von „Madame Butterfly“, um seine „Tutu“-Vorurteile gegen die Oper aus dem Weg zu räumen; für die Lehrerin werden eine arg schlichte Kindheitserinnerung, eine insgeheime Problemlage und ein generell aufmüpfiger Geist bemüht, um ihre unkonventionellen Entscheidungen zu erklären.

Die übrigen Charaktere kennzeichnen vor allem Stereotypen, ergänzt um einige sehr forciert originelle Eigenheiten – Stichwort: Regenphobie – und Kehrtwenden im Verhalten, wenn Fortschritte in der Handlung nötig werden.

Mitreißende Arien- und Rap-Szenen

Sorgfältiger geht Zidi jr. bei seinem zweiten Spielfilm immerhin mit der Musik um, indem in den Nebenrollen professionelle Sänger, darunter der Startenor Roberto Alagna in einem Gastauftritt, und Rapper eingesetzt werden. In beiden Musikstilen gelingen mitreißende Sequenzen, die zu den besten des Films gehören. Doch auch hier neigt „Tenor“ zu Vereinfachungen, indem der Film Opernarien mit Liebe und Rap mit Aggressivität gleichsetzt.

Wirklich gut nehmen sich in „Tenor“ eigentlich nur zwei Aspekte aus. Das ist zum einen Hauptdarsteller Mohamed Belkhir, der sich als MB14 in Frankreich bereits einen Namen als Rapper und Beatboxer gemacht hat und nun Schauspiel und Operngesang zu seinen Begabungen hinzufügen kann. Zum zweiten ist es die Opéra Garnier, die der Film als prachtvollen Sehnsuchtsort inszeniert und über diesen ähnlich glanzvoll die Kunst der Oper feiert wie Cédric Klapischs zeitgleich entstandener „Das Leben ein Tanz“ das Tanztheater. Emphatisch erinnern sie daran, zu welcher Wirkungsmacht die Bühnenkünste imstande sind.

Erschienen auf filmdienst.deTENORVon: Marius Nobach (29.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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