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Filmkritik
Dem Mann gefällt die Sache selbst nicht: Von seinem ebenso rührigen wie gutmütigen Manager hat sich der abgehalfterte Ex-Rockstar überreden lassen, eine Cover-Version des alten Troggs-Hits „Love is all around“ einzuspielen, wobei der Clou der neuen Fassung darin besteht, dass Billy Mack statt „Love“ jeweils „Christmas“ singt. Doch trotz angebrochener Weihnachtszeit, in der sich die Menschen erfahrungsgemäß für allerlei Sentimentalitäten erwärmen, scheint der Plan, mit solch kalkulierter Rührseligkeit einen Hit zu landen, nicht aufzugehen. Als der Interpret auf einen Interview-Termin im Radiostudio wartet, muss er hören, wie sein soeben gespielter Song den Moderator zu einem spontanen Ausdruck des Missfallens veranlasst. Doch statt PR-Sprüchen hat der Rock-Senior eine entwaffnende Vision parat: „Wäre es nicht toll,“ so fragt er, „wenn dieses Weihnachten nicht die Platte eines selbstgefälligen Teenagers auf Platz eins wäre, sondern die eines alten ehemaligen Heroinsüchtigen, der sich um jeden Preis um ein Comeback bemüht?“ Der charmante Appell ans Publikum, ein schamlos kommerzielles Produkt gerade wegen seiner unumwundenen Schamlosigkeit und Kommerzialität zu goutieren, schlägt sich bald in den Verkaufszahlen des Songs nieder. Und ein bisschen hofft wohl Regisseur Richard Curtis ebenfalls, dass sich auch das Kinopublikum die ironisch-zynische Rezeptionshaltung jener Plattenkäufer zu eigen macht. Denn sein Regiedebüt ist, nüchtern betrachtet, ebenfalls ein schamlos kommerzielles Produkt, das ohne Umschweife auf den vorweihnachtlichen Starttermin spekuliert. Zwar wurde eine Cover-Version von „Love is all around“ bereits in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (fd 30 971) eingespielt, bei dem Curtis für Produktion und Drehbuch verantwortlich zeichnete, doch sein jüngster Londoner Liebesreigen ist kein Remake, also kein filmisches Pendant zu einer musikalischen Cover-Version. Als Vergleich aus der Musik bietet sich eher die Form eines Medleys an – eines Medleys aus lauter Schnulzen, mit wenigen Moll- Akkorden und noch weniger Dissonanzen.
Der Film bedient sich jener episodischen Erzählstruktur, die seit Robert Altmans „Short Cuts“ (fd 30 588) im Kino stetig an Beliebtheit, aber auch an Beliebigkeit gewonnen hat. Dabei findet die Form in der Regel für Stoffe Verwendung, die im Kern der Dramengattung oder dem Melodram angehören, selbst wenn gelegentlich Komik aufkommt. Im besten Falle werden so mit knappen Momentaufnahmen unverhältnismäßig prägnante Charakterstudien erzielt; in schlechteren Fällen bekommt man es mit kondensierten Seifenopern zu tun. Unter dem halben Dutzend separater Handlungsstränge, die sich hier locker um eine Vielzahl von Figuren ranken, findet sich nur eine, in dem dramatische Züge überwiegen: Eine Frau mittleren Alters muss befürchten, dass ihr Mann gegenüber den Avancen seiner jungen Sekretärin nicht die nötige Resistenz aufbringt. Ansonsten dominieren Elemente der Romantic Comedy: Zwei Episoden, in denen sich ein Schriftsteller in seine neue Haushälterin und der neue britische Premierminister in seine Sekretärin verlieben, gehören dazu. Andere Erzählfäden, in denen ein kleiner Junge seine erste Verliebtheit durchlebt, eine Hochzeit den Jugendfreund des Bräutigams aus der Bahn wirft und eine Büroangestellte auf der betrieblichen Weihnachtsfeier ihrem umschwärmten Kollegen näher kommt, weisen zumindest Elemente des Genres auf. Selbst die Geschichte des Altrockers nimmt auf ihre Weise ein typisches Romantic- Comedy-Ende.
Nun lässt die episodische Erzählstruktur notwendigerweise wenig Raum zur Entwicklung der einzelnen Geschichten. Dennoch wollte Curtis offensichtlich partout nicht auf zwei läppische Nebenhandlungen verzichten, in denen sich zwei Film-Doubles bei einem Dreh finden bzw. ein einsamer Londoner nach Amerika in der Hoffnung geht, dort mit seiner plumpen Anmach-Masche mehr Erfolg zu haben. Zudem wollte Curtis wohl dem Wunsch eines Teils der Briten nach außenpolitischer Emanzipation vom übermächtigen transatlantischen Partner zum Ausdruck bringen, sodass er seinen Premierminister in einer unbeschreiblich bizarren Szene einen öffentlichen Dissens mit dem US-Präsidenten markieren lässt. So wird der beschränkte Raum, um die Handvoll Handlungsstränge in groben Zügen zu entwickeln, nur noch knapper – weshalb „Love Actually“ schließlich in gewissem Sinne zu einem Pendant von „Kill Bill“ gerät (fd 36 195). Es wäre zwar eine Übertreibung, zu behaupten, dass die zweite Hälfte des Films ausschließlich aus einer geballten Aneinanderreihung von Happy Ends besteht, aber es wäre nur eine milde Übertreibung. So ähnlich wie Tarantino mit einigen Action- Subgenres verfährt, indem er deren spektakuläre Actionhöhepunkte herausgreift, so verfährt Curtis mit der Romantic Comedy: Er reiht eine öffentliche Liebeserklärung an die nächste. Ohne Unterlass wird man aufgefordert, Tränen der Rührung zu produzieren und zugleich zu lachen, und jenen, die zu diesen Reaktionen nicht willens oder fähig sind, hält Curtis das Beispiel des Chart-Erfolgs von „Christmas is all around“ vor Augen: Man soll es mit diesem Film doch so halten wie die zynischen Plattenkäufer mit Billys eingestandenem „Mist“.