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Filmkritik
Mit viel Reisegepäck erreicht die 17-jährige französische Schülerin Fanny (Lilith Grasmug) den Leipziger Hauptbahnhof. Abgeholt wird sie aber nicht von ihrer Austauschpartnerin Lena (Josefa Heinsius), sondern von deren Mutter Susanne (Nina Hoss). Das führt zu einer ersten Irritation. Die stark politisierte Lena ist an Fanny nicht sonderlich interessiert; sie will kein Französisch sprechen und hat vorerst auch keine Lust auf einen Gegenbesuch in Frankreich. „Mit meiner Austauschschülerin gibt es keinen Austausch“, stellt Fanny resigniert fest. Doch was holprig beginnt, entwickelt sich zur Geschichte einer besonderen Verbundenheit. Bald sprudeln Gefühle, und die Grenzen zwischen Zweckbekanntschaft, Freundschaft und Liebe verwischen.
Erst in Leipzig, dann in Straßburg
Schon bei ihrem Langfilmdebüt „Party Girl“ (2014) über eine alternde Animierdame begab sich die Filmemacherin Claire Burger ins Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland, ehe sie mit „Euch zu lieben ist mein Leben“ (2017) ein Familiendrama in Ostfrankreich in Szene setzte. Auch ihr dritter Film „Tandem – In welcher Sprache träumst du?“, der im Original schlicht „Langue Étrangère“, also „Fremdsprache“ lautet, zeigt eine deutsch-französische Begegnung. Und wie zuvor erzählt Burger sehr nahe an den Figuren.
Durch das Motiv der Sprachreise spielt ein Teil des Films in Leipzig, ein zweiter in Straßburg. Die erste Hälfte erzählt von der Annäherung zwischen Lena und Fanny, die an der Schwelle zum Erwachsenenalter auf der Suche nach ihrer Identität sind. Die bei „Fridays for Future“ engagierte Lena weiß noch nicht so recht, welche Form politischer Opposition zu ihr passt, und fürchtet, am Ende sowieso nichts an den herrschenden Verhältnissen ändern zu können. Ihre verbitterte Mutter ist „von der ewigen Politik“ genervt. Beim Familientreffen mit dem „ostalgischen“ Großvater kommt es zum Eklat. Parallel dazu ist Fanny mit eigenen Sorgen beschäftigt, die sie Lena peu à peu anvertraut. In Frankreich wollte sie sich das Leben nehmen; eine Freundin soll schwanger sein und ihre Halbschwester sei beim „Schwarzen Block“.
In der Mitte des Films, als die ersten Disharmonien überwunden sind, wechselt Burger das Setting und zeigt Lenas Austauschbesuch in Frankreich. Das ist eine interessante Konstruktion, die das Bisherige unter neuen Vorzeichen spiegelt. Die Inszenierung spielt dabei viel mit Ähnlichkeiten und Unterschieden, was gut zum bikulturellen Ansatz des Films passt. Im Vergleich zu den blaustichigen, leicht nebligen Bildern der ersten Filmhälfte sind die Aufnahmen in Frankreich offener und heller, was auch die romantische Spannung zwischen Fanny und Lena verbildlicht. Als dann ans Licht kommt, dass Fanny nicht ganz ehrlich ist, stellt das die Beziehung auf die Probe.
Thematisch etwas überladen…
Thematisch ist „Tandem“ aber ähnlich mit Gepäck überladen wie Fanny in der Auftaktsequenz. Das Drehbuch stammt von Léa Mysius, die nahezu alle Gegenwartsthemen vom Klimawandel über den anschwellenden Rechtsextremismus bis hin zu veganer Ernährung ebenso stichwortartig anreißt wie Fannys Außenseiterstatus in der Schule. Der thematische Rundumschlag hemmt die eigentliche Erzählung einer jungen Liebe, passt aber zum Porträt einer Generation, auf die im Sekundentakt pausenlos Impulse und Informationen einprasseln.
Endgültig zu plakativ ist die kämpferische Abschlusssequenz, die in pathetischer Zeitlupe eine Lanze für den Aktivismus bricht. Ähnlich gestelzt, wenn auch zum Kontext eines Schüleraustauschs passend, wirkt ein Ausflug ins EU-Parlament, wo die Treppe der deutsch-französischen Freundschaft erklommen wird.
… aber auf Augenhöhe
Die Stärke von „Tandem“ liegt im Zwischenmenschlichen. Lena und Fanny sind nämlich durchaus mit ganz persönlichen Fragen beschäftigt, mit Liebe, Körperlichkeit oder Partys. In vielen nah gefilmten Zweierszenen spürt der Film dem Kennenlernen, der beginnenden Vertrautheit und schließlich der Verliebtheit zwischen den Schülerinnen nach, wobei das nuancenreiche Spiel von Lilith Grasmug und Josefa Heinsius Funken schlägt. Lob gebührt auch dem Kameramann Julien Poupard, der die Erlebniswelt der Jugendlichen mit leicht verwackelter Handkamera und auf Augenhöhe spürbar macht. Am Ende steckt die Finesse des Films daher nicht in den vielen dialogischen Bekenntnissen, sondern in der nonverbalen Kommunikation und in den filmischen Momenten, wenn Fanny und Lena im Whirlpool vor dem Haus sitzen oder zu elektronischer Musik durch die Stadt radeln.
Unterm Strich ist „Tandem“ ein routiniert inszeniertes Jugendporträt am Puls der Zeit, das über herausragende Einzelszenen verfügt, aber insgesamt etwas hinter seinen Möglichkeiten bleibt.