- RegieLena Knauss
- Dauer110 Minuten
- GenreDrama
- Cast
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Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Der Junggeselle Alexander lebt in einer karg eingerichteten Altbauwohnung über einer Werkstatt, in der er alte Fahrräder repariert. In seiner Freizeit hört er Schallplatten mit klassischer Musik, raucht und trinkt reichlich Schnaps. Alexander kommt bei Frauen gut an, scheint aber nicht an einer festen Beziehung interessiert. Auch die hübsche Barfrau im Nachbarhaus, mit der er gelegentlich ins Bett geht, hält er auf Abstand. Doch dann entdeckt er im Haus gegenüber die schöne Varieté-Künstlerin Paula, die am Fenster für ihren Aufritt übt. Er folgt ihr in das Theater „Tagundnachtgleiche“, ist hingerissen von ihrer poetischen Performance, feiert mit ihr auf einer Party und verbringt eine wunderbare Liebesnacht mit ihr. Doch am nächsten Morgen schickt sie ihn weg. Kurz darauf erfährt Alexander, dass Paula bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.
Die Macht der Erinnerungen
An ihrem Grab begegnet er ihrer älteren Schwester Marlene, deren Stimme er schon aus dem Radio kennt. Denn sie moderiert die Klassiksendungen, die er regelmäßig hört. Spontan lädt sie ihn zum Kaffeetrinken bei ihren Eltern ein, die darunter leiden, dass Paula den Kontakt zu ihnen abgebrochen hatte. Beim gemeinsamen Trauern kommen sich Alexander und Marlene näher, doch er kann Paula nicht vergessen und idealisiert sie in seinen Tagträumen zur einzigartigen großen Liebe. Die bodenständige Marlene wiederum reagiert erst skeptisch, wird aber neugierig auf den Untröstlichen, der ihre sprunghafte Schwester angeblich so gut gekannt hat. Je mehr Zeit die beiden verbringen, umso stärker werden ihre Gefühle für ihn. Doch Alexander kann noch immer nicht loslassen; in seinen Erinnerungen und Wunschträumen tauschen die Schwestern sogar die Rollen.
Schon in der ersten Sequenz schlägt die Autorin und Regisseurin Lena Knauss einen wehmütigen Grundton an, der sich durch den ganzen Film zieht. Es regnet bei einer nächtlichen Autofahrt, im Radio erklingt eine Arie von Monteverdi. Regen und Schnee, Nachtszenen und klassische Musikstücke prägen die Atmosphäre. Das kammerspielartige Psychogramm spielt meist in dunklen oder düsteren Innenräumen, nur selten öffnet sich der Blick ins Freie, auf den Friedhof, einen See oder eine Landstraße. Dafür schafft die virtuose Kamera von Eva Katharina Bühler häufig elegische Bildkompositionen für die Visionen und Tagträume des unglücklich verliebten Protagonisten, etwa wenn er die Erinnerung an die erste Liebesnacht rosarot umfärbt und so die Geschichte umschreibt oder wenn er mit der imaginierten Paula im kühlen Wasser eines einsamen Waldsees taucht, aber allein ans Ufer schwimmt.
Im Jammertal der One-Night-Stands
Das Kernthema des Liebesdramas ist die Suche nach der großen Liebe inklusive aller Projektionen und Illusionen, die diese Suche so beschwerlich und schmerzhaft, aber auch erhebend und beglückend machen können. Wie folgenreich Projektionen sein können, zeigt schon die Eingangsszene, in der der Identitätssucher Alexander Paula beim Trainieren beobachtet und sofort ihrer grazilen Ausstrahlung erliegt. Die Parallele zur voyeuristischen Grundkonstellation in Hitchcocks „Das Fenster zu Hof“ (1954) ist unübersehbar.
Thomas Niehaus gibt den wankelmütigen Anti-Helden auf der Suche nach Erlösung aus dem Jammertal der One-Night-Stands mit lässiger Souveränität und fragilem Charme. Dass die Chemie zwischen ihm und Sarah Hostettler stimmt, zeigen die vielen Zweierszenen, in denen sie als zunächst etwas herb wirkende ältere Schwester gekonnt zwischen Anziehung und Ablehnung, Neugier und Vorsicht, Schüchternheit und Mut pendelt. Aenne Schwarz bleibt zu wenig Leinwandzeit, um der ätherischen Ballerina Paula ein schärferes Profil zu geben.
Zwei Mal im Jahr gleich lang
Mit ihrem ungleichen Liebesdreieck gelingt Lena Knauss eine feinfühlige filmische Hommage an die Romantik, wobei Realität und Sehnsüchte, Erinnerung und Fantasie sich immer wieder elegant ineinanderschieben. Allerdings schleichen sich gerade in der zweiten Hälfte durch allzu ausführliche Nebenstränge, etwa um Alexanders Bruder Christian, einige Längen in das Drama, das zudem die Unreife des labilen Protagonisten zu üppig zelebriert. Durch das emotionale Chaos, das Alexander und Marlene im stetigen Auf und Ab durchlaufen, schimmert überdies schon früh die naheliegende Lösung durch, die beiden einen Seelenfrieden bescheren würde – so subtil ausbalanciert wie die titelgebende Tagundnachtgleiche, bei der Tag und Nacht zwei Mal im Jahr genau gleich lang sind.