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Filmplakat von Tagebuch einer Biene

Tagebuch einer Biene

92 min | Dokumentarfilm | FSK 0
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Das Leben eines Insekts ist in den Augen vieler Menschen nicht viel Wert. Was kann an einer Lebenszeit von knapp sechs Wochen schon so besonders sein? In seinem Dokumentarfilm zeigt der Regisseur Dennis Wells, dass das Leben einer Biene viel komplexer ist, als wir es uns vorstellen können: Wie auch bei den Menschen gibt es unter den Insekten besonders mutige, feige, fleißige, aber auch faule Exemplare. Alle Tiere eint die Tatsache, dass sie sich stets den gleichen Herausforderungen ihres Lebens stellen: Blumen finden, Hornissen bekämpfen und einen geeigneten Platz für den Nestbau finden. Ganz nebenbei sind sie auch ziemlich sozial und unterstützen sich bei Gefahren und fliegen am liebsten in denselben Teams aus.

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Filmkritik

Eine Winterbiene lebt sechs Monate, eine Sommerbiene meist nur sechs Wochen. In seinem ersten langen Dokumentarfilm schildert der Regisseur Dennis Wells den Lebenszyklus zweier Bienen und überformt die bestechenden Naturaufnahmen dank einer konsequenten Vermenschlichung durch zwei Ich-Erzählerinnen aus dem Off (Anna Thalbach, Nellie Thalbach) zu einer dramatischen Chronik mit hohen Schauwerten.

Vieles ist in Zeitlupe gefilmt

Wells, 1977 in Essen geboren, hat sich mit Geschichts- und Wissenschaftsdokumentationen in den Bereichen Natur und Wissenschaft als versierter Fernsehdokumentarist etabliert. Nachdem er 2016 schon eine Fernsehdokumentation über Wildbienen realisierte, widmet er den emsigen Tieren jetzt einen langen Kinofilm. Die Dreharbeiten dazu erstreckten sich über zwei Jahre, die aufwändige Postproduktion dauert ein weiteres Jahr.

Der erfahrene Kameramann Brian McClatchy drehte viele der spektakulären Großaufnahmen mit Hilfe von 16 Bienenstöcken, die er vor der eigenen Haustür in der Nähe von Stuttgart aufbaute, wobei eine spezielle Makrokameratechnik zum Einsatz kam. Die meisten der imposanten Außenaufnahmen entstanden in einem idyllischen Bergtal im Karwendelgebirge. Um die Interaktionen der Insekten möglichst gut sichtbar zu machen, filmte das Team viele Sequenzen in Zeitlupe. Nur so lässt sich beispielsweise erkennen, wie sich die Bienen am Eingang des Bienenstocks gegenseitig begrüßen.

„Tagebuch einer Biene“ ist kein konventioneller Lehrfilm. Die Inszenierung ist vielmehr darauf aus, das Thema auf unterhaltsame und teils dramatische Weise darzubieten. Nach ausgiebigen Recherchen und Beratungsgesprächen mit Bienenforschern schrieb Wells ein Drehbuch, das viele typische und einige außergewöhnliche Stationen eines Bienenlebens im Lauf der Jahreszeiten rekapituliert. In die Darstellung flossen auch jüngste wissenschaftliche Befunde über die Insekten mit ein. Demnach kommunizieren Bienen nicht nur im Stock, sondern auch in der Natur und pflegen so soziale Beziehungen.

Aus der Sicht der Bienen

Wells skizziert eine Art Bienenbiografie vom Schlüpfen einer Biene bis zur Gründung eines neuen Volkes. Dramaturgie und Bildkomposition schildern das Geschehen aus der Sicht der Bienen und ziehen damit in ihre Welt hinein.

Die Kamera folgt zunächst einer Winterbiene, die monatelang im Stock arbeitet, ehe sie im Frühling erstmals ins Freie fliegt, um frische Nahrung zu sammeln. Dann hängt sie sich an eine Sommerbiene, die beim ersten Erkundungsflug fast verunglückt und viel dazulernen muss. Da die Winterbiene als Amme der Nachwuchsbiene Bee fungiert, entsteht zwischen beiden eine enge Beziehung.

Was die Winter- und die Sommerbiene erleben und wie sie die Welt wahrnehmen, erfährt man aus den Kommentaren, die aus der Ich-Perspektive der Bienen eingesprochen werden. Die lebhaften Stimmen von Anna und Nellie Thalbach vermenschlichen die beiden tierischen Protagonisten und tragen viel dazu bei, dass man an Freud und Leid der kleinen Blütenstaub- und Nektarsammler Anteil nimmt.

Die emotionale Involvierung wird durch eine zuweilen schwelgerische, manchmal auch dramatische Filmmusik verstärkt, etwa wenn Bee auf ihrem ersten Flug sogleich in einen Wolkenbruch gerät, von einem schweren Regentropfen zu Boden geworfen wird und es bei Tageslicht nicht mehr in den Stock zurückschafft, sondern durchnässt im Freien übernachten muss.

Hochdramatisch geht es auch bei einem Angriff von Hornissen auf ein neues Bienennest zu. Weil die Hornissen viel stärker sind, kann das Bienenvolk nur überleben, indem sich die Bienen gemeinsam zur Wehr setzen, auch wenn einige die Abwehrschlacht nicht überleben.

So kurzweilig wie erkenntnisreich

Beiläufig vermittelt der Film viele interessante Informationen über die Insekten, die wegen ihrer Bestäubungsleistungen für viele Pflanzen letztlich auch für das Überleben der Menschen wichtig sind. So lernt man etwa, dass sich Bienen nur bei Sonnenlicht orientieren können und bei zu großer Hitze ihren Stock mit Wasser kühlen. Oder dass eine Biene auf einem Flug von 800 Kilometern nur ein Gramm Honig als Energielieferanten braucht. Bei Nahrungsmangel oder einer langen Schlechtwetterphase verhält sich ein Bienenvolk absolut solidarisch: Die Vorräte werden konsequent geteilt, damit möglichst viele überleben oder schlimmstenfalls alle verhungern.

Im Bestreben um eine anschauliche Darstellung scheut Wells sich nicht, den Pfad der reinen Dokumentarfilm-Lehre zu verlassen. Da es unmöglich ist, eine einzige Biene wochenlang zu verfolgen und jeden Augenblick ihres Lebens zu filmen, wurden Aufnahmen mehrerer Bienen aus verschiedenen Situationen zu einer „Geschichte“ zusammengefügt. Selbst mit Drohnen wäre es nicht möglich gewesen, einem Bienenschwarm zu folgen. Um aber die subjektive Sicht der beiden Hauptfiguren einnehmen zu können, kamen deshalb für einzelne Aufnahmen auch computergenerierte Modelle zum Einsatz. In der Summe bietet „Tagebuch einer Biene“ ein ebenso erkenntnisreiches wie kurzweiliges Seherlebnis für große wie kleine Freunde der Natur.

Erschienen auf filmdienst.deTagebuch einer BieneVon: Reinhard Kleber (19.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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