- RegieUli Gaulke
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer101 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
- TMDb Rating5/10 (3) Stimmen
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Filmkritik
Versteckt am Ende des legendären Mulholland Drive in L.A. liegt das „Motion Picture & Television Country House and Hospital“: die berühmteste Seniorenresidenz und Altersklinik für Kreativschaffende in den USA. Die Liste seiner ehemaligen Bewohner ist lang. So verbrachten hier beispielsweise Zsa Zsa Gabor, Richard Fleischer, Stanley Kramer, Edgar G. Ulmer oder Johnny Weissmuller einige Jahre in diesem exklusiven Alterssitz, der alleine früheren Mitarbeitern aus der amerikanischen Film- und Fernsehbranche vorbehalten ist.
Die Anfänge für dieses illustre „Hollywood“-Altersheim mit seinen derzeit 230 Bewohnern reichen bis in die frühen 1920er-Jahre zurück, als damalige Superstars der Traumfabrik wie Charlie Chaplin, Mary Pickford und Douglas Fairbanks den „Motion Picture Relief Fund“ gründeten. Unter dem Motto „We take care of our own“ sammelte jene Stiftung über Jahrzehnte Spenden und freiwillige Beiträge zur sozialen Absicherung von Mitarbeitern aus der „Hollywood“-Industrie. 1942 wurde dafür von William Pereira eine weitläufige Bungalow-Anlage im „International Style“ errichtet, ehe ein 1948 angeschlossenes Krankenhaus seine Pforten öffnete, das heute von speziellen Betreuungseinrichtungen für Demenz- oder Alzheimerkranke flankiert wird.
Die Heimbewohner bespielen einen eigenen Fernsehkanal
Daneben existiert ein „Health- and Wellness-Center“ sowie ein Hauskino mit über 200 Sitzen. Und sogar ein eigener Fernsehkanal („MPTF-TV-Channel 22“) wird von den teilweise immer noch höchst vitalen Heimbewohnern mit großer Energie bespielt. Nahezu jeder Bewohner des „Motion Picture & Television Country House and Hospital“ bringt sich traditionell und soweit es ihm körperlich wie geistig möglich ist, in dieses täglich 12-stündige Originalprogramm ein, was Uli Gaulkes Bildgestalter Axel Schneppat in „Sunset Over Hollywood“ in mehreren kleinen Miniaturszenen wunderbar erfrischend und frei von Voyeurismus einfängt.
Neben Interviews zum alten Starsystem Hollywoods werden hier regelmäßig Dokumentationen und Kurzfilme im hauseigenen Filmstudio realisiert. In den Augen der ausgezeichnet ausgewählten Protagonisten Connie Sawyer, Tony Lawrence, Anne Faulkner oder Jerry Sedley Kaufmann spiegeln sich in den besten Momenten von „Sunset Over Hollywood“ große-kleine Dramen wider, die von Ruhm und Neid handeln, genauso wie von unterhaltsamen Diva-Anekdoten oder überhaupt der Erinnerung an das längst untergegangene „Old Hollywood“, ohne dass Uli Gaulkes Film je ins Rührselige oder bloß Nostalgische abdriften würde.
Ein Grundprinzip hat sich in dieser besonderen Einrichtung trotz konkreter Schließungspläne im Jahr 2009 über Jahrzehnte bewährt: Die Kosten für die Heimunterbringung richten sich stets nach den Vermögensverhältnissen jedes Einzelnen, so dass dort auch heute wie damals viele mittellose (Ex-)Filmschaffende neben durchaus prominenten Einkommensmillionären wie David O. Selznicks Sohn Daniel leben können, was in Gaulkes Porträt des Ortes wie seiner ausgesprochen lebensfrohen Bewohner von Beginn an eine dramaturgisch abwechslungsreiche Mixtur ergibt. Dank einzelner Großspender wie Kirk Douglas, George Clooney oder Jodie Foster konnte jenes „Motion Picture & Television Country House and Hospital“ obendrein vorerst gerettet werden, was in „Sunset over Hollywood“ allerdings nur am Rande thematisiert wird.
Reflexion über Filme und deren Macher
Vielmehr verwandelt sich Gaulkes zart-herbe Hollywood-Hommage, die in erster Linie von der unbändigen Freude seiner Bewohner am Schaffen, Probieren, Scheitern oder Premierefeiern zehrt, vor allem im zweiten Teil in eine Metareflexion zur amerikanischen Filmgeschichte wie generell über Filme und deren oft außerhalb des Rampenlichts stehenden Macher (wie etwa Editoren, Beleuchter, Tontechniker oder Drehbuchschreiber).
Im Wechselspiel zwischen der scheinbar nie endenden Fabulierlust seiner oft über 90-jährigen Bewohner, für die es schlichtweg nichts anderes als das Showbusiness und den „roten Teppich“ gibt, stillen Abschieden und neuen Projekten (wie zum Beispiel einer „Casablanca 2.0“-Version inklusive eines alternativen Endes) unterhält Uli Gaulkes Dokumentarfilm über weite Strecken.
Wenngleich „Sunset Over Hollywood“ weder große Sensationen und erst recht keine Enthüllungen zum klassischen System der Traumfabrik liefert und ausschließlich aus der Perspektive weißer, heterosexueller Amerikaner*innen erzählt wird, so ist dem Berliner Filmemacher mithilfe der einfallsreichen Montage Andrew Birds trotzdem ein bemerkenswerter Dokumentarfilm gelungen, der sich bewusst an ein größeres Publikum wendet und auch als humorvolle Beobachtung zum Thema „Altwerden“ und letzten Träumen funktioniert.