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Filmkritik
Der Kopf leicht gebeugt, die Schultern nach vorne geneigt, als laste die ganze Welt auf ihnen, der Gang schlurfend – das ist Mascha. Sie ist 16 Jahre alt und im letzten Schuljahr. Was danach kommt? Wer weiß. Mit Freunden abhängen? Sich besaufen? Basketball spielen? Studieren? Alle wollen es wissen, vor allem die Eltern, und die Kids wahrscheinlich auch. Aber noch gehen sie jeden Tag in die Schule, lernen etwas über Stresshormone, posten im Unterricht unterm Tisch Fotos auf Instagram und teilen sich Zigaretten auf dem Schulhof. Das ist das Hier und Jetzt. Danach gibt es so viele Möglichkeiten, dass man am liebsten nirgends hingehen möchte. Ohnehin nimmt einen das Heute voll in Beschlag. Wer bin ich? Wer will ich sein? Warum bin ich überhaupt hier und warum schon wieder dieser vorwurfsvolle, besorgte oder fragende Blick der Mutter?
Ganz nahe an die Protagonisten heran
Die ukrainische Regisseurin Katerina Gornostai (Jahrgang 1989) erzählt in ihrem Spielfilmdebüt „Stop-Zemlia“ vom Jungsein und vom Erwachsenwerden, und sie tut dies mit allergrößtem Mitgefühl und Respekt. Keine Sekunde wird den jungen Figuren mitfühlend der Kopf getätschelt. Dass sich die Regisseurin nach eigener Aussage in Mascha wiederfindet, merkt man dem Film jede Sekunde an. Sie will die Zuschauenden ganz nahe an Mascha und die anderen Mädchen und Jungen heranführen. Immer wieder gibt es flirrende Momentaufnahmen und subjektive Einstellungen: der unsichere Blick in den Spiegel, das Langziehen einer Laufmasche in der Strumpfhose, das selbstvergessene Tanzen allein im Zimmer. Kennt irgendwie jede und jeder, unabhängig, wie lange das her ist.
Die Frage, welche Erfahrungen und Gefühle sie selbst als 16-Jährige geprägt haben, was sie vielleicht auch zu der Person gemacht hat, die sie heute ist, hat Gornostai zu dem Film animiert. Die Bilder wirken, als wären über die Jahre die Farben ausgeblichen, als würde man ein altes Fotoalbum ansehen. Alles ist voller Gefühl, ein ausgelassenes Fangen-Spielen auf einem Platz genauso wie der Weltschmerz oder bleierne Langeweile.
Gespräche über die Liebe und die Zukunft
Durchbrochen wird der Bilderfluss von Interviews, in denen Mascha und ihre Mitschüler*innen, etwas älter geworden, offenbar von der Regisseurin selbst nach Zukunftsplänen oder zum Thema Liebe befragt werden.
Katerina Gornostai kommt vom Dokumentarfilm, was im Film immer wieder deutlich wird, nicht nur in den dazwischenmontierten Befragungen. Sie hat im Vorfeld mit vielen Jugendlichen gesprochen, mit Laiendarsteller*innen gearbeitet und ihnen kein Drehbuch aufgedrückt, sondern auf Improvisation gesetzt und den Protagonisten damit eine eigene Stimme gelassen.
Es ist berührend, diese sehr klaren Gesichter junger Menschen zu sehen und zu hören, was sie bewegt. Allerdings verliert sich Gornostai auf Dauer in ihrem Sujet. Ihr Film wirkt nach einer Weile wie eine Feldstudie, in der man als Zuschauender mit dabei ist, wenn Pickel ausgedrückt oder Deoroller benutzt werden. So, wie die Jugendlichen darauf warten, dass ihr Leben richtig losgeht, wartet man als Zuschauerin irgendwann nur noch darauf, dass auch der Film endlich richtig losgeht.