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Filmkritik
Filme über die Staatssicherheit sind in der Regel bierernst, wie das als Klassiker des Genres geltende Kinodrama „Das Leben der Anderen“ exemplarisch vor Augen führte. Darin entwarf der westdeutsche Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck seine Vision von einem wandlungsfähigen Stasi-Mitarbeiter. Der Film bediente altbekannte Negativvorstellungen über die DDR, angefangen beim Sepia-Look der Bilder, der die angebliche Tristesse im deutschen Realsozialismus transportieren sollte. Der Filmemacher Leander Haußmann, der in der DDR aufgewachsen ist und ihre repressiven Seiten aus eigener Anschauung kennengelernt hat, schickt zu Anfang seiner neuesten DDR-Komödie indes den für Donnersmarck’sche Verhältnisse unerhörten Satz voraus: „Und trotzdem scheint die Sonne.“
Schon in „Sonnenallee“ hatte Haußmann gezeigt, dass man in der DDR durchaus jung sein, lieben und Spaß haben konnte. Dieses Credo variiert er nun in seinem nach „Sonnenallee“ und „NVA“ dritten DDR-Film „Stasikomödie“. Sie trägt das dem Film inhärente Paradox bereits im Titel: Darf man über die Stasi lachen, ohne ihre Opfer zu verhöhnen? Haußmann versucht dies, indem er den Werdegang eines Protagonisten beschreibt, der Parallelen zur Biografie des Lyrikers Sascha Anderson aufweist. Dieser galt in der DDR-Avantgardebewegung als feste Größe und wurde Anfang der 1990er-Jahre von Wolf Biermann als Spitzel des DDR-Staatssicherheitsdienstes enttarnt.
Das Kätzchen und die Ampel
Den Protagonisten Ludger Fuchs lernt man zunächst in der Gegenwart als etwa 60-jährigen Mann (Jörg Schüttauf) kennen. Er, den alle für ein Opfer des DDR-Staates halten, hat sich seine Stasi-Akte besorgt und erinnert sich an seine Jugend. Für den jungen Ludger (David Kross) hat alles in den 1980er-Jahren mit einer Verkehrskreuzung in Ost-Berlin begonnen. Weil er auf einer menschenleeren Straße nicht einmal bei Rot über eine von der Stasi manipulierte Ampel gelaufen ist, um ein Kätzchen vor einem Transporter zu retten, findet die Stasi in ihm einen idealen Befehlsempfänger für ihre Dienste.
Dem naiven jungen Mann, der am liebsten Jack Kerouac liest, besorgt die Spitzelorganisation eine Wohnung in Prenzlauer Berg und verlangt von ihm, dass er die Künstlerszene des Bezirks ausspäht. Dabei arbeitet Ludger mit einer Gruppe von Provinzlern zusammen, deren zögerliche Auffassungsgabe die Effektivität ihrer Aktionen begrenzt. Da Ludger sich auch für die Damen des Milieus interessiert und gut bei ihnen ankommt, soll er über sie die Szene infiltrieren. Bald entbrennt er sowohl für Corinna (Antonia Bill), seine spätere Frau, als auch für Natalie (Deleila Piasko). Doch er kann sich für keine der beiden entscheiden. Die Prenzlauer-Berg-Szene mit ihren Vorlesungen, Happenings und Partys hat es ihm aber dermaßen angetan, dass er darüber fast seinen Auftrag vergisst. Doch sein Führungsoffizier, der unerbittliche Siemens (Henry Hübchen), kontrolliert ihn mit Argusaugen und schreckt auch nicht davor zurück, Ludger in seiner Wohnung aufzusuchen und sich zur Not auch als sein Vater auszugeben.
Auf diese Weise beschreibt der Film einen Kosmos, in dem vieles wahr, einiges erfunden und vieles überzogen ist. Der Deckname der Stasi-Operation lautet bezeichnenderweise „LSD“, was sowohl für die mit Freude konsumierten legalen und illegalen Drogen in der Szene steht, als auch für die geografische Eingrenzung des Milieus, das sich innerhalb des Prenzlauer Berges zwischen der Lychener-, Schliemann- und Dunckerstraße bewegte.
Als „Der Scout“ in die Kinos kam
Der Film konnte nicht an Originalschauplätzen gedreht werden, da die Gegend inzwischen komplett gentrifiziert ist. Also blendet Haußmann zwischendurch Archivbilder ein oder datiert die Spielzeit des Films durch das an einer Litfaßsäule klebende Plakat des DEFA-Films „Der Scout“ mit Gojko Mitic, der 1983 in die Kinos kam. Trabbis, Wartburgs oder Ladas vervollständigen das DDR-Bild, ebenso wie die Sprache mit zeittypischen Ausdrücken oder dem Sächseln von Ludgers Stasi-Kollegen.
Wie schon in „Sonnenallee“ entwirft Haußmann das Bild eines jungen Mannes, der sich staunend durch das Leben bewegt und von Frauen dermaßen fasziniert ist, dass sie samt ihrem im Wind flatternden Haar in Zeitlupe gefilmt werden. Dabei muss er sich wie viele junge Männer in anderen Ländern und Epochen gegen Rivalen durchsetzen und erwachsen werden. Doch das ist in einer Künstler-Szene schwierig, die so sehr auf Widerstand gebürstet ist, dass ihre Mitglieder keine noch so kindischen Exzesse auslassen, um ihre vermeintliche Unangepasstheit zur Schau zu stellen. Veranschaulicht wird das in einer Szene mit dem US-amerikanischen Beat-Generation-Poeten Allen Ginsberg, der in Ost-Berlin vorbeischaut und eine gänzlich destruktive Geste Ludgers zu großer subversiver Kunst verklärt.
Auch vergnügliche Szenen wie das Mixen von Weiß- und Rotwein zu einem „Rosé“ in der berühmten Schwulenkneipe „Schoppenstube“ verstärken den Tenor, dass in der Szene ständig ausgelassene Partystimmung herrschte. Nachdenklichere Töne finden sich hingegen kaum. Auch scheint Ludger weniger von moralischen Gewissensbissen geplagt zu sein als von der Furcht, bei einer seiner Bettgeschichten aufzufliegen. Die Stasi wiederum wird zwar als obrigkeitshöriger Verein entlarvt, aber wirklich gefährlich wirkt sie nur in der Gestalt von Siemens, wenn Henry Hübchen mit all seinem schauspielerischen Talent blitzschnell von jovialem Onkel zu herrischem Befehlshaber übergeht.
Was ich noch zu sagen hätte…
Auf dieser Weise spießt die Komödie Stasi- und Künstlermilieu gleichermaßen auf und zeigt ihre Verflechtungen. Allerdings macht es sich der Film zu leicht, wenn er alle Protagonisten durch den Kakao zieht. Zwar spielt er nicht im Milieu der politischen Oppositionellen oder der Dissidenten, welche durch die Zersetzungsmethoden der Stasi Hausarrest, Gefängnis oder Ausbürgerung erleiden mussten. Doch die Charakterisierung des Infiltrationssystems mit seinem engmaschigen Netz an Inoffiziellen Mitarbeitern durch puren Klamauk verweigert nicht zuletzt jenen Stasi-Geschädigten – zu denen sich Haußmann selbst auch rechnet –, den Respekt, da sie sich vor allem seelisch von vermeintlichen Freunden hintergangen fühlten.
Dennoch kann man Haußmann zugutehalten, dass er eine subjektive Sicht als Insider einbringt und sich nicht dem gängigen Postwende-Narrativ über die Stasi anschließt, das von bundesrepublikanischen Akteuren oft bemüht wurde, die keine Erfahrungen mit DDR-Organen gemacht haben. Auch zeigt er auf, wie Ludger trotz moralischer Schuld gute schriftstellerische Kunst produziert.
Wie in allen seinen Filmen unterlegt Haußmann die Tonspur mit vielen Rock- und Popsongs, darunter den spektakulären Abgang einer Figur zu den Klängen von Reinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“, und stellt einen Hang zur Selbstgefälligkeit zur Schau. Ein lustvoll aufspielendes Schauspielerensemble mit dem unvergleichlichen Detlev Buck als dämlichem Volkspolizisten, macht „Stasikomödie“ zu einem unterhaltsamen, wenngleich an der Oberfläche agierenden Kinoerlebnis.