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Filmkritik
„Bad Tales – Es war einmal ein Traum“ von Damiano und Fabio D’Innocenzo endet mit einer bitter notwendigen Entschuldigung. Der namenlose Erzähler der Geschichte gesteht: „Ich bereue es, dass ich euch diese sinnlose, traurige und düstere Geschichte erzählt habe. Ihr hättet wohl etwas Realistischeres verdient, eine normale, alltägliche Geschichte. Nicht diese Tirade eines vom Leben Gelangweilten. Ich bitte um Entschuldigung.“ Es ist also nicht die mangelnde Selbstreflexion, an der das Drama krankt.
Völlig korrekt diagnostiziert die Groteske ihre zentrale Schwäche: Durch jede Pore zieht ein von sich selbst gelangweilter Zynismus. Eine bräsige Weltmüdigkeit, die ihren wolkenverhangenen Denkhorizont manchmal mit Satire verwechselt. Missmut und Larmoyanz sind nicht dasselbe wie Kritik oder Witz. Die römische Vorstadt erscheint manierlich, ist aber eine Hölle; in den Adern des Bürgertums pumpt eher Gift als Blut; verlorene Söhne erben den dumpfen Zorn der Väter. „Bad Tales“ entwirft einen Limbus vor Rom. Muffiger Schrecken, halbherzige Provokation, so berechenbar, als hätte man sie aus einem Katalog bestellt.
Eine Mischung aus Angst und Begehren
Die Handlung füllt einen flirrenden Sommer, der direkt aus einer herkömmlichen Coming-of-Age-Geschichte stammen könnte. Zwei Familien, die Placidos und die Rosas, kämpfen um die Illusion von Normalität. Vordergründig sind sie befreundet; im Privaten beneidet und hasst man einander. Auch um ihre Ehen steht es nicht eben gut. Bruno Placido hat gerade seinen Job verloren, dafür lockt sein aufblasbarer Pool die halbe Nachbarschaft an. Pietro Rosas Kinder können mit glänzenden Noten aufwarten; dennoch bleiben sie nicht von den Fallstricken und Neurosen des Heranwachsens verschont. Alle verbindet ein diffuses Gefühl, eine Mischung aus Angst und Begehren. Die Hitze brütet düstere Pläne in den Köpfen aus; die Gewalt in den Herzen bricht sich Bahn.
Man wird zwangsläufig an „The Virgin Suicides“ von Sofia Coppola erinnert, vielleicht auch an das schmerzliche Gefühl der Unvermeidbarkeit aus Gus van Sants „Elephant“ oder die „Teenage Lust“ aus den Filmen und Fotografien von Larry Clark. Leben unter dem Damoklesschwert.
Wenig produktive Reibung
Das Regie-Duo entwirft zwar eine elaborierte Rahmenhandlung, doch sonderlich wichtig ist der dünne Plot nicht. Es geht eher um eine Atmosphäre, um den Bund von märchenhafter Schönheit und seelischen Abgründen.
Allerdings sind die Figuren keine guten Träger für das brüchige Lebensgefühl. Das ist die Crux der narrativen Allmacht, mit der Regisseure gesegnet sind – manchmal weiß man bei Figuren angesichts ihrer Formbarkeit nicht mehr, wo sie aufhören und die Filmwelt beginnt. Jeder Kopf ist schon zur nächsten Entwicklung gewendet, jedes Glied in Richtung Wendung gestreckt. Die produktiven Reibungen, die einen Film spannend machen können – etwa zwischen Welt und Figur oder Darsteller und Rolle – vermisst man bei „Bad Tales“ fast vollständig.
Die interessanteste Gestalt ist dabei abwesend, so körper- wie namenlos: der nur als Voiceover präsente Ich-Erzähler, eine ganz und gar literarische Kreation. Die Gestalt hinter dem Vorhang. Ein Mann, der im Altpapier das Tagebuch eines kleinen Mädchens entdeckt, „das, was ungesagt blieb“ faszinierend findet und es selbst fortschreibt. Kindlicher und erwachsener Blick, Logos und Mythos fließen zusammen, werden eins und ergeben die Perspektive des Films.
Die Vorstadt unter Beobachtung
Zumindest die angedachte, denn so recht kann die Form diesen Blick nicht abbilden. Manche Aufnahmen sollen wohl kindlich verspielt wirken. Etwa, wenn die Kamera aus den Untiefen eines Swimmingpools zu verschwommenen Kindern hinaufblickt. Oder wenn eine große Wasserschlacht in Zeitlupe bestritten wird und Gegenlicht und Unschärfe alles in weiche Euphorie verschmilzt.
Das Morgengrauen, der nüchterne Morgen nach dem Exzess, ist im Gegensatz dazu dann erwachsen. Aber auch die Panorama-Perspektive, der vermeintlich rationale Überblick. Ein Abendessen, das zum Familienstreit eskaliert, wird aus großer Entfernung gefilmt. Das ist ein wenig voyeuristisch, so als würde ihm die ganze Nachbarschaft beiwohnen. Eine Überwachungskamera, die zeigt, dass man in der Vorstadt unter Beobachtung steht.
Dass durch dieses bürgerliche Panoptikum Dinge nicht nur sichtbar gemacht werden, sondern im Gegenteil vieles noch stärker verdrängt und versteckt wird, weiß der Film natürlich. Gift und Bomben schlummern in Einbauschränken und Kinderzimmern. Also einerseits Aggressionen gegen andere, andererseits aber auch gegen sich selbst. Durch die Überdeutlichkeit des Films besteht die Spannung dann nur noch in der Frage, welches Ventil für den Druckablass genutzt wird. Alles andere ist vorbestimmt.
Man fragt sich, was der Erzähler hier eigentlich für das Ungesagte hält. „Ich will alles, was ich dahinter spüre“, erklärt er eingangs zur Geschichte, liefert dann aber kein Dahinter, nur Potemkinsche Dörfer.
Ein Antimärchen
Ein möglicher deutscher Titel wäre wohl „Antimärchen“ gewesen; in dieser Tradition platziert sich der Film. Märchen sind selten komplex. Ist Kindheit wirklich nur warmes Gegenlicht, das die Linse flutet, und Mündigkeit eine melancholische Taubheit? Ist nicht gerade das vermeintlich Erwachsene hier völlig naiv, und der herablassende Möchtegern-Bürgerschreck nicht eher eine Rolle für Adoleszente? Es gibt in „Bad Tales – Es war einmal ein Traum“ kein Gespür für die wahren Abgründe der mündigen Welt, sondern nur eine düsterkitschige Bestrafungsgier.
Damit ist nicht gemeint, dass man den bösen Spott irgendwann hinter sich lassen, und auch nicht einmal, dass sich alles endlos verkomplizieren müsste. Es wäre nur angebracht, wenn das Ergebnis hie und da interessant oder witzig wäre.
Wenn am Ende anscheinend doch ein Bewusstsein für die Schwächen von Erzählungen dieser Art existiert, fragt man sich, warum diese dann einfach wiederholt wurden? Man muss nicht erst auf eine heiße Herdplatte greifen, um festzustellen, dass anschließend die Hände schmerzen.