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Filmkritik
Er ist ein Unsympath, wie er im Buche steht. Das war offensichtlich einmal anders, als er sich noch mit seinem gut bezahlten Agentur-Job im hippen Berlin abgefunden und mit einer netten Frau eine Familie mit zwei Kindern gegründet hatte. Doch sein Glück fand er damit nicht. Trennung ist das Mittel seiner Wahl. Schweren Herzens, weil er als der Vater und Ehemann fehlt. Doch er will es noch einmal neu wissen.
Will er das wirklich? Noch hat er Netzwerke und Ziele. Selbstständigkeit und Selbstbestimmung lautet das große Ziel! Doch je mehr sich der Enddreißiger (Johannes Suhm) damit beschäftigt, stoisch nach vorne zu schauen, desto höher türmen sich die Trümmer seines alten Lebens. Da sind nicht nur Frau und Kinder, die sich nach ihm sehnen, auch wenn die sporadischen Treffen in Wut und Tränen enden. Auch sein Bruder Philipp (Max Mauff) ist mit seiner Lungenkrankheit mehr Last als Stütze. Und sein Vater (Hannes Hellmann), der weit entfernt in Stuttgart lebt, wirkt in letzter Zeit auch immer zerstreuter.
Die Wohnung und der Mercedes
„Der Mann der die Welt aß“ erzählt von Utopien und ihrer geringen Aussicht auf Erfolg. Er stellt einen Mann in den besten Jahren in den Mittelpunkt, dessen Lebenskonzept am fehlenden Kapital zu scheitern droht. Denn für Selbstständigkeit und Selbstbestimmung braucht man Kredite, Bürgen und Freunde. Doch das Einzige, was er besitzt, sind eine Luxuswohnung und ein Mercedes als Instrumente der Weltflucht. Dabei ist das Scheitern die wahrscheinlichste aller Optionen.
Obwohl all das schon schlimm genug wäre, zieht auch noch sein Vater mit zwei Koffern und einer Flasche Cognac bei ihm ein. In Stuttgart kann er, der zu vergesslich und zu dement geworden ist, nicht mehr leben; jetzt aber wird ja alles besser, weil sein Sohn endlich selbstständig wird.
„Der Mann der die Welt aß“ macht es den Zuschauern nicht leicht. Nicht nur, weil dem Film ein Sympathieträger fehlt. Drehbuchautor Nis-Momme Stockmann, der sein eigenes Theaterstück adaptiert hat, lässt dem namenlosen Protagonisten kaum eine Chance, an seinen Problemen zu wachsen. Er beschreibt einen Mann, der die Welt verzehrt und nicht erkennt, dass er selbst schon längst verdaut wird. Regisseur Johannes Suhm wählt für diese Chronologie eines Scheiterns kühle distanzierte Bilder aus einem Berlin, dem die Menschen egal zu sein scheinen. Als Hauptdarsteller ist Suhm deshalb ebenfalls darauf erpicht, jegliches Gefühl für seine Figur im Keim zu ersticken. Immer wenn man ein wenig Mitleid für den vom Schicksal gebeutelten Mann entwickelt, schlägt einem der Film ins Gesicht.
Ist er Opfer oder selbst verantwortlich?
„Ist er Opfer oder selbst verantwortlich für seinen persönlichen Niedergang?“, fragt ein Text in den Produktionsnotizen. Beides ist richtig. Doch was ist mit den Kollateralschäden? Während der Protagonist durch Schicksalsschläge und seine destruktiven Charaktereigenschaften zur Persona non grata avanciert, könnten im Gegenzug doch die Familienmitglieder als die wahren Opfer ins Zentrum der Handlung rücken. Das Drehbuch aber gesteht ihnen diese Rolle nicht zu. Selbst der Bruder und der Vater sind eigentümliche Statisten, deren Charaktere zwar mit viel Emotionalität gefüllt, dann aber krass ignoriert werden.
Fatal ist dies insbesondere im Falle des kranken Vaters, dessen Demenz fast stoisch übergangen wird. Ist das komplizierte Verhältnis zwischen Vater und Sohn eine Folge einer (verfehlten) Erziehungsleistung? Oder eine akute Reaktion, weil der Vater jetzt nicht mehr so „funktioniert“, wie er soll? Ist der Ballast, den der Sohn herumschleppt, tradiert oder lediglich eine Folge der gerade aus dem Ruder laufenden Lebensumstände? Der Film bleibt in seinen allzu kurzen 80 Minuten auffällig vage. Wenn am Ende bei Vater und Sohn die Erkenntnis reift, dass ihnen nicht mehr bleibt als das Miteinander, dann ist das nur ein schwacher Trost. Auch fürs Publikum.