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Filmkritik
Ein Jegliches hat seine Zeit. Und seinen Ort, möchte man hinzufügen. Es gibt eine Zeit des Friedens und eine des Krieges, eine problembewusste, politisch engagierte und eine für Eskapismus und amüsante Belanglosigkeiten. Ein Film kann sich durchaus gegen den Geist seiner Zeit stellen. Dann aber braucht er ein kraftvoll-innovatives Drehbuch oder eine Riege überzeugender und von ihrer Sache überzeugter Darsteller. Wenn beides nicht der Fall ist, entsteht ein Problem – für den Film wie fürs Publikum.
Das Ende der Welt begießen
In den Schweizer Alpen, inmitten eines verschneiten Tals, steht ein imposantes Bauwerk mit märchenhafter Atmosphäre, irgendwo zwischen Schloss Neuschwanstein und Disney Castle. „The Palace“ ist ein Fünf-Sterne-Superior-Luxushotel unter der Leitung des akkuraten Deutschschweizers Hansueli Kopf (Oliver Masucci), in dem sich regelmäßig eine Meute extrem reicher und illustrer Gäste zu frivolen Vergnügungen einfindet. Manche sind alte Bekannte, andere treffen das erste Mal aufeinander. Auch in der Silvesternacht des Jahres 1999 kommen sie aus aller Welt, vornehmlich den USA, zusammen, um gemeinsam das Ende des Jahrtausends und – angesichts des Untergang verheißenden „Millennium Bugs“ – vielleicht sogar das Ende der Welt zu begießen.
Doch mit dem äußeren Handlungsgerüst des Films von Roman Polanski ist bald auch schon sein Ziel, seine artistische „Raison d’être“, umrissen. Denn ästhetisch wirkt „The Palace“ wie ein seichtes Amüsierstück aus dem Vorabendprogramm. Nirgendwo wird die künstlerische Handschrift eines der bedeutendsten Regisseure des europäischen Autorenkinos sicht- und spürbar. Verzweifelt sucht man nach Spuren eines vielfachen Textsinns, nach einem doppelten Boden des Plots oder einer nur allzu gut chiffrierten satirischen Botschaft in oder hinter den Bildern, die Polanski seinem Wunschprojekt doch eingeschrieben haben muss – und beginnt beinahe an sich selbst zu zweifeln, weil man nicht fündig wird.
Fragen drängen sich auf, so hoch wie der üppig liegende Kunstschnee um den Palast: Tragen die Figuren nur vom „Schönheits“-Chirurgen Dr. Lima (Joaquim de Almeida) besonders festgezurrte Gesellschaftsmasken oder haben sie in überwältigender Mehrheit tatsächlich keinerlei Abgründe hinter ihren eitlen Existenzen zu verbergen? Kann man wirklich so heiter-unbedarft mit Klischees aller Art, etwa des Geschlechts, des Herkommens, der sozialen Perspektive, umspringen? Oder darf man nicht vielmehr etwas mehr aufklärerischen Geist und Gestus erwarten? Und wie steht es um eine Komödie, die ausschließlich mit zotigem oder fäkalem Humor aufzuwarten weiß? Denn etwa anderes will „The Palace“ offensichtlich nicht sein. Weder ist der Film ein heiter-versöhnlicher Reigen wie etwa die Spätwerke von Federico Fellini oder Robert Altman, noch verhandelt er seine vage erkennbare, sehr generische Thematik – das grimme Alter ruiniert unnachsichtig Ruhm und Schönheit – mit so viel poetischer Fantasie, wie es etwa Ingmar Bergman vermocht hätte.
Eine wahre Menagerie
Die Figuren sind durchgängig eindimensionale Pappkameraden, denen zu Beginn ein Etikett angeheftet wird und deren Geschichten sich nicht oder kaum miteinander verweben oder entwickeln. Die Gräfin de La Valle (Fanny Ardant) bekümmert sich gleichermaßen leidenschaftlich um die Folgen ihres letzten Liftings wie um die Ausscheidungen ihres Schoßhündchens. Arthur Duncan Dallas III (John Cleese) ist und bleibt der geile Alte mit obszön junger Gefährtin (Bronwyn James), und worauf der abgehalfterte Pornostar „Bongo“ Minetti (Luca Barbareschi) reduziert wird, lässt sich denken. Nur die Absichten des windigen Finanzjongleurs mit dem sprechenden Namen Bill Crush, den Mickey Rourke mit dem Mut der Verzweiflung spielt, bleiben im Unklaren, es sei denn, er habe es nur darauf abgesehen, seinen hündischen Berater (Milan Peschel) mit Unmengen Champagner zugrunde zu richten. Überhaupt Menschen und Tiere! Polanski inszeniert das Hotel als Menagerie inklusive eines lebenden Pinguins.
Es ist jammerschade um das hier versammelte (und vergeudete) schauspielerische Potenzial! Selbst der mit Abstand beste Darsteller Oliver Masucci agiert hier wie ein trottelig-gestrenger Theo Lingen. Darauf kann man eigentlich nur wie die Gattin von Dr. Lima reagieren, die in vollständiger Katatonie alles über sich ergehen lässt – die einzig abgründige Figur unter allen oberflächlichen Gestalten.
Wenig Fortune hatte Polanski auch mit dem welthistorischen Timing des Films. Zwar hat Wladimir Putin just an diesem Silvestertag des Jahres 1999 die Amtsgeschäfte von dem alkoholisch schwer angeschlagenen Boris Jelzin übernommen. Doch dies länglich mit originalen Bildern und Tönen des russischen Fernsehens zu illustrieren und eine mafiöse Bande junger Russen darob ihre Profit-Aussichten feiern zu lassen, bezeugt schlechten Geschmack; diese Episode hätte in der Postproduktion radikal überarbeitet werden müssen.
Aus der Zeit gefallen
Ein jegliches hat seine Zeit. „The Palace“ aber und mit ihm sein Regisseur Roman Polanski sind angesichts der Unmenge an Unzeitgemäßem sowie vieler handwerklicher Fehler schlicht aus der Zeit gefallen. Zudem verfestigt sich der Eindruck, dass das Aufgebot (ehemaliger) Weltklasseschauspieler nur durch die Aussicht auf erholsame Tage oder Wochen in Gstaad zum Mitmachen bewegt werden konnte. Polanski scheint all dies auch dunkel geahnt zu haben; denn die finale Szene des Films kann man kaum anders denn als Affront gegenüber dem Publikum deuten.