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Filmplakat von Saf

Saf

102 min | Drama
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Kamil, ein gutherziger Arbeiter, nimmt einen Job auf einer benachbarten Baustelle an. Als Widerständler gegen die städtische Wandlung widerspricht dies jedoch seinen Prinzipien. Sein Vorgänger bei dieser Arbeit, ein syrischer Flüchtling, möchte seine Stelle zurück, was einen Konflikt mit Kamil provoziert. Doch Unterdrückung und Angst in Kamils Nachbarschaft und bei seiner Arbeit führen dazu, dass Kamil bei einem Unfall ums Leben kommt. Nun muss sich seine Frau den Konsequenzen seiner Taten stellen. Quelle: realfictionfilme.de

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Filmkritik

Fahles Licht liegt über der Baustelle im Istanbuler Stadtteil Fikirtepe; unter den Arbeitern herrscht eine gereizte Stimmung. Nur der junge Kamil versucht die aufgebrachten Männer zu besänftigen, die sich über Flüchtlinge aus Syrien erregen, weil die ihnen die Jobs wegnehmen. Schon die ersten Bilder geben den Ton vor für das bittere Sozialdrama von Ali Vatansever vor. Auch Kamil und seine Frau Remziye wohnen in Fikirtepe, einem einfachen Bezirk im asiatischen Teil von Istanbul. Viele ihrer Nachbarn haben ihre Häuser schon an einen großen Konzern verkauft, der hier moderne Hochhäuser errichten will. Doch es regt sich auch Widerstand gegen die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung.

Kamil und seine Frau Remziye, die sich ein Kind wünscht und bei einer wohlhabenden Familie als Haushälterin arbeitet, wollen ihr Haus ebenfalls behalten. Bislang hat sich Kamil auch geweigert, seine Kollegen zu hintergehen. Doch da der Druck immer mehr steigt, akzeptiert Kamil schließlich doch den Job eines Baggerfahrers bei einer der Firmen, die die verhasste Gentrifizierung in seinem Viertel vorantreiben. Allerdings erhält er dafür nur den gleichen Dumpinglohn wie sein Vorgänger, der syrische Migrant Ammar. Und als die anderen davon erfahren, sieht er sich auch noch heftigen Anfeindungen ausgesetzt, weil seine Kollegen Tarifflucht rabiat bekämpfen.

Kamil versucht, sein schlechtes Gewissen gegenüber Ammar zu besänftigen, indem er dessen Familie in ihrer schäbigen Notunterkunft mit Essen versorgt. Doch der empörte Ammar will keine Almosen, sondern seinen Job zurück. Kamil wird immer verzweifelter, bis er eines Nachts Ammar im Treppenhaus angreift. Dabei stürzt er selbst unglücklich in die Tiefe. Tagelang sucht seine Frau nach ihm, den auf der Baustelle plötzlich niemand mehr zu kennen scheint.

Nach der Hälfte wechselt die Perspektive

Es gibt Filme, die sich selbst das Leben schwer machen. „Saf“ gehört dazu. Das hat unter anderem damit zu tun, dass er zu viele Konflikte ins Visier nimmt. Der Film erzählt von Arbeitslosigkeit und Armut, von Schwarzarbeit und Ausbeutung, von Gentrifizierung und Tarifstreitigkeiten. Aber auch noch von Migration, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Außerdem wechselt der Film mittendrin die Erzählperspektive. Folgt die Kamera zunächst Kamil, so rückt nach dessen Verschwinden Remziye in den Mittelpunkt. Damit aber bremst der Film sich selbst aus und erschwert die emotionale Anteilnahme.

Der türkische Filmtitel ist vieldeutig: „Saf“ bedeutet „leichtgläubig“, „naiv“, „rein“, aber auch „ein bisschen verrückt“ und „Position beziehen“. Vor allem letztere Bedeutungsvariante hat Regisseur Ali Vatansever im Blick. Denn die Figuren, allen voran Kamil und Remziye, müssen inmitten der vielfältigen Konflikte immer wieder Position beziehen.

Der in Istanbul lebende Filmemacher Vatansever arbeitet eindringlich heraus, dass selbst der größte Idealist scheitern muss, wenn die Verhältnisse nur trist genug sind. Seine scharfe Kritik an der Misere der Arbeiterschaft, an ausbeuterischen Praktiken, kapitalistischer Profitgier und tiefsitzenden Ressentiments gegenüber Geflüchteten erinnert dabei immer wieder an die kämpferischen Filme des britischen Sozialisten Ken Loach.

Ethos & alltagstauglicher Pragmatismus

Verstärkt wird die triste Atmosphäre durch viele Nachtaufnahmen und den Verzicht auf musikalische Untermalung. Nicht alle Feinheiten der anspielungsreich inszenierten Machenschaften der lokalen Baulöwen erschließen sich einem nichttürkischen Publikum; dennoch fällt die Handlung prägnant genug aus, um ohne große Mühe Bezüge zu vergleichbaren Entwicklungen in anderen Ländern herzustellen.

Dass der Funke nicht so richtig überspringen will, liegt auch daran, dass Erol Afsin den Gutmenschen Kamil mit minimaler Gestik und stoischem Gleichmut verkörpert, bevor sich das Böse, getrieben von Existenznöten, auch in seinem Herzen regt. Als besorgte Ehefrau mit gesundem Pragmatismus sammelt Saadet Isil Aksoy hingegen mehr Sympathiepunkte, schon allein durch ihren alltagstauglichen Pragmatismus. Anders als Kamil hält sie bis zum Schluss an ihrem Ethos fest. So unterläuft sie eine Intrige einer Freundin gegen eine Schwarzarbeiterin, die ihr selbst einen besseren Job eingebracht hätte; stattdessen hilft sie der Rumänin, ihren Pass zurückzubekommen, den ihre Chefin einbehalten hatte.

Wer macht den ersten Schritt?

Da Remziyes Leidensdruck größer ist als der von Kamil, gewinnt die düstere Inszenierung im zweiten Teil immer mehr an emotionaler Kraft und mündet erst kurz vor Schluss in eine Szene, in der die Darsteller Saadet Isil Aksoy und Kida Khodr Ramadan zu Höchstform auflaufen. Zunächst sitzen sich die beiden verletzten Seelen im Besucherraum des Gefängnisses feindlich gegenüber; der verzweifelte Ammar bangt um seine Familie, und Remziye will endlich wissen, was passiert ist. Wer macht den ersten Schritt und kommt aus der Reserve heraus?

Erschienen auf filmdienst.deSafVon: Reinhard Kleber (28.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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