- RegieRon Howard
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2013
- Dauer122 Minuten
- GenreDramaActionSportBiographieNobleCinemaWide
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating8/10 (396497) Stimmen
Cast
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Filmkritik
Die Formel-1-Saison des Jahres 1976 war an Dramatik nicht zu überbieten. Vor dem letzten Rennen in Fuji trennten den amtierenden Weltmeister Niki Lauda und seinen Herausforderer James Hunt nur drei Punkte, wobei die Witterungsbedingungen eine Neuauflage jenes Ereignisses befürchten ließen, das die Saison überschattet hatte: Es goss wie aus Kübeln, weshalb eine Absage des Rennens diskutiert und verworfen wurde – wie drei Monate zuvor am Nürburgring. Angesichts von Dauerregen hatte Lauda damals einen Rennstart für zu riskant gehalten und versucht, die anderen Fahrer zum Boykott zu überreden. Doch er war überstimmt und daraufhin in jenen Horror-Unfall verwickelt worden, dessen Spuren noch heute sein Gesicht entstellen. Umso sensationeller war es, dass der Österreicher schon 42 Tage später seinen Helm über die Brandwunden zwängte, um in Monza sogleich ein Stück jenes Vorsprungs aufzuholen, den sein englischer Konkurrent derweil in der Gesamtwertung aufgebaut hatte. Weil kein Drehbucheinfall und kein Regieakzent diese Geschichte übertrumpfen könnten, zeichnet der Plot von „Rush“ über weite Strecken einfach den Verlauf der 1976er Saison nach. Dabei benutzen Drehbuchautor Peter Morgan und Regisseur Ron Howard den berüchtigten Crash als dramaturgischen Dreh- und Angelpunkt und greifen ihm zu Beginn kurz vor, indem sie Bilder der Startvorbereitungen am Nürburgring einstreuen und aus dem Off subjektiv kommentieren lassen. Bevor die Handlung dann auf jenes schicksalhafte Rennen zusteuert, wird die Vorgeschichte der Rivalität von Lauda und Hunt skizziert, die sich Anfang der 1970er-Jahre in der Formel 3 erstmals begegneten. Während der Plot zwischen den beiden Protagonisten alterniert, suggeriert der flotte, lockere Erzählrhythmus den attraktiven Leichtsinn, der in jenen Jahren den Rennsport umwehte, denn, wie mehrere Dialoge klarmachen, bezahlten die Fahrer damals für die Raserei noch regelmäßig mit dem Leben. Ein sorgfältiges Production Design lässt indes das Zeitkolorit der legeren 1970er-Jahre wieder aufleben – wobei die Schnittfrequenz freilich um ein Vielfaches höher ist als im berühmtesten Rennfahrer-Film jener Dekade, „Le Mans“ (fd 17 559). Die Kamerafilter, die düstere Wolkenhimmel besonders unheilvoll wirken lassen, erinnern eher an „Tage des Donners“ (fd 18 276). Gerade im Vergleich mit Genrevorbildern fällt auf, wie wenige Rennaufnahmen man in den ersten eineinhalb Stunden zu sehen bekommt. „Rush“ verlässt sich nicht auf den Reiz der Rasanz, sondern legt den Stoff als Charakterstudie an. Dass sich die dramaturgische Dynamik dabei aus der Gegensätzlichkeit der Hauptfiguren und aus dem distanzierten Verhältnis der Kontrahenten ergibt, erinnert an andere Filme, zu denen Peter Morgan die Drehbücher verfasst hat, etwa „Die Queen“ (fd 37 965). Vor allem aber erinnert die Dynamik der Figuren an die letzte Zusammenarbeit des Drehbuchautors mit Ron Howard: an „Frost/Nixon“ (fd 39 103). Dabei füllt Hunt den Part des smarten Charismatikers aus. Dem blonden Lebemann fliegen die Herzen (vor allem junger Frauen) scharenweise zu, und sein waghalsiger Fahrstil erscheint als Ventil angeborener Tollkühnheit. In der scheinbar mühelosen Darstellung des Australiers Chris Hemworth wirkt der Sunnyboy sogar noch strahlender als das historische Vorbild. Die entwaffnende Nonchalance, mit der er sich vor jedem Rennen übergibt, lässt selbst den einzigen stummen Ausdruck von Todesfurcht irgendwie frech wirken. Hunts Gegenspieler bekommt dagegen mehrfach jenen Spitznamen zu hören, den man Lauda im Fahrerlager wegen seines Überbisses verpasst hatte: „Ratte“. Der Österreicher erscheint als verbohrter, verstockter Kauz, der sich in seiner Haut unmöglich wohl fühlen kann. Glaubt man dem Film, dessen Figurenzeichnung auch auf Gesprächen mit dem inzwischen 64-jährigen Lauda beruht, hatte der Rennfahrer riesiges Glück, eine Ehefrau zu finden, die seinen Quasi-Autismus offenbar intuitiv verstand; Alexandra Maria Lara verleiht Laudas erster Ehefrau eine entsprechend bodenständige Souveränität. Doch so wie „Frost/Nixon“ durch den Kontrast mit dem geschmeidigen David Frost Sympathie für Nixon schuf, so lässt auch „Rush“ mit umso mehr mit dem Technokraten Lauda mitfühlen, den Daniel Brühl ebenso intensiv wie unaufdringlich spielt, je mehr Hunt lacht und strahlt. Die besondere Qualität dieses ebenso unterhaltsamen wie ernsten Films liegt indes darin begründet, dass man letztlich keinen der beiden restlos versteht. Zwar buchstabieren Dialoge explizit aus, welche Motive Lauda und Hunt antreiben. Doch spätestens, wenn der Abspann über die Vita der beiden informiert, tut sich ein Widerspruch auf: denn nachdem klar ist, dass Hunt sich nur im Angesicht akuter Todesgefahr wirklich lebendig fühlt, fällt es schwer zu verstehen, warum der Haudegen nach der 76er-Saison seine Karriere beendete. Und umgekehrt bleibt es rätselhaft, warum der Rationalist Lauda, der seine Risikobereitschaft zuvor genau beziffert hatte, noch viele Jahre im Kreis herumraste. „Rush“ mutet Widersprüche zu, wie sie echte Menschen nun einmal ausmachen. Was herkömmlichen Biopic-Regeln widerspricht, aber gerade deshalb gut ist.