ITALIENISCHE FILMREIHE "CORAGGIO": ROMA CITTA APERTA - ROM, OFFENE STADT
- RegieRoberto Rossellini
- ProduktionsländerItalien
- Dauer100 Minuten
- GenreDramaThrillerKriegsfilm
- Cast
- IMDb Rating8/10 (17287) Stimmen
Vorstellungen
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Filmkritik
Nach 16 Jahren ist diese in die Filmgeschichte eingegangene "Tragödie einer Stadt" auch bei uns öffentlich zu sehen. Roberto Rossellini drehte den Film unter Drehbuchhilfe von Federico Fellini mit wenigen Berufsschauspielern und vielen Darstellern aus dem Volke unmittelbar nach dem Abzug der deutschen Truppen aus Rom. Er wurde das klassische Zeugnis des italienischen Neorealismus. In der Bundesrepublik gab ihn die "Freiwillige Selbstkontrolle", als er ihr 1952 vorgelegt wurde, zunächst nur für "geschlossene Vorführungen" frei. Die FSK fürchtete damals, daß zu viele Kinobesucher nicht vermocht hätten, in ihm etwas anderes zu sehen als eine "völkerverhetzende" Abrechnung mit den Deutschen und den italienischen Kollaborateuren. Noch jetzt hält sie es für notwendig, in einem besonderen Vorspann zu versichern, daß sich "die Handlung nicht gegen das deutsche Volk richte und nicht den deutschen Soldaten anklage". In der Tat fällt dieser oft harte Film in seiner leidenschaftlichen Unmittelbarkeit und der Spontanität einer Rache, wie sie nur der Südländer kennt, ganz aus dem Rahmen der heute wieder betriebenen Schonung vermeintlicher und wirklicher nationaler Empfindlichkeiten. Rossellini stellt seine Kamera in ein römisches Stadtviertel von 1944, wo Männer des zivilen Widerstandes Unterschlupf und Verbindungen suchen, um die Besatzungsmacht mit den Mitteln der Untergrundbewegung zu bekämpfen. Im Verein mit dem kollaborierenden Polizeipräsidenten von Rom und den faschistischen Resttruppen foltert und mordet die SS die Zivilbevölkerung; Terrorakte sollen die Kampfkraft der deutschen Truppen vor den Sabotageakten der Resistance schützen. Wie dieser "Truppenschutz" unter Leitung eines fanatischen SS-Sturmbannführers als blutiger Schatten auf die Bevölkerung fällt, das füllt den Film zu einem nicht geringen Teil. In der deutschen Fassung sind die beispiellosen Folterszenen des Originals wohl vom Verleih schon zurechtgeschnitten worden; ins Bild kommt mehr das blutige Ergebnis der Bestialität als diese selbst. Doch gerade diese Szenen haben in dem Film, der ja auf der Gegenüberstellung von Antlitz und Fratze beruht, bei aller grausamen Naturalistik des Bildlichen ihre Funktion. Dabei wird als Ergebnis der heute anderen, aus der zeitlichen Distanz gewonnenen Perspektive sichtbar, daß sich auch mit der Gewalt der Resistance auf die Dauer keine Probleme lösen lassen. Seine künstlerischen und menschlichen Höhepunkte gewinnt der Film, wenn er das typische Zeiterlebnis spiegelt und die römische Volksseele erfaßt. Neben der Figur des Widerständlers, in der sich alles Leid des Kreatürlichen erschütternd sammelt, ist da die Witwe mit dem kleinen Buben (Anna Magnani), die, von ihrem Geliebten schwanger, kurz vor der Trauung steht und bei der Razzia zu Tode kommt. Doch mehr und mehr schiebt sich aus dem Kreise der mit menschlichen Schwächen und Stärken gezeichneten Männer der Resistance die Gestalt des Priesters in den Vordergrund. Sie hebt den Film aus der Sphäre des Gewalttätigen in den Bereich des Geistigen und verdeutlicht Gottes Gnade in Wort und Tat, wenn er in den Ring der Kämpfenden, Leidenden und Sterbenden einbezogen wird und selbst durch Genickschuß den Tod findet. In diesen Gestalten, die ihr Schicksal in Stolz wie in Demut tragen, offenbart sich die liebende und leidende Fähigkeit des Menschen als Triumph über Ungeist, Fanatismus und Verfolgung. Hier, wie in den Szenen, wo die Bürde und Würde des Priesters in der Grenzsituation erschütternd offenbar wird, ist auch Fellinis Mitwirkung am Drehbuch am stärksten spürbar. Parallel dazu verläuft die Judasgeschichte vom Verrat, die den Menschen auf der untersten Gesinnungsstufe zeigt. Doch verpufft hier die Wirkung, da - neben einer Beimengung lesbischer Motive - mit gängigen Kinoelementen (Rauschgiftsüchtige in der Hand einer SS-Komplicin als Verräterin) gearbeitet wurde. Stildurchbrechend wirkt sich in dieser von kompromißloser Härte bestimmten Chronik das zeitweilige Pathos in den Freiheits- und Zukunftsschilderungen mit ihren pseudo-dichterisch auftragenden Worten aus. Die in ihnen steckende "Vision eines (Antifa-) Glaubens, den man stark genug glaubte, um über die Trennung des Volkes in die schon sich abzeichnenden neuen politischen Parteiungen hinweg zu einer Haltung zu gelangen, die den Bruder im Menschen achten würde" (Schlappner), hat sich denn ja auch als recht unrealistisch erwiesen, wie heute jedermann weiß.