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Filmplakat von Return to Seoul

Return to Seoul

115 min | Drama | FSK 12
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Freddie (Park Ji-min) wurde nach ihrer Geburt in Korea von einem französichen Paar adoptiert. Mittlerweile ist sie eine 25-jährige Französin. Sie kehrt zum ersten Mal zurück nach Korea, in das Land, in dem sie geboren wurde, um ihre leiblichen Eltern und somit ihre Wurzeln ausfindig zu machen, doch ihre Reise nimmt eine überraschende Wendung.

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Filmkritik

Ob sie den Ausdruck „Vom Blatt lesen“ kennen, will Frédérique von ihren neuen Freunden wissen. Die junge Französin, Adoptivkind und Tochter unbekannter südkoreanischer Eltern, ist gerade in Korea angekommen, einem Land, von dem sie rein gar nichts weiß und dessen kulturelle Regeln sie mit fast boshafter Genugtuung missachtet. „Freddie“ erklärt, es gehe darum, die Partitur auf einen Blick zu erfassen und ohne vorheriges Üben zu „spielen“. Dass sie dabei nicht von Musik spricht, sondern das Leben meint, demonstriert sie noch an Ort und Stelle einer Soju-Bar. Vor den ängstlichen Augen ihrer scheuen Freundin Tena setzt sie sich ungefragt zu einer Gruppe junger Männer und holt andere Gäste dazu. Die Irritation und Überforderung der Anwesenden scheint sie zu genießen. Eine überrumpelte Frau meint, sie sei „speziell“. Am nächsten Morgen erwacht Freddie neben einem der Männer aus der Runde. Nachdem sie ihre Orientierung wiedergewonnen hat, teilt sie ihm ohne Umschweife mit, was sie will: „Sex again, you and me. Okay?“

Das Blattspiel ist in „Return to Seoul“ von Davy Chou vieles; für Freddie ist es ein Mittel, um soziale Situationen aufzumischen, sie zu chaotisieren – eine Art Lebensstrategie, die es ihr erlaubt, Menschen auf Abstand zu halten und sich selbst immer wieder neu zu erfinden. Für den Regisseur ist es ein dramaturgisches Prinzip. Mit jedem Zeitsprung in der Erzählung, mit jedem Versuch Freddies, den durch die Adoption erlittenen Identitätsverlust mit einem neuen Ich zu füllen, findet man sich auch in einem etwas anderen Film wieder. Als Freddie sich als etwas gefährlich wirkende Frau (oder Kinoheldin) in schwarzem Lederpanzer neu erfindet und tief ins Nachtleben von Seoul abtaucht, wirkt „Return to Seoul“ fast wie ein Film noir.

Auf der Suche nach den Eltern

Über einen Zeitraum von acht Jahren begleitet „Return to Seoul“ Freddie bei der Suche nach ihren biologischen Eltern. Die bildende Künstlerin Park Ji-Min spielt die unberechenbare junge Frau mitreißend und an der Grenze zwischen anziehend und unsympathisch. Während soziale Umgebungen ausgetauscht werden und sich Erscheinungsbild und Selbstdarstellung wandeln – die impulsive Unruhestifterin, die alkoholabstinente Businessfrau, die Geschäfte mit Waffenhändlern macht, die Backpackerin in abgeschiedener Natur – bleiben Treffen mit der Adoptionsbehörde eine Konstante. Nach ihrem ersten Besuch sind die Adressen der Eltern schnell ausfindig gemacht, doch nur der Vater antwortet (vorerst) auf ihr Telegramm und möchte sie sehen.

Die Begegnungen mit ihm und seiner Familie sind so unbehaglich wie verwirrend. Die Scham darüber, das Kind aus wirtschaftlicher Not weggegeben zu haben, schwappt als Welle von Kummer und Selbstmitleid zurück. Sprachbarrieren erschweren die Kommunikation zusätzlich. Eine Tante wirft Yeon-hee, so Freddies Geburtsname, grobe Brocken von Englisch zu, ihre Freundin Tena wiederum, die sie zum ersten Treffen begleitet, bügelt Freddies auf Französisch vorgebrachte Schroffheiten durch eine recht freie – und höfliche – Übersetzung zurecht. Von den Text- und Audionachrichten, mit denen der Vater sie bald im Vollrausch überschwemmt, fühlt sich Freddie „zugekotzt“. Sie selbst bleibt distanziert, verweigert sich jeder Sentimentalisierung; ein Paar Ballerinas, die der Vater ihr auf einem Markt kauft, lässt sie absichtlich im Wald stehen.

Identität als komplexe Größe

Davy Chou, in Frankreich geborener und aufgewachsener Sohn kambodschanischer Eltern, begreift Identität als ein komplexes Gemisch von Fremd- und Selbstzuschreibungen, kultureller Prägungen, Projektionen und Herkunftsgeschichten. Auf Zuweisungen von außen reagiert Freddie allergisch; die plumpen Versuche des Vaters, sie in die (patriarchale) koreanische Gesellschaft einzugemeinden, weist sie zurück. Das Verhältnis bleibt auch nach Jahren angeschlagen, selbst wenn es zaghafte Schritte der Annäherung gibt.

Die Leerstelle, die die Adoption und insbesondere die Abwesenheit der Mutter in Freddies Leben gerissen hat, ist mal mehr, mal weniger präsent und schmerzvoll. Freddie geht neue Beziehungen ein und findet, so scheint es, für sich einen Platz. Doch auch wenn sie nun mehr bei „sich“ angekommen wirkt, was auch immer dieses „sich“ sein soll, ist sie jederzeit bereit, alles über Bord zu werfen. „Ich könnte dich aus meinem Leben löschen. Mit einem Fingerschnippen“, sagt sie zu ihrem vorübergehenden Lebensgefährten.

Ankommen und Aufbrechen

So wie Freddie in ihrem ständigen Identitätswechsel schwer zu greifen ist – wie sie sucht man auch als Zuschauer:innen nach einem Kern –, vereinigt auch „Return to Seoul“ die verschiedensten Eigenschaften: von berührend und herzzerreißend über kühl und elegant bis hin zu komisch. Das Ankommen, so viel ist sicher, ist immer nur eine Station zum nächsten Aufbruch.

Erschienen auf filmdienst.deReturn to SeoulVon: Esther Buss (16.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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