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Filmkritik
Die Jahrhunderte im Dienst von Graf Dracula (Nicolas Cage) haben ihre Spuren hinterlassen. Immerzu muss der erschöpfte und völlig verunsicherte Renfield (Nicholas Hoult) den Meister mit frischem Blut versorgen, Opfer heranschaffen. Und wenn sich der Fürst der Finsternis am Tageslicht mal wieder versengt hat, gilt es, dem deformierten Fleischklumpen wieder zu voller Stärke zu verhelfen.
Psychische Überlastung ist also gar kein Ausdruck mehr. Denn nie, wirklich nie ist es genug. Mal soll es eine Gruppe Nonnen sein, mal ein ganzer Bus voller Cheerleader. Angekommen im New Orleans unserer Gegenwart, hat Renfield endgültig genug vom Machtgebaren seines Herren und all dem Morden. So sucht er sich Hilfe bei einer Selbsthilfegruppe für Menschen, die sich nicht aus verhängnisvollen, toxischen Beziehungen lösen können. Wie aber erklärt man den anderen, dass ausgerechnet Graf Dracula der Chef ist und man selbst nach dem Verzehr von Insekten übermenschliche Kräfte bekommt? Von der eigenen Unsterblichkeit mal ganz zu schweigen!
Mit vereinten Kräften gegen die Mafia
Bis Renfield auf diese Fragen eine Antwort findet, hat er sich mit ordentlich Herzklopfen in ganz andere Probleme hineinmanövriert: In einer Bar verguckt er sich in die Streifenpolizistin Rebecca (Awkwafina). Die ist durch ihre hartnäckigen Ermittlungen auf der Todesliste der Mafia gelandet, will diese aber ihrerseits für den Tod ihres Vaters büßen lassen. Der beherzte Beistand von Renfield und seinen Kräften kommt da eigentlich ganz gelegen. Nach einigem Hin und Her rauft sich das Duo zusammen, um der Unterwelt die Stirn zu bieten.
Zu allem – auch erzählerischen – Überfluss turnt selbstverständlich auch noch der blutsaugende Graf herum. Der kann Renfields Disziplinlosigkeit nun wahrlich nicht dulden, zumal er das erste Mal in all den Jahrhunderten echte Weltherrschaftspläne gefasst hat. Die Folge aus all dem Durcheinander: Eine ziemlich blutige, Gedärm und Gliedmaßen zerfetzende Angelegenheit. Jeder Kampf in diesem überfrachteten und letztlich wirren Film wird zu einer durchchoreografierten Splatterorgie aufgeblasen, in der Köpfe zertreten, Wirbelsäulen zertrümmert und Menschen mit den ausgerissenen Armen des Nebenmannes durchbohrt werden.
Kurzschluss von Brachialgewalt und Humor
All das ist derart grell überzeichnet, dass „Renfield“ wie ein Remix von „Deadpool“ mit Vampiren wirkt: ein Superheldenfilm mit etwas anderen Vorzeichen. Herausgekommen ist ein wilder Genremix, der in seinem Kurzschluss von brachialer Gewalt und Humor keine halben Sachen macht und gerade deshalb so ungemein bieder und kalkuliert daherkommt. War Splatter zu Zeiten von Peter Jackson und seinem „Braindead“ mal im subversiven Untergrund zu verorten, sind Blut und Innereien inzwischen im Mainstream angekommen: geglättet, von jeglicher schmerzhaften Irritation bereinigt. Auch die finnische Nazischlachterei „Sisu“ ist aktuell ein Vertreter dieser Gewaltfilme ohne Schmerz. Wenn man will, kann man ein Muster erkennen.
„Renfield“ beginnt dabei eigentlich ganz vielversprechend: Die Idee mit der Selbsthilfegruppe ist großartig, Nicolas Cage macht das, was man von ihm ohnehin erwartet. Durch sein extrovertiertes, ja expressionistisches Spiel verleiht er seiner Interpretation der klassischen Schauerfigur eine überdreht-aristokratische Manieriertheit, die er bis in den schillerndsten Narzissmus hinein auskostet. Nein, unter so einem Chef möchte wirklich niemand arbeiten: Die Dialoge zwischen Cage und Hoult sind in der Tat hinreißend komisch.
Leere, gefüllt mit Übertreibung
Vielleicht hätte sich der Film eben darauf konzentrieren sollen, statt sich in all seinen Nebensträngen, faden Gangsterfiguren und ungelenk-romantischen Szenen zu verlieren. Sehr schnell wird deutlich, dass dies erzähl-ökonomisch unmöglich in 93 Minuten zu stemmen ist. Die Figuren bleiben leer, reine Funktionen, um die Actionszenen miteinander zu verbinden. Diese Leere kann letztlich nur durch Übertreibung ausgefüllt werden. Und die Gewalt? Die wirkt wie Konfetti, harmlos und banal: Wie etwas, dass man heute in Filme hineinschiebt, weil es ein Publikum dafür gibt. Das macht die Sache dann aber keinesfalls besser. „Renfield“ ist simpelster „Content“ und noch dazu sehr schnell vergessen.