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Filmplakat von Remi - Sein größtes Abenteuer

Remi - Sein größtes Abenteuer

109 min | Drama, Familie | FSK 6
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Der Waisenjunge Rémi wird von der sanftmütigen Friseurin Madam Barberin aufgezogen. Doch dann gerät er im Alter von zehn Jahren in die Obhut eines fahrenden Musikanten, der ihn mit auf Wanderschaft nimmt. An dessen Seite und in Begleitung von dem Hund Capi und dem kleinen Affen Joli-Coeur reist der Junge durch ganz Frankreich und kommt schließlich dem Geheimnis seiner Herkunft auf die Spur.

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Filmkritik

Die Nacht ist bedrohlich, es donnert und blitzt, Kinder rennen furchtsam durch ein Schloss, bis ein älterer Herr kommt und ihnen eine Geschichte zur Beruhigung erzählt. So entsteht ein bisschen Horrorfilm-Flair, der Zuschauer soll aufgeschreckt werden, damit er für die großen Gefühle bereit ist, die der Film „Rémi“ gleich in langer Rückblende romantisch ausbreiten wird.

Diese Romantik hat bereits hundert Jahre lang gut funktioniert: „Rémi“ ist eine Verfilmung des Romans „Sans Famille“, den Hector Malot 1878 schrieb. Seitdem lieferte das Buch Vorlagen für etliche Filme, die sich alle nicht weit vom Original entfernten. Der erste entstand 1914, produziert von den Brüdern Pathé, der zweite 1925. Danach wurde der Stoff in fast jedem Jahrzehnt wieder aufgegriffen, in Frankreich oder Italien mit großen Namen als Hauptdarstellern, in Japan als Anime, in den 1980er-Jahren als Fernsehserie. Veronica Ferres und Marianne Sägebrecht waren im Jahr 2000 dabei, die Liste ließe sich fortsetzen.

Ein reines Herz und eine gute Stimme

„Rémi“, die neueste Ausgabe, entstand in Frankreich schon 2018, der Film startet hier mit Verzögerung. Die beteiligten Namen sind wieder nicht schlecht – Daniel Auteuil, Ludivine Sagnier, Virginie Ledoyen, Jacques Perrin. Auteuil ist Signore Vitalis, ein Gaukler, der mit Hund und Äffchen über Land zieht, um auf den Dörfern eine Schau zu zeigen. Auteuil hat sich dafür einen Bart stehen lassen und sichtlich Spaß an der Rolle, vielleicht genau wegen der großen Gefühle, die, ganz altmodisch, niemals ironisch gebrochen werden müssen. Außerdem darf er im Lauf des Films eine Bandbreite an Facetten zur Schau stellen, die vom vermeintlichen Schurken bis zum heldenhaften Retter aus Lebensgefahr reicht, gekrönt von einem tragischen Tod. Im japanischen Kino gewinnt man Ruhm mit guten Sterbeszenen, den dürfte sich Auteuil mit seiner stillen Version hier gesichert haben.

Die Geschichte reiht etliche Abenteuer aneinander. Rémi ist ein Findelkind, das mit zehn Jahren vom bösen Pflegevater an einen fahrenden Musiker verkauft wird, drei Silbermünzen gibt es als Gegenwert. Der Musiker – Signore Vitalis natürlich – hat neben seinem Tierzirkus auch ein ganzes Orchester dabei, eine wilde Zusammensetzung von Instrumenten, so ineinander verschachtelt, dass er das Konstrukt wie einen Rucksack tragen kann. In einem früheren Leben war Vitalis tatsächlich Musiker, deshalb erkennt er, dass Rémi „ein reines Herz und eine gute Stimme“ hat. Damit lässt sich Geld machen, Gesang berührt die Landbevölkerung mehr als Hundedressur. Aber Vitalis ist kein böser Mann, sondern ein trauriger, es ist Hilfsbereitschaft, nicht Ausbeutung, die ihn antreibt.

Ohne Ziel und ohne Dach

Vitalis und Rémi sind ein glückliches Paar. Mit Pfauenfeder am Hut und Geheimnissen im Gepäck durchqueren sie das ländliche Frankreich des 19. Jahrhunderts. Davon soll man einen Eindruck bekommen, der zwar nicht sonderlich naturalistisch ausfällt, dafür aber elegant. Die Dramatik, die der Inhalt bietet, wird von Regisseur Antoine Blossier bildästhetisch aufgegriffen, da leuchtet die Natur bei Tag, bei Nacht glänzt das Gebiss der Wölfe. Durch pittoreske Dörfer und weite Felder wird gewandert, es gibt meist schöne, manchmal gefährliche Begegnungen mit den Ortsansässigen. Vielleicht ist das der Reiz, den dieser Stoff seit hundert Jahren ausübt: der Freiheitskitsch der beiden, die ohne Ziel und ohne Dach einen Sommer lang über Land ziehen.

Irgendwann kommen die Vergangenheit von Vitalis und die Herkunft von Rémi ins Spiel, damit wechselt der Plot vom Schlendrian zu allerlei Aufregung. Parallel hat Blossier das Anliegen, bewegende Momente zu zeigen, die mindestens die nähere Zukunft der Protagonisten bestimmen. Diese Übersteigerung ist manchmal schwierig, insbesondere, wenn es sich dabei um Musik handelt, bei „Rémi“ durchgehend ein tragendes Motiv. So etwa setzt nach 40 Minuten der Junge endlich seine „gottgegebene Stimme“ ein, die vorher häufig angesprochen wurde. Davor könnte man sich durchaus fürchten, aber mit aufwändigen Bildern von gerührten Landarbeitern und ein bisschen Hintergrundchor funktioniert das immerhin so weit, dass man dabeibleibt.

Fragen, die auf die Gegenwart verweisen

Es gäbe noch die Frage, ob der Film hauptsächlich nostalgische alte Menschen unterhält oder ob Kinder damit etwas anfangen können, denn für die ist er genauso gemacht. Die Kinder im Jahr 2021 werden danach wahrscheinlich ein paar Fragen über Armut, Flucht, Verfolgung haben, die leicht auf die Gegenwart umgelegt werden können. Denn wenn der Film eins vermittelt, mit seinem tragischen und seinem glücklichen Ende, dann etwas, was heute wie im 19. Jahrhundert gilt: Niemand hat sein Leben so weit unter Kontrolle, dass es nicht unerwartet erschüttert werden könnte.

Erschienen auf filmdienst.deRemi - Sein größtes AbenteuerVon: Doris Kuhn (2.3.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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