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Filmkritik
Noch immer dauert es lange, bis japanische Animationsfilme den Weg in den Westen finden. „Poupelle und die andere Seite des Himmels“ von Yûsuke Hirota ist ein neuerliches Beispiel dafür. Die Adaption des Kinderbuches von Akihiro Nishino, das in Japan bereits als Theaterstück und als Musical umgesetzt wurde, erschien Ende 2020 und schafft es erst zweieinhalb Jahre später als DVD-Premiere nach Deutschland. Doch besser spät als nie, denn „Poupelle“ entpuppt sich als kleine Animationsperle.
Schauplatz des Geschehens ist Schornsteinstadt – wahrlich kein Ort, an dem man gern leben würde. Düstere Gassen, ein grauer Himmel und finstere Gestalten prägen die Siedlung, die ihren Namen völlig zu Recht trägt, pusten dicke Schlote doch permanent schwarzen Rauch in die Luft, der den Himmel verdunkelt. Ein paar Bewohner träumen dennoch von den Sternen: der Vater von Lubicchi etwa, der vor Jahren verschwunden ist und seinen Traum, den sternenbesetzten Himmel zu sehen, an seinen Sohn vererbt hat.
Die Stadt vom Smog befreien
Doch wer sich auflehnt und derartige „Mythen“ oder auch solche von einer Welt außerhalb der Stadt verbreitet, dem sind die Ordnungshüter der Inquisition bald auf den Fersen. Doch eines Tages – ein bisschen Magie ist auch im Spiel – erhebt sich eine Gestalt in den Straßen: ein Mann aus Müll, der an eine Mischung aus der Vogelscheuche und Blechmann aus „Der Zauberer von Oz“ erinnert. Auf der Flucht vor der Inquisition trifft er auf Lubicchi, mit dem er sich anfreundet und der ihm den Namen Poupelle gibt, so wie die Figur aus den Erzählungen seines Vaters, die auf die Suche nach den Sternen war. Zunehmend wird aus diesem Mythos ein handfester Plan, die Stadt vom Smog zu befreien.
Der Einstieg in „Poupelle und die andere Seite des Himmels“ ist nicht ganz einfach. Das hängt an der Musical-Nummer sowie der darauffolgenden Actionsequenz, die laut und grell, anstrengend und eher unfreiwillig albern als mitreißend ausfallen; aber auch am Stil, der schön gezeichnete Kulissen mit computeranimierten 3D-Figuren mischt, die detailarm und in ihren Bewegungen abgehackt wie aus einem alten Computerspiel wirken.
Das Gestaltung der Figuren ändert sich bis zum Schluss nicht, weshalb die Ästhetik von „Poupelle“ unter einem großen Dämpfer zu leiden hat. Tonfall und Inhalt der Erzählung hingegen werden mit zunehmender Laufzeit interessanter und vielschichtiger – und trumpfen im letzten Drittel richtig auf. Und das, obwohl der Plot der abgedroschenen Dramaturgie folgt, dass die im Mittelpunkt stehende Freundschaft zeitweise auseinanderzubrechen hat.
Die Geschichte der Stadt wird offengelegt
Zu Beginn des finalen Aktes findet dann aber ein gerütteltes Maß an „World Building“ statt, das die Geschichte der bis dahin hauptsächlich als Kulisse fungierenden Stadt offenlegt, die sich ästhetisch zwischen Steam- und Cyberpunk bewegt, und mit einem ganzen Sack voller Themen aufwartet. Es geht um Ökologie und Ökonomie, um den Widerstand gegen autokratische Systeme, um progressiven Wandel, Machthunger und sozialen Zusammenhalt; nebenbei präsentiert „Poupelle“ auch noch den Entwurf für ein neues Geld- und Wirtschaftssystem.
Das alles mündet in ein berührendes, emotionales Finale, in dem von der anfänglichen Albernheit kaum noch etwas übrig ist, obwohl der Film die jüngere Zielgruppe fest im Blick behält.