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Filmkritik
So hat sich Alex(andra) den Einstieg ins Berufsleben nicht vorgestellt. Zwar hat sie in Paris Veterinärmedizin studiert und sich in ihrer Abschlussarbeit mit Viren auseinandergesetzt; ginge es nach ihr, würde sie als Mikrobiologin Karriere machen und später an einer renommierten Institution dozieren. Doch just an dem Abend, als sie ihr WG-Partner zur Feier ihres Abschlusses überreden will, erhält sie eine Nachricht von ihrem Onkel Michel, der in einem Dorf im Burgund eine Tierarztpraxis betreibt.
Der Onkel hat andere Pläne
Alex hat Michel, bei dem sie als Kind oft den Sommer verbrachte, in den letzten Jahren kaum gesehen. Da in seiner Nachricht etwas von einem Notfall steht, fährt sie sofort los, staunt aber nicht schlecht, als bei ihrer Ankunft eine Party anlässlich von Michels Pensionierung im Gange ist. Der Onkel heißt sie willkommen, gratuliert ihr zum Studienabschluss, schenkt ihr sein altes Stethoskop und teilt mit, dass er sie als seine Nachfolgerin vorgesehen habe. Alex ist entrüstet, lässt sich aber überreden, zumindest den Sommer über in der Praxis mitanzupacken. Dass Michel am nächsten Tag sich klammheimlich absetzt, merkt man in der Praxis erst, als sich im Laufe des Tages vermehrt Menschen nach dem Verbleib des Veterinärs erkundigen.
Das ist der sanft klamaukige Auftakt des Regiedebüts von Julie Manoukian, von der auch das Drehbuch stammt. Bevor sie ins Filmfach wechselte, hat Manoukian Literatur studiert, einen Roman verfasst und Drehbücher geschrieben, vor allem für Fernsehserien. Jetzt folgt „Plötzlich aufs Land“, ein Film, der sich ins Genre des (Tier-)Arztfilms ebenso einschreibt wie in das der in Frankreich beliebten Provinzkomödien; die handeln davon, wie Menschen, die aus der Stadt aufs Land oder von einer Region in eine andere versetzt werden, sich erst behaupten müssen, bevor die Einheimischen sie akzeptieren.
Noch nie eine Kuh berüht
„Plötzlich aufs Land“ bedient gefällig, aber vorhersehbar beide Vorgaben. Eine kleine Variation ergibt sich aus der Vorgeschichte von Alex und Michel, die davon handelt, dass der Tierarzt das Mädchen nach dem Tod seiner Schwester nicht zu sich nahm und aufzog. Obwohl Alex einige Kindheitserinnerungen an die Gegend hat, nimmt die Umwelt sie so wahr, wie sie sich selbst fühlt, nämlich als Städterin. Sie ist distanziert und scheint alles besser zu wissen. Zwar ist sie willig, mitanzupacken, aber dieses Anpacken gleichzeitig nicht gewohnt. Wie man in Frankreich ein Veterinärmedizinstudium abschließen kann, ohne je ein Praktikum absolviert und dabei eine Kuh berührt zu haben, bleibt ein Rätsel des Drehbuchs.
Alex aber scheint just das gelungen zu sein. Es erstaunt wenig, dass die Landbevölkerung der jungen Ärztin mit Misstrauen begegnet, die noch nicht mal weiß, wie man eine Operationsnaht anlegt, geschweige denn, wie man einem Kalb auf die Welt hilft. Dass Alex das Tier allein am Strick aus dem Bauch der Kuh zieht, während der Bauer danebensteht, ist alles andere als realistisch.
Doch ein Spielfilm wie „Plötzlich auf Land“ zeigt für gewöhnlich ja nicht die Realität, und Noémie Schmidt wirkt in der Rolle einer jungen Veterinärin, die von der Situation immer mal wieder überfordert ist, aber Tiere mag und schnell lernt, durchaus glaubwürdig. Am besten ist sie in Szenen, in denen sie Menschen ungewollt vor den Kopf stößt und sich dadurch Feinde schafft. Auch Clovis Cornillac überzeugt in der Rolle ihres Praxispartners Nico, der viel Herz für Tiere und deren Besitzer, aber kaum Geschäftssinn und immer zu wenig Zeit für seine Familie hat.
Auftakt für eine Serie
„Plötzlich aufs Land“ ist kurzweilig und unterhaltsam; die Drehorte sind gut gewählt und führen in ein filmisch noch wenig erschlossenes Gebiet am Rande des Zentralmassivs. Die Story nimmt sich allerdings weniger als geschlossene Geschichte denn als Auftakt zu einer Serie aus. Da wird vieles angerissen und aufgegriffen; Figuren kommen, verschwinden und kehren wieder. Nicht nur Onkel Michel, der nach Tahiti abhaut, aber plötzlich wieder im Zimmer steht, als Alex in braucht. Auch der Praxisgehilfe Marco, den eine leise Romanze mit Alex verbindet und der öfters als Vermittler zwischen ihr und den Einheimischen agiert, taucht zuverlässig dann auf, wenn er gebraucht wird, ist sonst aber kaum gegenwärtig.
Es gibt auch noch die kleine Zelda, sie unbedingt selbst Tierärztin werden will und sich Alex immer wieder an die Fersen heftet, sowie viele Tiere. Die gut beobachteten Tierszenen mit Hunden, Katzen, Ratten, Kühen, Ziegen, Weinbergschnecken oder sogar einem Fuchs rühren das Herz.