Filmplakat von Plan A - Was würdest du tun?

Plan A - Was würdest du tun?

Drama, Science Fiction | FSK 12
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Filmkritik

Es dauert eine Weile, bis sich erschließt, was in der Anfangsszene von „Plan 75“ passiert. Während eine Klaviersonate von Mozart zu hören ist, bleibt das Bild zunächst verschwommen und weitgehend dunkel. Erst nachdem ein Schuss ertönt ist, schälen sich aus der Unschärfe ein blutverschmierter Ärmel und ein umgekippter Rollstuhl. Klarheit liefert der Bekennerbrief des Schützen: Er ist nur einer von vielen, die als „Heilung“ gegen die überalterte Gesellschaft Japans zur Waffe greifen, um Senioren zu töten.

Das Langfilmdebüt von Chie Hayakawa basiert auf ihrem Segment für den Episodenfilm „Jû-nen: Ten Years Japan“, der sich Gedanken über eine mögliche Zukunft des Landes machte. In ihrer Dystopie verleitet der hohe Altersdurchschnitt die Regierung zum Handeln. Die grausame Selbstjustiz Einzelner wird deshalb institutionalisiert und mit kapitalistischen Verführungskünsten verschleiert. Im Rahmen des sogenannten „Plan 75“ werden Rentner zu einer freiwilligen Euthanasie überredet, die wie eine luxuriöse Kaffeefahrt beworben wird. Schmackhaft gemacht wird das der Zielgruppe durch eine Geldprämie sowie die Ehre, sich selbstlos für die Gemeinschaft zu opfern.

Legendenbasiert mit einem Hauch Science-Fiction

„Plan 75“ greift auf eine bekannte japanische Legende namens „Ubasute“ zurück. In Zeiten von Hungersnöten, in denen jeder schnell zur Belastung werden konnte, wurden, dem Mythos zufolge, ältere Familienmitglieder zum Sterben in der freien Natur ausgesetzt. Im Kino wurde diese Praxis vor allem bekannt durch die auf Shichirō Fukazawas Erzählung „Die Ballade von Narayama“ basierenden Filme von Keisuke Kinoshita und Shohei Imamura. Mit einem Hauch Science-Fiction greift Hayakawa dieses Motiv nun erneut auf, um über den Wert eines Menschen nachzudenken.

Zentrum des Films ist die 78-jährige Michi (Chieko Baishô), die als Zimmermädchen in einem Hotel arbeitet. Als ihr wegen ihres Alters gekündigt wird und sie in Geldnot gerät, hat sie in dieser Gesellschaft plötzlich keine Funktion mehr. Sah man Michi zunächst noch mit ihren Kolleginnen scherzen, wird sie in den trügerisch weich ästhetisierten Bildern zunehmend isoliert. So wie „Plan 75“ eher an Momenten und Stimmungen als an einer klassischen Erzählung interessiert ist, bleibt dabei auch Michis Innenleben nur angedeutet. In einer langen Einstellung ist einmal zu sehen, wie sie in einem Wartezimmer sitzt. Chieko Baishô vermittelt dabei mit reduzierter Dramatik, dass sich ihre Figur gerade ihrer Lage bewusst wird, ohne dabei konkret zu werden.

Kaltblütige Entsorgung in harmloser Verpackung

Der Widerspruch besteht in „Plan 75“ zwischen der kaltblütigen Entsorgung von vermeintlich nutzlosen Bürgern und ihrer harmlosen Verpackung. Weil die Kampagne mit niedlichen Jingles unterlegt ist und ihre Mitarbeiter stets offensiv rücksichtsvoll sind und verständnisvoll lächeln, vergisst man zwischendurch fast, um was es hier in Wahrheit geht. Der Film ist an einer Erkenntnis interessiert, die diesen Widerspruch zögerlich entlarvt.

Neben Michi, die sich aus Einsamkeit und Hilflosigkeit schließlich für das Programm entscheidet, konzentriert sich der Film außerdem auf den glatten Plan-75-Mitarbeiter Hiromu (Hayato Isomura), dessen professionelle Fassade zu bröckeln beginnt, als sich sein Onkel für das Programm meldet, sowie auf die philippinische Arbeiterin Maria (Stefanie Arianne), die die Leichen der Senioren vor der Einäscherung entkleidet, um sich die Operation für ihre herzkranke Tochter leisten zu können. Teilweise würde man sich etwas mehr Berührungspunkte zwischen den nur sehr lose verbundenen Erzählsträngen wünschen. Der Geschichte von Maria bleibt zudem so rudimentär, dass es ihr an Dringlichkeit mangelt.

Gespür für die Wärme zwischen den Figuren

Und doch zeichnet sich in „Plan 75“ immer wieder deutlich ab, dass sich der Wert eines Menschen in keiner messbaren Leistung niederschlägt, sondern in einem liebe- und rücksichtsvollen Miteinander. Während sich Hayakawa nur sehr bedingt für den Weltentwurf ihres dystopischen Settings interessiert, hat sie ein umso besseres Gespür für die Wärme, die zwischen ihren Figuren entfacht wird. Gefühle werden schließlich zum Störfaktor in einem nach rein rationalen und ökonomischen Kriterien durchgetakteten System. Wenn Michi sich mit einer Betreuerin anfreundet, die sie eigentlich möglichst widerstandlos in den Tod begleiten soll, und Hiromu verbindende Momente mit seinem Onkel verbringt, lässt sich das Programm plötzlich nicht mehr schönlächeln.

Die pittoresken Bilder, die bewusst alltäglichen Momente und das zurückgenommene Schauspiel laufen zwar manchmal Gefahr, etwas einlullend zu wirken, aber je näher der Tod rückt, desto eindringlicher sind auch die Momente, die der Film dafür findet: Etwa die absurde Situation, wenn einem Totgeweihten im Auto behutsam der Sicherheitsgurt angelegt wird oder die lähmende Angst kurz vor der Todesspritze, nachdem man gerade das würdelose Ableben des Bettnachbarn mitansehen musste. Sobald es zur konkreten Ausführung des „Plan 75“ kommt, bricht auch die ganze Illusion dieser vermeintlich sanften und humanen Sterbehilfe in sich zusammen.

Erschienen auf filmdienst.dePlan A - Was würdest du tun?Von: Michael Kienzl (8.12.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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