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Filmkritik
Die im Iran geborene Zeichnerin und Regisseurin Marjane Satrapi hat nach ihrem viel gelobtem Trickfilm „Persepolis“ (2007) zuletzt mit der Graphic Novel „Frau, Leben, Freiheit“ an die Kurdin Jina Mahsa Amini erinnert, die im Polizeigewahrsam in Teheran gestorben ist. Seit mehr als 20 Jahren lebt Satrapi im Exil in Paris und hat ihr Heimatland seither nie wieder besucht. Umso größer waren die Erwartungen an ihren Episodenfilm „Paris Paradies“, dessen Handlung in der französischen Hauptstadt spielt und der mit einer Monica Bellucci, Rossy de Palma, André Dussollier und Roschdy Zem prominent besetzt ist.
Das Alter und andere Gebrechen
Die fünf Geschichten werden von losen Schnitten und einer banalen Botschaft zusammengehalten: Das Leben ist es wert, gelebt zu werden, auch wenn es angesichts des unausweichlichen Todes schwerfällt. Mit diesem ewigen Dilemma konfrontiert werden: eine mit Gott über ihre Wünsche verhandelnde Großmutter, die eine Zigarette nach der anderen raucht, obwohl sie Asthma hat. Ein Café-Besitzer, der ganz in der Erinnerung an seine verstorbene Frau lebt und darüber die Gegenwart vernachlässigt. Ein schwuler Visagist, der sich in einen Hetero-Stuntman verliebt, sowie ein Fernsehmoderator, der an einer tödlichen Krankheit leidet, während sich eine Opern-Diva, die seit 15 Jahren nicht mehr aufgetreten ist, nach einem körperlichen Zusammenbruch im Leichenschauhaus wiederfindet, da die Ärzte sie fälschlicherweise für tot erklärt haben. Zurück in ihrem Stadtpalais, müht sich ihr Ehemann, ihre Stimmung aufzubessern, denn statt der Nachrufe, die sie sich grandios ausgemalt hat, muss sie bitter konstatieren, dass sich kaum jemand an sie erinnert. Das schiebt die 59-jährige Sängerin auf ihr Alter und glaubt, sich mit einem Facelifting wieder ins Gespräch zu bringen.
An Quentin Tarantino soll wohl die letzte Episode um einen depressiven Teenager gemahnen, der sich wegen eines peinlichen Sexvideos in den Sozialen Medien das Leben zu nehmen versucht. Trotz des Supports eines Psychiaters und liebevoller Eltern sitzt das Mädchen eines Abends am Rand einer Seine-Brücke, als sie von einem sadistischen Psychopathen in dessen Wagen gezerrt wird. In einer verlassenen Fabrik packt der Mann sein Messer-Set aus. Dabei entdeckt er, dass die junge Frau am ganzen Körper mit Schnitten übersät ist. Bis auf den Bauch, den er zu traktieren beginnt.
Sein Gegenüber bricht darüber in einen Redeschwall aus und beichtet seine Probleme, die Verlogenheit der Eltern und die Bösartigkeit der Mitschüler, was die sexuellen Fantasien des Mannes so sehr stört, dass er die „Nervensäge“ an den Fluss zurückbringt. Wie durch ein Wunder ist das Mädchen von seiner Last befreit. Später sieht man sie im Polizeirevier, wo sie den Kommissar belehrt, wie er ihren Peiniger aufspüren kann.
Langeweile statt schwarzem Humor
Es ist erstaunlich, dass der schwarze Humor selbst in dieser überdrehten Geschichte nicht einmal punktuell zündet. Die Kluft zwischen dem Horror und der Sentimentalität der Charaktere macht das Geschehen so unglaubwürdig, dass über weite Strecken eine lähmende Langeweile aufkommt. Wenn Paris am Ende des Films als die Stadt der Liebe gefeiert wird, die trotz aller Grausamkeit immer noch Menschen unterschiedlichster Herkunft und Profession zueinander bringt, dann blendet der Film vor lauter Klischees und anachronistischer Projektionen die wahren Probleme der Stadt komplett aus.
„Paris Paradies“ wirkt wie ein Wiedergänger aus den 1990er-Jahren, in dem sich schräge Figuren in den Straßen und Cafés wie auf einem Schachbrett begegneten, ohne voneinander zu wissen, nur um in surreale Situationen zu geraten, aus denen sie von ihren Luxussorgen geläutert einen Neustart wagen konnten. Angesichts der explosiven aktuellen politischen Lage in Frankreich taugt dieser erschreckend schwachbrüstige Plot aber nicht mal im Ansatz für ein komödiantisch-existenzielles Abbild einer heillos vergifteten Gesellschaft. Wahrscheinlich schwebte Satrapi eine solche Bestandsaufnahme auch gar nicht vor. Das ist umso bedauerlicher, denn es gibt nichts Traurigeres, als der eigenen Gegenwart hinterherzuhängen.